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Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

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rein herunter ist und wo die Seele im Meere des
Seins endlich schwimmen gelernt hat, ohne von
ihrem Schwimmkleid nur so viel als man zum
Bouchieren einer Bouteille bedarf, noch um sich
zu haben. Nachher wird man beerdigt. So wenig¬
stens trägt man in geheimen Gesellschaften von
Ton die menschliche Entkörperung vor.

Diese zerbrochne Gesellschaft deckte unsern und
jeden Hof so schön wie zerbrochne Porzellan-Ge¬
fäße holländische Beete; zweitens hatte sie die
höflichste Art von der Welt, grob zu seyn. Wäre
unter diesen Leuten ein gewisses je ne sais quoi
nicht der Unterschied zwischen Laune und Grobheit,
zwischen Feinheit und Beleidigung: so fehlte er.

Ich sagte oben, es war Zeit daß unser Paar
ankam, des H. v. Oefels wegen. Denn das Ge¬
burtsfest der Residentin rückte heran, gleichwohl
hatte noch kein Mensch eine Seite von seiner Rol¬
le memoriert. Die Leser haben noch eben so wenig
vom Geburtstags-Drama im Kopfe als die Spie¬
ler; Daher soll ihnen hier ein dünner Absud die¬
ser Oefelschen Pflanze vorgesetzt werden.


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rein herunter iſt und wo die Seele im Meere des
Seins endlich ſchwimmen gelernt hat, ohne von
ihrem Schwimmkleid nur ſo viel als man zum
Bouchieren einer Bouteille bedarf, noch um ſich
zu haben. Nachher wird man beerdigt. So wenig¬
ſtens traͤgt man in geheimen Geſellſchaften von
Ton die menſchliche Entkoͤrperung vor.

Dieſe zerbrochne Geſellſchaft deckte unſern und
jeden Hof ſo ſchoͤn wie zerbrochne Porzellan-Ge¬
faͤße hollaͤndiſche Beete; zweitens hatte ſie die
hoͤflichſte Art von der Welt, grob zu ſeyn. Waͤre
unter dieſen Leuten ein gewiſſes je ne ſais quoi
nicht der Unterſchied zwiſchen Laune und Grobheit,
zwiſchen Feinheit und Beleidigung: ſo fehlte er.

Ich ſagte oben, es war Zeit daß unſer Paar
ankam, des H. v. Oefels wegen. Denn das Ge¬
burtsfeſt der Reſidentin ruͤckte heran, gleichwohl
hatte noch kein Menſch eine Seite von ſeiner Rol¬
le memoriert. Die Leſer haben noch eben ſo wenig
vom Geburtstags-Drama im Kopfe als die Spie¬
ler; Daher ſoll ihnen hier ein duͤnner Abſud die¬
ſer Oefelſchen Pflanze vorgeſetzt werden.


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[179/0189] rein herunter iſt und wo die Seele im Meere des Seins endlich ſchwimmen gelernt hat, ohne von ihrem Schwimmkleid nur ſo viel als man zum Bouchieren einer Bouteille bedarf, noch um ſich zu haben. Nachher wird man beerdigt. So wenig¬ ſtens traͤgt man in geheimen Geſellſchaften von Ton die menſchliche Entkoͤrperung vor. Dieſe zerbrochne Geſellſchaft deckte unſern und jeden Hof ſo ſchoͤn wie zerbrochne Porzellan-Ge¬ faͤße hollaͤndiſche Beete; zweitens hatte ſie die hoͤflichſte Art von der Welt, grob zu ſeyn. Waͤre unter dieſen Leuten ein gewiſſes je ne ſais quoi nicht der Unterſchied zwiſchen Laune und Grobheit, zwiſchen Feinheit und Beleidigung: ſo fehlte er. Ich ſagte oben, es war Zeit daß unſer Paar ankam, des H. v. Oefels wegen. Denn das Ge¬ burtsfeſt der Reſidentin ruͤckte heran, gleichwohl hatte noch kein Menſch eine Seite von ſeiner Rol¬ le memoriert. Die Leſer haben noch eben ſo wenig vom Geburtstags-Drama im Kopfe als die Spie¬ ler; Daher ſoll ihnen hier ein duͤnner Abſud die¬ ſer Oefelſchen Pflanze vorgeſetzt werden. M 1

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Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/189>, abgerufen am 26.04.2024.