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Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849.

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trägen Nachhinkens heraus zu bringen. Gelehrte Leute
will ich aus den Bauern nicht ziehen, aber aufgeklärte,
ganze Menschen."

"Der Herr Pfarrer hat mir schon viel Rühmliches
von ihren Bestrebungen gesagt und ich meine, ich bin
eben zur rechten Zeit hergekommen, um dieselben zu
unterstützen," sagte Johannes, "ich bin in diesem Dorf
und seinen Einwohnern aufgewachsen, kenne sie also
Alle genau und weiß sie zu behandeln. Mißtrauisch sind
sie, Sie haben gesehen, wie sie mich auch so willkommen
hießen und dachten, ich möchte ein Anderer geworden sein,
nur weil ich einige Jahre in der großen Stadt vom
Dorfe entfernt lebte -- vielleicht auch, weil ich einen
Sammtrock und lange Locken trage;" setzte er lachend
hinzu.

"Jch ahnte es gleich," erwiederte unser Schul-
meister, "daß Jhre Ansichten den meinen beistimmen
würden, besonders hörte ich das aus Jhrem Gedicht her-
aus, mit dem immer wiederkehrenden Schlußvers:

"Es ist mein Stolz, daß ich vom Volke stamme!"

Sie wollten damit nicht nur zeigen, wie hoch Sie Jhr
Dorf, den Landmann und alle Arbeit überhaupt achte-
ten, sondern dadurch auch diesen Stolz in den Dorf-
bewohnern selber wecken, das ist es, wonach ich auch
strebe."

traͤgen Nachhinkens heraus zu bringen. Gelehrte Leute
will ich aus den Bauern nicht ziehen, aber aufgeklaͤrte,
ganze Menſchen.“

„Der Herr Pfarrer hat mir ſchon viel Ruͤhmliches
von ihren Beſtrebungen geſagt und ich meine, ich bin
eben zur rechten Zeit hergekommen, um dieſelben zu
unterſtuͤtzen,“ ſagte Johannes, „ich bin in dieſem Dorf
und ſeinen Einwohnern aufgewachſen, kenne ſie alſo
Alle genau und weiß ſie zu behandeln. Mißtrauiſch ſind
ſie, Sie haben geſehen, wie ſie mich auch ſo willkommen
hießen und dachten, ich moͤchte ein Anderer geworden ſein,
nur weil ich einige Jahre in der großen Stadt vom
Dorfe entfernt lebte — vielleicht auch, weil ich einen
Sammtrock und lange Locken trage;“ ſetzte er lachend
hinzu.

„Jch ahnte es gleich,“ erwiederte unſer Schul-
meiſter, „daß Jhre Anſichten den meinen beiſtimmen
wuͤrden, beſonders hoͤrte ich das aus Jhrem Gedicht her-
aus, mit dem immer wiederkehrenden Schlußvers:

„Es iſt mein Stolz, daß ich vom Volke ſtamme!“

Sie wollten damit nicht nur zeigen, wie hoch Sie Jhr
Dorf, den Landmann und alle Arbeit uͤberhaupt achte-
ten, ſondern dadurch auch dieſen Stolz in den Dorf-
bewohnern ſelber wecken, das iſt es, wonach ich auch
ſtrebe.“

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[100/0108] traͤgen Nachhinkens heraus zu bringen. Gelehrte Leute will ich aus den Bauern nicht ziehen, aber aufgeklaͤrte, ganze Menſchen.“ „Der Herr Pfarrer hat mir ſchon viel Ruͤhmliches von ihren Beſtrebungen geſagt und ich meine, ich bin eben zur rechten Zeit hergekommen, um dieſelben zu unterſtuͤtzen,“ ſagte Johannes, „ich bin in dieſem Dorf und ſeinen Einwohnern aufgewachſen, kenne ſie alſo Alle genau und weiß ſie zu behandeln. Mißtrauiſch ſind ſie, Sie haben geſehen, wie ſie mich auch ſo willkommen hießen und dachten, ich moͤchte ein Anderer geworden ſein, nur weil ich einige Jahre in der großen Stadt vom Dorfe entfernt lebte — vielleicht auch, weil ich einen Sammtrock und lange Locken trage;“ ſetzte er lachend hinzu. „Jch ahnte es gleich,“ erwiederte unſer Schul- meiſter, „daß Jhre Anſichten den meinen beiſtimmen wuͤrden, beſonders hoͤrte ich das aus Jhrem Gedicht her- aus, mit dem immer wiederkehrenden Schlußvers: „Es iſt mein Stolz, daß ich vom Volke ſtamme!“ Sie wollten damit nicht nur zeigen, wie hoch Sie Jhr Dorf, den Landmann und alle Arbeit uͤberhaupt achte- ten, ſondern dadurch auch dieſen Stolz in den Dorf- bewohnern ſelber wecken, das iſt es, wonach ich auch ſtrebe.“

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Zitationshilfe: Otto-Peters, Louise: Ein Bauernsohn. Leipzig, 1849, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_bauernsohn_1849/108>, abgerufen am 29.04.2024.