Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 1. Danzig, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

wo die Ausbildung des Körpers eben so dringende
Angelegenheit der Nationalbildung sein wird, wie die
des Geistes, wo Gymnasien im Sinne der Alten eben
so eifrig gepflegte Staatsanstalten sein werden, wie es
jetzt die Gymnasien im modernen Sinne sind. Es ist
die Ahnung dieser Zeit, die sich bereits im deutschen
Volke regt; es fühlt, daß es unter orientalisch-geistli-
cher Ascese, unter griechisch-wissenschaftlichen Studien
sein körperliches Leben, seine Kraft verfallen ließ, und
sehnt sich, wie ein Hypochonder, nach Bewegung,
als dem einzigen Heilmittel seiner von allen, die das
Uebel fühlen, nur selten richtig erkannten Krankheit.
Wir haben über der immer höher gesteigerten Bildung
des Kopfes und des Herzens unser reales Leben verlo-
ren und ein allgemeines Mißbehagen liegt als Wir-
kung dieser einseitigen Entwickelung auf dem halb ver-
kümmerten Volke. Der arme Michel fühlt das wohl;
ihn schmerzt der Kopf, ihm sticht es im Herzen und die
Aerzte, die ihn behandeln, rathen auf allerlei bedenkli-
che Gehirn- oder Brustkrankheiten: schafft ihm durch
eine organisirte Nationalgymnastik die erforderliche Be-
wegung und stellt die Harmonie seines Lebens mit
seinen übrigen Kräften her, so wird von seinem
Kopfe der Druck und von seinem Herzen die Beklem-
mung weichen; denn ein gesundes ist immer auch ein
zufriedenes Volk.



wo die Ausbildung des Körpers eben ſo dringende
Angelegenheit der Nationalbildung ſein wird, wie die
des Geiſtes, wo Gymnaſien im Sinne der Alten eben
ſo eifrig gepflegte Staatsanſtalten ſein werden, wie es
jetzt die Gymnaſien im modernen Sinne ſind. Es iſt
die Ahnung dieſer Zeit, die ſich bereits im deutſchen
Volke regt; es fühlt, daß es unter orientaliſch-geiſtli-
cher Asceſe, unter griechiſch-wiſſenſchaftlichen Studien
ſein körperliches Leben, ſeine Kraft verfallen ließ, und
ſehnt ſich, wie ein Hypochonder, nach Bewegung,
als dem einzigen Heilmittel ſeiner von allen, die das
Uebel fühlen, nur ſelten richtig erkannten Krankheit.
Wir haben über der immer höher geſteigerten Bildung
des Kopfes und des Herzens unſer reales Leben verlo-
ren und ein allgemeines Mißbehagen liegt als Wir-
kung dieſer einſeitigen Entwickelung auf dem halb ver-
kümmerten Volke. Der arme Michel fühlt das wohl;
ihn ſchmerzt der Kopf, ihm ſticht es im Herzen und die
Aerzte, die ihn behandeln, rathen auf allerlei bedenkli-
che Gehirn- oder Bruſtkrankheiten: ſchafft ihm durch
eine organiſirte Nationalgymnaſtik die erforderliche Be-
wegung und ſtellt die Harmonie ſeines Lebens mit
ſeinen übrigen Kräften her, ſo wird von ſeinem
Kopfe der Druck und von ſeinem Herzen die Beklem-
mung weichen; denn ein geſundes iſt immer auch ein
zufriedenes Volk.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0088" n="84"/>
wo die Ausbildung des Körpers eben &#x017F;o dringende<lb/>
Angelegenheit der Nationalbildung &#x017F;ein wird, wie die<lb/>
des Gei&#x017F;tes, wo Gymna&#x017F;ien im Sinne der Alten eben<lb/>
&#x017F;o eifrig gepflegte Staatsan&#x017F;talten &#x017F;ein werden, wie es<lb/>
jetzt die Gymna&#x017F;ien im modernen Sinne &#x017F;ind. Es i&#x017F;t<lb/>
die Ahnung die&#x017F;er Zeit, die &#x017F;ich bereits im deut&#x017F;chen<lb/>
Volke regt; es fühlt, daß es unter orientali&#x017F;ch-gei&#x017F;tli-<lb/>
cher Asce&#x017F;e, unter griechi&#x017F;ch-wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Studien<lb/>
&#x017F;ein körperliches Leben, &#x017F;eine Kraft verfallen ließ, und<lb/>
&#x017F;ehnt &#x017F;ich, wie ein Hypochonder, nach <hi rendition="#g">Bewegung,</hi><lb/>
als dem einzigen Heilmittel &#x017F;einer von allen, die das<lb/>
Uebel fühlen, nur &#x017F;elten <hi rendition="#g">richtig</hi> erkannten Krankheit.<lb/>
Wir haben über der immer höher ge&#x017F;teigerten Bildung<lb/>
des Kopfes und des Herzens un&#x017F;er reales Leben verlo-<lb/>
ren und ein allgemeines Mißbehagen liegt als Wir-<lb/>
kung die&#x017F;er ein&#x017F;eitigen Entwickelung auf dem halb ver-<lb/>
kümmerten Volke. Der arme Michel fühlt das wohl;<lb/>
ihn &#x017F;chmerzt der Kopf, ihm &#x017F;ticht es im Herzen und die<lb/>
Aerzte, die ihn behandeln, rathen auf allerlei bedenkli-<lb/>
che Gehirn- oder Bru&#x017F;tkrankheiten: &#x017F;chafft ihm durch<lb/>
eine organi&#x017F;irte Nationalgymna&#x017F;tik die erforderliche Be-<lb/>
wegung und &#x017F;tellt die Harmonie &#x017F;eines Lebens mit<lb/>
&#x017F;einen übrigen Kräften her, &#x017F;o wird von &#x017F;einem<lb/>
Kopfe der Druck und von &#x017F;einem Herzen die Beklem-<lb/>
mung weichen; denn ein ge&#x017F;undes i&#x017F;t immer auch ein<lb/>
zufriedenes Volk.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[84/0088] wo die Ausbildung des Körpers eben ſo dringende Angelegenheit der Nationalbildung ſein wird, wie die des Geiſtes, wo Gymnaſien im Sinne der Alten eben ſo eifrig gepflegte Staatsanſtalten ſein werden, wie es jetzt die Gymnaſien im modernen Sinne ſind. Es iſt die Ahnung dieſer Zeit, die ſich bereits im deutſchen Volke regt; es fühlt, daß es unter orientaliſch-geiſtli- cher Asceſe, unter griechiſch-wiſſenſchaftlichen Studien ſein körperliches Leben, ſeine Kraft verfallen ließ, und ſehnt ſich, wie ein Hypochonder, nach Bewegung, als dem einzigen Heilmittel ſeiner von allen, die das Uebel fühlen, nur ſelten richtig erkannten Krankheit. Wir haben über der immer höher geſteigerten Bildung des Kopfes und des Herzens unſer reales Leben verlo- ren und ein allgemeines Mißbehagen liegt als Wir- kung dieſer einſeitigen Entwickelung auf dem halb ver- kümmerten Volke. Der arme Michel fühlt das wohl; ihn ſchmerzt der Kopf, ihm ſticht es im Herzen und die Aerzte, die ihn behandeln, rathen auf allerlei bedenkli- che Gehirn- oder Bruſtkrankheiten: ſchafft ihm durch eine organiſirte Nationalgymnaſtik die erforderliche Be- wegung und ſtellt die Harmonie ſeines Lebens mit ſeinen übrigen Kräften her, ſo wird von ſeinem Kopfe der Druck und von ſeinem Herzen die Beklem- mung weichen; denn ein geſundes iſt immer auch ein zufriedenes Volk.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst01_1843/88
Zitationshilfe: Euler, Karl (Hrsg.): Jahrbücher der deutschen Turnkunst. Bd. 1. Danzig, 1843, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_turnkunst01_1843/88>, abgerufen am 27.04.2024.