Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

ligte ein, daß ich ihm sein Felleisen abstreifte wie
den Alpenhunden ihren Portativ-Konvikttisch. Ich
zog aus dem Kürbis, der in Marketenderzelten oft
mit Spiritus gefüllet worden, etwas heraus, was
mich noch besser berauschte -- einen Bündel Briefe.
Gelehrte, Verliebte, Müssige und Mädgen sind un¬
bändig auf Briefe erpicht; Geschäftsleute gar nicht.

Das ganze Volumen -- Name und Hand waren
mir fremd -- drehte sich um den Inhalt, ich wäre
ein berühmter Mann und hätte mit Kaisern und
Königen Verkehr *) und Berghauptmänner meines
Schlages gäb' es wohl wenig u. s. w. Aber genug!
Denn ich müste nicht eine Unze Bescheidenheit mehr
in mir tragen, wenn ich mit der Unverschämtheit,
die einige wirklich haben, so fort exzerpiren und es
aus den Briefen extrahiren wollte, daß ich der schee¬
rauische Gibbon und Möser wäre (zwar im biogra¬
phischen Fache nur, aber welche Schmeichelei!) --
daß jeder, der ein Leben besäße, und es von mir
biographisch abgeschattet sehen wollte, damit fort¬
machen sollte, ehe ich von irgend einem königlichen

*) Außer den zwei Kaisern Gilluk und Athnach und den vier
Königen Spolta, Sakeph Katon etc. bin ich weiter mit kei¬
nen umgegangen; und das nur als Primaner, weil wir
Juristen mit Teufels Gewalt hebräisch lernen musten; wor¬
in eben die gedachten sechs Potentaten als Accente der
Wörter vorkommen. Vielleicht meint aber der Briefstel¬
ler die großen, scharfen, gekrönten Accente der Völker.

ligte ein, daß ich ihm ſein Felleiſen abſtreifte wie
den Alpenhunden ihren Portativ-Konvikttiſch. Ich
zog aus dem Kuͤrbis, der in Marketenderzelten oft
mit Spiritus gefuͤllet worden, etwas heraus, was
mich noch beſſer berauſchte — einen Buͤndel Briefe.
Gelehrte, Verliebte, Muͤſſige und Maͤdgen ſind un¬
baͤndig auf Briefe erpicht; Geſchaͤftsleute gar nicht.

Das ganze Volumen — Name und Hand waren
mir fremd — drehte ſich um den Inhalt, ich waͤre
ein beruͤhmter Mann und haͤtte mit Kaiſern und
Koͤnigen Verkehr *) und Berghauptmaͤnner meines
Schlages gaͤb' es wohl wenig u. ſ. w. Aber genug!
Denn ich muͤſte nicht eine Unze Beſcheidenheit mehr
in mir tragen, wenn ich mit der Unverſchaͤmtheit,
die einige wirklich haben, ſo fort exzerpiren und es
aus den Briefen extrahiren wollte, daß ich der ſchee¬
rauiſche Gibbon und Moͤſer waͤre (zwar im biogra¬
phiſchen Fache nur, aber welche Schmeichelei!) —
daß jeder, der ein Leben beſaͤße, und es von mir
biographiſch abgeſchattet ſehen wollte, damit fort¬
machen ſollte, ehe ich von irgend einem koͤniglichen

*) Außer den zwei Kaiſern Gilluk und Athnach und den vier
Koͤnigen Spolta, Sakeph Katon ꝛc. bin ich weiter mit kei¬
nen umgegangen; und das nur als Primaner, weil wir
Juriſten mit Teufels Gewalt hebraͤiſch lernen muſten; wor¬
in eben die gedachten ſechs Potentaten als Accente der
Woͤrter vorkommen. Vielleicht meint aber der Briefſtel¬
ler die großen, ſcharfen, gekroͤnten Accente der Voͤlker.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0048" n="37"/>
ligte ein, daß ich ihm &#x017F;ein Fellei&#x017F;en ab&#x017F;treifte wie<lb/>
den Alpenhunden ihren Portativ-Konviktti&#x017F;ch. Ich<lb/>
zog aus dem Ku&#x0364;rbis, der in Marketenderzelten oft<lb/>
mit Spiritus gefu&#x0364;llet worden, etwas heraus, was<lb/>
mich noch be&#x017F;&#x017F;er berau&#x017F;chte &#x2014; einen Bu&#x0364;ndel Briefe.<lb/>
Gelehrte, Verliebte, Mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;ige und Ma&#x0364;dgen &#x017F;ind un¬<lb/>
ba&#x0364;ndig auf Briefe erpicht; Ge&#x017F;cha&#x0364;ftsleute gar nicht.</p><lb/>
        <p>Das ganze Volumen &#x2014; Name und Hand waren<lb/>
mir fremd &#x2014; drehte &#x017F;ich um den Inhalt, ich wa&#x0364;re<lb/>
ein beru&#x0364;hmter Mann und ha&#x0364;tte mit Kai&#x017F;ern und<lb/>
Ko&#x0364;nigen Verkehr <note place="foot" n="*)"><lb/>
Außer den zwei Kai&#x017F;ern Gilluk und Athnach und den vier<lb/>
Ko&#x0364;nigen Spolta, Sakeph Katon &#xA75B;c. bin ich weiter mit kei¬<lb/>
nen umgegangen; und das nur als Primaner, weil wir<lb/>
Juri&#x017F;ten mit Teufels Gewalt hebra&#x0364;i&#x017F;ch lernen mu&#x017F;ten; wor¬<lb/>
in eben die gedachten &#x017F;echs Potentaten als Accente der<lb/>
Wo&#x0364;rter vorkommen. Vielleicht meint aber der Brief&#x017F;tel¬<lb/>
ler die großen, &#x017F;charfen, gekro&#x0364;nten Accente der Vo&#x0364;lker.</note> und Berghauptma&#x0364;nner meines<lb/>
Schlages ga&#x0364;b' es wohl wenig u. &#x017F;. w. Aber genug!<lb/>
Denn ich mu&#x0364;&#x017F;te nicht eine Unze Be&#x017F;cheidenheit mehr<lb/>
in mir tragen, wenn ich mit der Unver&#x017F;cha&#x0364;mtheit,<lb/>
die einige wirklich haben, &#x017F;o fort exzerpiren und es<lb/>
aus den Briefen extrahiren wollte, daß ich der &#x017F;chee¬<lb/>
raui&#x017F;che Gibbon und Mo&#x0364;&#x017F;er wa&#x0364;re (zwar im biogra¬<lb/>
phi&#x017F;chen Fache nur, aber welche Schmeichelei!) &#x2014;<lb/>
daß jeder, der ein Leben be&#x017F;a&#x0364;ße, und es von mir<lb/>
biographi&#x017F;ch abge&#x017F;chattet &#x017F;ehen wollte, damit fort¬<lb/>
machen &#x017F;ollte, ehe ich von irgend einem ko&#x0364;niglichen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0048] ligte ein, daß ich ihm ſein Felleiſen abſtreifte wie den Alpenhunden ihren Portativ-Konvikttiſch. Ich zog aus dem Kuͤrbis, der in Marketenderzelten oft mit Spiritus gefuͤllet worden, etwas heraus, was mich noch beſſer berauſchte — einen Buͤndel Briefe. Gelehrte, Verliebte, Muͤſſige und Maͤdgen ſind un¬ baͤndig auf Briefe erpicht; Geſchaͤftsleute gar nicht. Das ganze Volumen — Name und Hand waren mir fremd — drehte ſich um den Inhalt, ich waͤre ein beruͤhmter Mann und haͤtte mit Kaiſern und Koͤnigen Verkehr *) und Berghauptmaͤnner meines Schlages gaͤb' es wohl wenig u. ſ. w. Aber genug! Denn ich muͤſte nicht eine Unze Beſcheidenheit mehr in mir tragen, wenn ich mit der Unverſchaͤmtheit, die einige wirklich haben, ſo fort exzerpiren und es aus den Briefen extrahiren wollte, daß ich der ſchee¬ rauiſche Gibbon und Moͤſer waͤre (zwar im biogra¬ phiſchen Fache nur, aber welche Schmeichelei!) — daß jeder, der ein Leben beſaͤße, und es von mir biographiſch abgeſchattet ſehen wollte, damit fort¬ machen ſollte, ehe ich von irgend einem koͤniglichen *) Außer den zwei Kaiſern Gilluk und Athnach und den vier Koͤnigen Spolta, Sakeph Katon ꝛc. bin ich weiter mit kei¬ nen umgegangen; und das nur als Primaner, weil wir Juriſten mit Teufels Gewalt hebraͤiſch lernen muſten; wor¬ in eben die gedachten ſechs Potentaten als Accente der Woͤrter vorkommen. Vielleicht meint aber der Briefſtel¬ ler die großen, ſcharfen, gekroͤnten Accente der Voͤlker.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/48
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/48>, abgerufen am 15.10.2024.