Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

sohn aber warfs auf den Gaul hinauf und in die
Nacht hinaus: seine geistigen Erd-Erschütterungen
legten sich nur unter einem körperlichen Galop.

Er sprengte über den Hügel, auf dem er
Morgen sich mit seinem Horion wieder verknüpfen
wollte, zehnmal hinauf und hinab. Er fluchte und
donnerte auf alle seine Leidenschaften -- freilich mit
Leidenschaft -- die bisher die Beinsäge an ihre ver¬
bundnen Freundschaftshände applicirt hatten: "o
"wenn ich dich nur wieder habe, Sebastian, (sagt'
"er und riß den Gaul herum,) so will ich so sanft
"seyn, so sanft wie du, und dich niemals verkennen,
"oder das Donnerwetter soll mich hier auf dem
"Platze. . . ." Beschämt über den eiligen Wider¬
spruch, ritt er blos im Pas nach Hause.

Seine Sehnsucht nach seinem wiederkehrenden
Freunde drückt' er im Stalle dadurch aus, daß er
die Scheitelhaare hinaufstülpte, den Zopf wie die
fünfte Violinsaite anzog und den Schlüssel des Fut¬
terkastens abdrehte. . . .

Nur ein Mensch, der nach einem Freunde ge¬
rade so
wie nach einer Freundin schmachtet, ver¬
dienet beide. Aber es giebt Menschen, die aus der
Erde gehen, ohne je darüber betrübt oder besorgt
gewesen zu seyn, daß sie niemand darin geliebt hat¬
te. Derjenige, der nach dem Kommerzientrak¬
tat
der Kaufleute, nach dem gesellschaftlichen

ſohn aber warfs auf den Gaul hinauf und in die
Nacht hinaus: ſeine geiſtigen Erd-Erſchuͤtterungen
legten ſich nur unter einem koͤrperlichen Galop.

Er ſprengte uͤber den Huͤgel, auf dem er
Morgen ſich mit ſeinem Horion wieder verknuͤpfen
wollte, zehnmal hinauf und hinab. Er fluchte und
donnerte auf alle ſeine Leidenſchaften — freilich mit
Leidenſchaft — die bisher die Beinſaͤge an ihre ver¬
bundnen Freundſchaftshaͤnde applicirt hatten: »o
»wenn ich dich nur wieder habe, Sebaſtian, (ſagt'
»er und riß den Gaul herum,) ſo will ich ſo ſanft
»ſeyn, ſo ſanft wie du, und dich niemals verkennen,
»oder das Donnerwetter ſoll mich hier auf dem
»Platze. . . .« Beſchaͤmt uͤber den eiligen Wider¬
ſpruch, ritt er blos im Pas nach Hauſe.

Seine Sehnſucht nach ſeinem wiederkehrenden
Freunde druͤckt' er im Stalle dadurch aus, daß er
die Scheitelhaare hinaufſtuͤlpte, den Zopf wie die
fuͤnfte Violinſaite anzog und den Schluͤſſel des Fut¬
terkaſtens abdrehte. . . .

Nur ein Menſch, der nach einem Freunde ge¬
rade ſo
wie nach einer Freundin ſchmachtet, ver¬
dienet beide. Aber es giebt Menſchen, die aus der
Erde gehen, ohne je daruͤber betruͤbt oder beſorgt
geweſen zu ſeyn, daß ſie niemand darin geliebt hat¬
te. Derjenige, der nach dem Kommerzientrak¬
tat
der Kaufleute, nach dem geſellſchaftlichen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0034" n="23"/>
&#x017F;ohn aber warfs auf den Gaul hinauf und in die<lb/>
Nacht hinaus: &#x017F;eine gei&#x017F;tigen Erd-Er&#x017F;chu&#x0364;tterungen<lb/>
legten &#x017F;ich nur unter einem ko&#x0364;rperlichen Galop.</p><lb/>
        <p>Er &#x017F;prengte u&#x0364;ber den Hu&#x0364;gel, auf dem er<lb/>
Morgen &#x017F;ich mit &#x017F;einem Horion wieder verknu&#x0364;pfen<lb/>
wollte, zehnmal hinauf und hinab. Er fluchte und<lb/>
donnerte auf alle &#x017F;eine Leiden&#x017F;chaften &#x2014; freilich mit<lb/>
Leiden&#x017F;chaft &#x2014; die bisher die Bein&#x017F;a&#x0364;ge an ihre ver¬<lb/>
bundnen Freund&#x017F;chaftsha&#x0364;nde applicirt hatten: »o<lb/>
»wenn ich dich nur wieder habe, Seba&#x017F;tian, (&#x017F;agt'<lb/>
»er und riß den Gaul herum,) &#x017F;o will ich &#x017F;o &#x017F;anft<lb/>
»&#x017F;eyn, &#x017F;o &#x017F;anft wie du, und dich niemals verkennen,<lb/>
»oder das Donnerwetter &#x017F;oll mich hier auf dem<lb/>
»Platze. . . .« Be&#x017F;cha&#x0364;mt u&#x0364;ber den eiligen Wider¬<lb/>
&#x017F;pruch, ritt er blos im Pas nach Hau&#x017F;e.</p><lb/>
        <p>Seine Sehn&#x017F;ucht nach &#x017F;einem wiederkehrenden<lb/>
Freunde dru&#x0364;ckt' er im Stalle dadurch aus, daß er<lb/>
die Scheitelhaare hinauf&#x017F;tu&#x0364;lpte, den Zopf wie die<lb/>
fu&#x0364;nfte Violin&#x017F;aite anzog und den Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el des Fut¬<lb/>
terka&#x017F;tens abdrehte. . . .</p><lb/>
        <p>Nur ein Men&#x017F;ch, der nach einem Freunde <hi rendition="#g">ge¬<lb/>
rade &#x017F;o</hi> wie nach einer Freundin &#x017F;chmachtet, ver¬<lb/>
dienet beide. Aber es giebt Men&#x017F;chen, die aus der<lb/>
Erde gehen, ohne je daru&#x0364;ber betru&#x0364;bt oder be&#x017F;orgt<lb/>
gewe&#x017F;en zu &#x017F;eyn, daß &#x017F;ie niemand darin geliebt hat¬<lb/>
te. Derjenige, der nach dem <hi rendition="#g">Kommerzientrak¬<lb/>
tat</hi> der Kaufleute, nach dem <hi rendition="#g">ge&#x017F;ell&#x017F;chaftlichen<lb/></hi></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[23/0034] ſohn aber warfs auf den Gaul hinauf und in die Nacht hinaus: ſeine geiſtigen Erd-Erſchuͤtterungen legten ſich nur unter einem koͤrperlichen Galop. Er ſprengte uͤber den Huͤgel, auf dem er Morgen ſich mit ſeinem Horion wieder verknuͤpfen wollte, zehnmal hinauf und hinab. Er fluchte und donnerte auf alle ſeine Leidenſchaften — freilich mit Leidenſchaft — die bisher die Beinſaͤge an ihre ver¬ bundnen Freundſchaftshaͤnde applicirt hatten: »o »wenn ich dich nur wieder habe, Sebaſtian, (ſagt' »er und riß den Gaul herum,) ſo will ich ſo ſanft »ſeyn, ſo ſanft wie du, und dich niemals verkennen, »oder das Donnerwetter ſoll mich hier auf dem »Platze. . . .« Beſchaͤmt uͤber den eiligen Wider¬ ſpruch, ritt er blos im Pas nach Hauſe. Seine Sehnſucht nach ſeinem wiederkehrenden Freunde druͤckt' er im Stalle dadurch aus, daß er die Scheitelhaare hinaufſtuͤlpte, den Zopf wie die fuͤnfte Violinſaite anzog und den Schluͤſſel des Fut¬ terkaſtens abdrehte. . . . Nur ein Menſch, der nach einem Freunde ge¬ rade ſo wie nach einer Freundin ſchmachtet, ver¬ dienet beide. Aber es giebt Menſchen, die aus der Erde gehen, ohne je daruͤber betruͤbt oder beſorgt geweſen zu ſeyn, daß ſie niemand darin geliebt hat¬ te. Derjenige, der nach dem Kommerzientrak¬ tat der Kaufleute, nach dem geſellſchaftlichen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/34
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/34>, abgerufen am 09.10.2024.