Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

Hause zum Historiographen weggepresset würde und
gar nicht mehr zu haben wäre -- daß es mir gleich¬
wohl wie andern Berghauptleuten ergehen könnte,
vor denen das zerstreuete Publikum oft nicht eher
den Hut abgenommen als bis sie schon in eine an¬
dere Gasse d. h. Welt hinein gewesen u. s. w. Wer
besorgt letzteres mehr als ich selber? Aber auch diese
Besorgnis bringt einen bescheidnen Mann nicht da¬
zu, daß er hinabkriecht und den Soufleur seiner Pa¬
negyristen macht; wie ich doch gethan haben würde,
wenn ich fort extrahiret hätte. Meinem Gefühle
sind sogar die Autores verhast, die mit dem End¬
triller: "Bescheidenheit verbiete ihnen mehr zu sa¬
"gen" unverschämt erst dann nachkommen, wenn sie
alles schon gesagt haben, was jene verbieten kann.

Jetzt wagt sich bei Korrespondent mit seiner Ab¬
sicht hervor, mich zum Biographen einer anonymi¬
schen Familiengeschichte zu machen. Er bittet, er
intriguiret, trotzt. "Er könne -- (schreibt er
"weitläuftiger, aber ich abbrevire alles und trag'
"überhaupt diesen epistolarischen Extrakt mit ausser¬
"ordentlich wenig Verstand vor; denn ich werde seit
"einer halben Stunde von einer verdammten Rat¬
"ten Bestie ungemein ärgerlich gekratzt und genagt)
"-- mir alles gerichtlich dürfe mir
"aber keine andere Namen der Personagen in dieser
"Historie melden als verfälschte, weil mir nicht ganz

Hauſe zum Hiſtoriographen weggepreſſet wuͤrde und
gar nicht mehr zu haben waͤre — daß es mir gleich¬
wohl wie andern Berghauptleuten ergehen koͤnnte,
vor denen das zerſtreuete Publikum oft nicht eher
den Hut abgenommen als bis ſie ſchon in eine an¬
dere Gaſſe d. h. Welt hinein geweſen u. ſ. w. Wer
beſorgt letzteres mehr als ich ſelber? Aber auch dieſe
Beſorgnis bringt einen beſcheidnen Mann nicht da¬
zu, daß er hinabkriecht und den Soufleur ſeiner Pa¬
negyriſten macht; wie ich doch gethan haben wuͤrde,
wenn ich fort extrahiret haͤtte. Meinem Gefuͤhle
ſind ſogar die Autores verhaſt, die mit dem End¬
triller: »Beſcheidenheit verbiete ihnen mehr zu ſa¬
»gen« unverſchaͤmt erſt dann nachkommen, wenn ſie
alles ſchon geſagt haben, was jene verbieten kann.

Jetzt wagt ſich bei Korreſpondent mit ſeiner Ab¬
ſicht hervor, mich zum Biographen einer anonymi¬
ſchen Familiengeſchichte zu machen. Er bittet, er
intriguiret, trotzt. »Er koͤnne — (ſchreibt er
»weitlaͤuftiger, aber ich abbrevire alles und trag'
»uͤberhaupt dieſen epiſtolariſchen Extrakt mit auſſer¬
»ordentlich wenig Verſtand vor; denn ich werde ſeit
»einer halben Stunde von einer verdammten Rat¬
»ten Beſtie ungemein aͤrgerlich gekratzt und genagt)
»— mir alles gerichtlich duͤrfe mir
»aber keine andere Namen der Perſonagen in dieſer
»Hiſtorie melden als verfaͤlſchte, weil mir nicht ganz

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0049" n="38"/>
Hau&#x017F;e zum Hi&#x017F;toriographen weggepre&#x017F;&#x017F;et wu&#x0364;rde und<lb/>
gar nicht mehr zu haben wa&#x0364;re &#x2014; daß es mir gleich¬<lb/>
wohl wie andern Berghauptleuten ergehen ko&#x0364;nnte,<lb/>
vor denen das zer&#x017F;treuete Publikum oft nicht eher<lb/>
den Hut abgenommen als bis &#x017F;ie &#x017F;chon in eine an¬<lb/>
dere Ga&#x017F;&#x017F;e d. h. Welt hinein gewe&#x017F;en u. &#x017F;. w. Wer<lb/>
be&#x017F;orgt letzteres mehr als ich &#x017F;elber? Aber auch die&#x017F;e<lb/>
Be&#x017F;orgnis bringt einen be&#x017F;cheidnen Mann nicht da¬<lb/>
zu, daß er hinabkriecht und den Soufleur &#x017F;einer Pa¬<lb/>
negyri&#x017F;ten macht; wie ich doch gethan haben wu&#x0364;rde,<lb/>
wenn ich fort extrahiret ha&#x0364;tte. Meinem Gefu&#x0364;hle<lb/>
&#x017F;ind &#x017F;ogar <hi rendition="#g">die</hi> Autores verha&#x017F;t, die mit dem End¬<lb/>
triller: »Be&#x017F;cheidenheit verbiete ihnen mehr zu &#x017F;<lb/>
»gen« unver&#x017F;cha&#x0364;mt er&#x017F;t dann nachkommen, wenn &#x017F;ie<lb/>
alles &#x017F;chon ge&#x017F;agt haben, was jene verbieten kann.</p><lb/>
        <p>Jetzt wagt &#x017F;ich bei Korre&#x017F;pondent mit &#x017F;einer Ab¬<lb/>
&#x017F;icht hervor, mich zum Biographen einer anonymi¬<lb/>
&#x017F;chen Familienge&#x017F;chichte zu machen. Er bittet, er<lb/>
intriguiret, trotzt. »Er ko&#x0364;nne &#x2014; (&#x017F;chreibt er<lb/>
»weitla&#x0364;uftiger, aber ich abbrevire alles und trag'<lb/>
»u&#x0364;berhaupt die&#x017F;en epi&#x017F;tolari&#x017F;chen Extrakt mit au&#x017F;&#x017F;er¬<lb/>
»ordentlich wenig Ver&#x017F;tand vor; denn ich werde &#x017F;eit<lb/>
»einer halben Stunde von einer verdammten Rat¬<lb/>
»ten Be&#x017F;tie ungemein a&#x0364;rgerlich gekratzt und genagt)<lb/>
»&#x2014; mir alles gerichtlich du&#x0364;rfe mir<lb/>
»aber keine andere Namen der Per&#x017F;onagen in die&#x017F;er<lb/>
»Hi&#x017F;torie melden als verfa&#x0364;l&#x017F;chte, weil mir nicht ganz<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[38/0049] Hauſe zum Hiſtoriographen weggepreſſet wuͤrde und gar nicht mehr zu haben waͤre — daß es mir gleich¬ wohl wie andern Berghauptleuten ergehen koͤnnte, vor denen das zerſtreuete Publikum oft nicht eher den Hut abgenommen als bis ſie ſchon in eine an¬ dere Gaſſe d. h. Welt hinein geweſen u. ſ. w. Wer beſorgt letzteres mehr als ich ſelber? Aber auch dieſe Beſorgnis bringt einen beſcheidnen Mann nicht da¬ zu, daß er hinabkriecht und den Soufleur ſeiner Pa¬ negyriſten macht; wie ich doch gethan haben wuͤrde, wenn ich fort extrahiret haͤtte. Meinem Gefuͤhle ſind ſogar die Autores verhaſt, die mit dem End¬ triller: »Beſcheidenheit verbiete ihnen mehr zu ſa¬ »gen« unverſchaͤmt erſt dann nachkommen, wenn ſie alles ſchon geſagt haben, was jene verbieten kann. Jetzt wagt ſich bei Korreſpondent mit ſeiner Ab¬ ſicht hervor, mich zum Biographen einer anonymi¬ ſchen Familiengeſchichte zu machen. Er bittet, er intriguiret, trotzt. »Er koͤnne — (ſchreibt er »weitlaͤuftiger, aber ich abbrevire alles und trag' »uͤberhaupt dieſen epiſtolariſchen Extrakt mit auſſer¬ »ordentlich wenig Verſtand vor; denn ich werde ſeit »einer halben Stunde von einer verdammten Rat¬ »ten Beſtie ungemein aͤrgerlich gekratzt und genagt) »— mir alles gerichtlich duͤrfe mir »aber keine andere Namen der Perſonagen in dieſer »Hiſtorie melden als verfaͤlſchte, weil mir nicht ganz

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/49
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/49>, abgerufen am 27.04.2024.