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Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871].

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betrieben. Bartel war ein eben so tüchtiger Musiker als fester Dirigent: es verging selten ein Abend, ohne daß ein paar Gesangstücke ausgeführt wurden, oder daß Bartel eine Klaviersonate mit großer Virtuosität zum besten gab. Er wußte sehr wohl, daß das Orgelspiel einen harten Anschlag auf dem Pianoforte zu verursachen pflegt, und sagte uns selbst, er habe sich vor nichts mehr zu hüten, als etwa auf dem Klaviere eine Saite zu sprengen. Sein treffliches Spiel war von weise gemäßigtem Ausdrucke. Die Orgelpräludien von Joh. Seb. Bach trug er mit vollem Verständniß vor; einige davon hatte ich vom Professor Walch in Berlin gehört, doch mußte ich dem Spiele von Bartel unbedingt den Vorzug geben.

Höchst anziehend war es, als eines Abends die Herzogin mit sammtweicher melodischer Stimme ein Stück aus Pergoleses Stabat mater sang und mein Vater sie dabei begleitete. Nicht ohne Rührung äußerte sie, dies rufe ihr die ganze glückliche Jugendzeit zurück, wo sie dasselbe Stück im älterlichen Hause mehr als einmal zu der Begleitung meines Vaters gesungen. Sie bewahrte seitdem eine ebenso große Vorliebe für Pergolese, als ihre Schwester für Himmels Kompositionen zur Urania.

So oft ich konnte, schlüpfte ich in die Bibliothek und suchte mich besonders mit den französischen Werken bekannt zu machen, welche die Herzogin nach und nach von Paris hergesendet. Die Romanenlitteratur nahm einen sehr kleinen Raum ein; es waren meistens historische und populär-philosophische Werke.

Unter den geschichtlichen Büchern interessirte mich vornehmlich ein Auszug aus den offiziellen Dokumenten der französischen Revolution von 1789. In der

betrieben. Bartel war ein eben so tüchtiger Musiker als fester Dirigent: es verging selten ein Abend, ohne daß ein paar Gesangstücke ausgeführt wurden, oder daß Bartel eine Klaviersonate mit großer Virtuosität zum besten gab. Er wußte sehr wohl, daß das Orgelspiel einen harten Anschlag auf dem Pianoforte zu verursachen pflegt, und sagte uns selbst, er habe sich vor nichts mehr zu hüten, als etwa auf dem Klaviere eine Saite zu sprengen. Sein treffliches Spiel war von weise gemäßigtem Ausdrucke. Die Orgelpräludien von Joh. Seb. Bach trug er mit vollem Verständniß vor; einige davon hatte ich vom Professor Walch in Berlin gehört, doch mußte ich dem Spiele von Bartel unbedingt den Vorzug geben.

Höchst anziehend war es, als eines Abends die Herzogin mit sammtweicher melodischer Stimme ein Stück aus Pergoleses Stabat mater sang und mein Vater sie dabei begleitete. Nicht ohne Rührung äußerte sie, dies rufe ihr die ganze glückliche Jugendzeit zurück, wo sie dasselbe Stück im älterlichen Hause mehr als einmal zu der Begleitung meines Vaters gesungen. Sie bewahrte seitdem eine ebenso große Vorliebe für Pergolese, als ihre Schwester für Himmels Kompositionen zur Urania.

So oft ich konnte, schlüpfte ich in die Bibliothek und suchte mich besonders mit den französischen Werken bekannt zu machen, welche die Herzogin nach und nach von Paris hergesendet. Die Romanenlitteratur nahm einen sehr kleinen Raum ein; es waren meistens historische und populär-philosophische Werke.

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[390/0398] betrieben. Bartel war ein eben so tüchtiger Musiker als fester Dirigent: es verging selten ein Abend, ohne daß ein paar Gesangstücke ausgeführt wurden, oder daß Bartel eine Klaviersonate mit großer Virtuosität zum besten gab. Er wußte sehr wohl, daß das Orgelspiel einen harten Anschlag auf dem Pianoforte zu verursachen pflegt, und sagte uns selbst, er habe sich vor nichts mehr zu hüten, als etwa auf dem Klaviere eine Saite zu sprengen. Sein treffliches Spiel war von weise gemäßigtem Ausdrucke. Die Orgelpräludien von Joh. Seb. Bach trug er mit vollem Verständniß vor; einige davon hatte ich vom Professor Walch in Berlin gehört, doch mußte ich dem Spiele von Bartel unbedingt den Vorzug geben. Höchst anziehend war es, als eines Abends die Herzogin mit sammtweicher melodischer Stimme ein Stück aus Pergoleses Stabat mater sang und mein Vater sie dabei begleitete. Nicht ohne Rührung äußerte sie, dies rufe ihr die ganze glückliche Jugendzeit zurück, wo sie dasselbe Stück im älterlichen Hause mehr als einmal zu der Begleitung meines Vaters gesungen. Sie bewahrte seitdem eine ebenso große Vorliebe für Pergolese, als ihre Schwester für Himmels Kompositionen zur Urania. So oft ich konnte, schlüpfte ich in die Bibliothek und suchte mich besonders mit den französischen Werken bekannt zu machen, welche die Herzogin nach und nach von Paris hergesendet. Die Romanenlitteratur nahm einen sehr kleinen Raum ein; es waren meistens historische und populär-philosophische Werke. Unter den geschichtlichen Büchern interessirte mich vornehmlich ein Auszug aus den offiziellen Dokumenten der französischen Revolution von 1789. In der

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Zitationshilfe: Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 2. Berlin, [1871], S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen02_1871/398>, abgerufen am 12.05.2024.