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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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Lord war auch einmal blind und vermehret also die
Beispiele der von Vater auf Sohn forterbenden
Blindheit durch seines --; aber auch ohne die
Blindheit konnt' er wegen seiner uneigennützigen De¬
likatesse unmöglich seinen Sohn die Vortheile der
fürstlichen Gunst erbeuten lassen, indeß er die eignen
Söhne Jenners von ihnen entfernte. --

Du guter Mann ohne Hoffnung! wenn ich jetzt
deine dichterische Erziehung des Blinden mit deinen
kalten Grundsätze vergleiche, wenn ich berechne, wie
du -- abgestorben den lyrischen Freuden -- verhär¬
tet für die Thränen des Enthusiasmus -- gleichwol
die mit Augenliedern verhangne dunkle Seele deines
Julius von seinem Lehrer füllen lässest mit dichteri¬
schen Blumenstücken -- mit Thauwolken der Rüh¬
rung -- und mit dem Nebelstern des zweiten Le¬
bens: so vermehret es eben so sehr meine Schmer¬
zen als meine Hochachtung, daß du nichts auf der
Erde findest, was du an dein ausgehungertes Herz
drücken kannst, und daß du dein auf leeren Thrä¬
nendrüsen verwelktes Auge kalt aufhebst gegen den
Himmel und auch da nichts siehest als ein wüstes
ödes Blau! --

Diese schmerzliche Betrachtung machte Viktor
noch früher als ich. -- Aber zur Geschichte! Die
vergangne zog tausend Stacheln durch sein Herz.
Wir kennen jetzt unsern sonst frohen Sebastian nicht

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Lord war auch einmal blind und vermehret alſo die
Beiſpiele der von Vater auf Sohn forterbenden
Blindheit durch ſeines —; aber auch ohne die
Blindheit konnt' er wegen ſeiner uneigennuͤtzigen De¬
likateſſe unmoͤglich ſeinen Sohn die Vortheile der
fuͤrſtlichen Gunſt erbeuten laſſen, indeß er die eignen
Soͤhne Jenners von ihnen entfernte. —

Du guter Mann ohne Hoffnung! wenn ich jetzt
deine dichteriſche Erziehung des Blinden mit deinen
kalten Grundſaͤtze vergleiche, wenn ich berechne, wie
du — abgeſtorben den lyriſchen Freuden — verhaͤr¬
tet fuͤr die Thraͤnen des Enthuſiasmus — gleichwol
die mit Augenliedern verhangne dunkle Seele deines
Julius von ſeinem Lehrer fuͤllen laͤſſeſt mit dichteri¬
ſchen Blumenſtuͤcken — mit Thauwolken der Ruͤh¬
rung — und mit dem Nebelſtern des zweiten Le¬
bens: ſo vermehret es eben ſo ſehr meine Schmer¬
zen als meine Hochachtung, daß du nichts auf der
Erde findeſt, was du an dein ausgehungertes Herz
druͤcken kannſt, und daß du dein auf leeren Thraͤ¬
nendruͤſen verwelktes Auge kalt aufhebſt gegen den
Himmel und auch da nichts ſieheſt als ein wuͤſtes
oͤdes Blau! —

Dieſe ſchmerzliche Betrachtung machte Viktor
noch fruͤher als ich. — Aber zur Geſchichte! Die
vergangne zog tauſend Stacheln durch ſein Herz.
Wir kennen jetzt unſern ſonſt frohen Sebaſtian nicht

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[304/0314] Lord war auch einmal blind und vermehret alſo die Beiſpiele der von Vater auf Sohn forterbenden Blindheit durch ſeines —; aber auch ohne die Blindheit konnt' er wegen ſeiner uneigennuͤtzigen De¬ likateſſe unmoͤglich ſeinen Sohn die Vortheile der fuͤrſtlichen Gunſt erbeuten laſſen, indeß er die eignen Soͤhne Jenners von ihnen entfernte. — Du guter Mann ohne Hoffnung! wenn ich jetzt deine dichteriſche Erziehung des Blinden mit deinen kalten Grundſaͤtze vergleiche, wenn ich berechne, wie du — abgeſtorben den lyriſchen Freuden — verhaͤr¬ tet fuͤr die Thraͤnen des Enthuſiasmus — gleichwol die mit Augenliedern verhangne dunkle Seele deines Julius von ſeinem Lehrer fuͤllen laͤſſeſt mit dichteri¬ ſchen Blumenſtuͤcken — mit Thauwolken der Ruͤh¬ rung — und mit dem Nebelſtern des zweiten Le¬ bens: ſo vermehret es eben ſo ſehr meine Schmer¬ zen als meine Hochachtung, daß du nichts auf der Erde findeſt, was du an dein ausgehungertes Herz druͤcken kannſt, und daß du dein auf leeren Thraͤ¬ nendruͤſen verwelktes Auge kalt aufhebſt gegen den Himmel und auch da nichts ſieheſt als ein wuͤſtes oͤdes Blau! — Dieſe ſchmerzliche Betrachtung machte Viktor noch fruͤher als ich. — Aber zur Geſchichte! Die vergangne zog tauſend Stacheln durch ſein Herz. Wir kennen jetzt unſern ſonſt frohen Sebaſtian nicht mehr

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/314>, abgerufen am 27.04.2024.