Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich meine das: ein gewisses stilles wellen-glattes
Zufriedenseyn -- nicht verdient durch Tugend,
nicht erkämpft durch Nachdenken -- wird uns zu¬
weilen von dem Tage, von der Stunde gereicht,
wo alle die jämmerlichen Kleinigkeiten und Fran¬
zen, woraus unser eben so kleinliches als kleines
Leben zusammengenäht ist, mit unsern Pulsen ak¬
kordiren, und unserem Blute nicht entgegen flies¬
sen -- z. B. wo (wie heute geschah) der Himmel
unbewölkt, der Wind im Schlaf, der Fährmann,
der nach Teidor bringt, bei der Hand, der
Herr des Landhauses, D. Fenk, schon vor einer
Stunde gegenwärtig, das Wasser eben, das Boot
trocken, der Anlandungs-Hafen tief und alles
recht ist . . . Wahrhaftig wir sind alle auf einen
so närrischen Fuß gesetzt, daß es zu den Men¬
schenfreuden
, worüber der Zerbster Konsisto¬
rialrath Sintenis zwei Bändchen abgefasset, mit
gerechnet werden kann -- in Deutschland, aber
in Italien und Pohlen weit weniger, -- zuwei¬
len einen oder den andern Floh zu greifen . . . . .
Will man also einen solchen paradiesischen Tag er¬
leben: so muß nicht einmal eine Kleinigkeit, über die
man in stoisch-energischen Stunden wegschreitet,

Ich meine das: ein gewiſſes ſtilles wellen-glattes
Zufriedenſeyn — nicht verdient durch Tugend,
nicht erkaͤmpft durch Nachdenken — wird uns zu¬
weilen von dem Tage, von der Stunde gereicht,
wo alle die jaͤmmerlichen Kleinigkeiten und Fran¬
zen, woraus unſer eben ſo kleinliches als kleines
Leben zuſammengenaͤht iſt, mit unſern Pulſen ak¬
kordiren, und unſerem Blute nicht entgegen flieſ¬
ſen — z. B. wo (wie heute geſchah) der Himmel
unbewoͤlkt, der Wind im Schlaf, der Faͤhrmann,
der nach Teidor bringt, bei der Hand, der
Herr des Landhauſes, D. Fenk, ſchon vor einer
Stunde gegenwaͤrtig, das Waſſer eben, das Boot
trocken, der Anlandungs-Hafen tief und alles
recht iſt . . . Wahrhaftig wir ſind alle auf einen
ſo naͤrriſchen Fuß geſetzt, daß es zu den Men¬
ſchenfreuden
, woruͤber der Zerbſter Konſiſto¬
rialrath Sintenis zwei Baͤndchen abgefaſſet, mit
gerechnet werden kann — in Deutſchland, aber
in Italien und Pohlen weit weniger, — zuwei¬
len einen oder den andern Floh zu greifen . . . . .
Will man alſo einen ſolchen paradieſiſchen Tag er¬
leben: ſo muß nicht einmal eine Kleinigkeit, uͤber die
man in ſtoiſch-energiſchen Stunden wegſchreitet,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0340" n="330"/>
Ich meine das: ein gewi&#x017F;&#x017F;es &#x017F;tilles wellen-glattes<lb/>
Zufrieden&#x017F;eyn &#x2014; nicht verdient durch Tugend,<lb/>
nicht erka&#x0364;mpft durch Nachdenken &#x2014; wird uns zu¬<lb/>
weilen von dem Tage, von der Stunde gereicht,<lb/>
wo alle die ja&#x0364;mmerlichen Kleinigkeiten und Fran¬<lb/>
zen, woraus un&#x017F;er eben &#x017F;o kleinliches als kleines<lb/>
Leben zu&#x017F;ammengena&#x0364;ht i&#x017F;t, mit un&#x017F;ern Pul&#x017F;en ak¬<lb/>
kordiren, und un&#x017F;erem Blute nicht entgegen flie&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en &#x2014; z. B. wo (wie heute ge&#x017F;chah) der Himmel<lb/>
unbewo&#x0364;lkt, der Wind im Schlaf, der Fa&#x0364;hrmann,<lb/>
der nach <hi rendition="#g">Teidor</hi> bringt, bei der Hand, der<lb/>
Herr des Landhau&#x017F;es, D. Fenk, &#x017F;chon vor einer<lb/>
Stunde gegenwa&#x0364;rtig, das Wa&#x017F;&#x017F;er eben, das Boot<lb/>
trocken, der Anlandungs-Hafen tief und alles<lb/>
recht i&#x017F;t . . . Wahrhaftig wir &#x017F;ind alle auf einen<lb/>
&#x017F;o na&#x0364;rri&#x017F;chen Fuß ge&#x017F;etzt, daß es zu den <hi rendition="#g">Men¬<lb/>
&#x017F;chenfreuden</hi>, woru&#x0364;ber der Zerb&#x017F;ter Kon&#x017F;i&#x017F;to¬<lb/>
rialrath <hi rendition="#g">Sintenis</hi> zwei Ba&#x0364;ndchen abgefa&#x017F;&#x017F;et, mit<lb/>
gerechnet werden kann &#x2014; in Deut&#x017F;chland, aber<lb/>
in Italien und Pohlen weit weniger, &#x2014; zuwei¬<lb/>
len einen oder den andern Floh zu greifen . . . . .<lb/>
Will man al&#x017F;o einen &#x017F;olchen paradie&#x017F;i&#x017F;chen Tag er¬<lb/>
leben: &#x017F;o muß nicht einmal eine Kleinigkeit, u&#x0364;ber die<lb/>
man in &#x017F;toi&#x017F;ch-energi&#x017F;chen Stunden weg&#x017F;chreitet,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[330/0340] Ich meine das: ein gewiſſes ſtilles wellen-glattes Zufriedenſeyn — nicht verdient durch Tugend, nicht erkaͤmpft durch Nachdenken — wird uns zu¬ weilen von dem Tage, von der Stunde gereicht, wo alle die jaͤmmerlichen Kleinigkeiten und Fran¬ zen, woraus unſer eben ſo kleinliches als kleines Leben zuſammengenaͤht iſt, mit unſern Pulſen ak¬ kordiren, und unſerem Blute nicht entgegen flieſ¬ ſen — z. B. wo (wie heute geſchah) der Himmel unbewoͤlkt, der Wind im Schlaf, der Faͤhrmann, der nach Teidor bringt, bei der Hand, der Herr des Landhauſes, D. Fenk, ſchon vor einer Stunde gegenwaͤrtig, das Waſſer eben, das Boot trocken, der Anlandungs-Hafen tief und alles recht iſt . . . Wahrhaftig wir ſind alle auf einen ſo naͤrriſchen Fuß geſetzt, daß es zu den Men¬ ſchenfreuden, woruͤber der Zerbſter Konſiſto¬ rialrath Sintenis zwei Baͤndchen abgefaſſet, mit gerechnet werden kann — in Deutſchland, aber in Italien und Pohlen weit weniger, — zuwei¬ len einen oder den andern Floh zu greifen . . . . . Will man alſo einen ſolchen paradieſiſchen Tag er¬ leben: ſo muß nicht einmal eine Kleinigkeit, uͤber die man in ſtoiſch-energiſchen Stunden wegſchreitet,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/340
Zitationshilfe: Jean Paul: Die unsichtbare Loge. Bd. 2. Berlin, 1793, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_loge02_1793/340>, abgerufen am 13.05.2024.