abgelöseten reinen Gegenwart glücklich zu seyn, weil sein innerer Himmel wie der physische im¬ mer gerade und nahe über ihm finster-blau aus¬ sieht, und erst um den fernen Horizont herum glänzend -- oder daß es ein so zartes über¬ irrdisches Glück giebt, was wie der Mondschein von jeder Wolke zu dunkel wird, indeß rohes wie das Tageslicht die breiteste verträgt -- oder daß Albano zu sehr den Männern glich, die immer in der Freude ihre Kräfte so stark fühlen, daß sie lieber den Göttertisch umstoßen als ein Gericht und Himmelsbrod weniger darauf sehen wollen, lieber ganz unglücklich seyn als nicht ganz glücklich; -- genug er konnte und wollte der Furcht und dem Verhül¬ len Nichts mehr schuldig seyn.
Daher als Liane ihn statt zu beantworten nur umarmte und schwieg, weil sie den ganzen Tag ihrem Versprechen treu bleiben wollte, die Festtapeten schöner Tage mit keinem Trauer¬ tuche auszuschlagen : so sagte er, wie von einem fremden Geiste fortgestoßen, geradezu: "Du be¬ "antwortest Nichts? -- Nur Freuden, nicht Lei¬ "den, soll ich theilen? -- Du hast Deinen
abgelöſeten reinen Gegenwart glücklich zu ſeyn, weil ſein innerer Himmel wie der phyſiſche im¬ mer gerade und nahe über ihm finſter-blau aus¬ ſieht, und erſt um den fernen Horizont herum glänzend — oder daß es ein ſo zartes über¬ irrdiſches Glück giebt, was wie der Mondſchein von jeder Wolke zu dunkel wird, indeß rohes wie das Tageslicht die breiteſte verträgt — oder daß Albano zu ſehr den Männern glich, die immer in der Freude ihre Kräfte ſo ſtark fühlen, daß ſie lieber den Göttertiſch umſtoßen als ein Gericht und Himmelsbrod weniger darauf ſehen wollen, lieber ganz unglücklich ſeyn als nicht ganz glücklich; — genug er konnte und wollte der Furcht und dem Verhül¬ len Nichts mehr ſchuldig ſeyn.
Daher als Liane ihn ſtatt zu beantworten nur umarmte und ſchwieg, weil ſie den ganzen Tag ihrem Verſprechen treu bleiben wollte, die Feſttapeten ſchöner Tage mit keinem Trauer¬ tuche auszuſchlagen : ſo ſagte er, wie von einem fremden Geiſte fortgeſtoßen, geradezu: „Du be¬ „antworteſt Nichts? — Nur Freuden, nicht Lei¬ „den, ſoll ich theilen? — Du haſt Deinen
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abgelöſeten reinen Gegenwart glücklich zu ſeyn,
weil ſein innerer Himmel wie der phyſiſche im¬
mer gerade und nahe über ihm finſter-blau aus¬
ſieht, und erſt um den fernen Horizont herum
glänzend — oder daß es ein ſo zartes über¬
irrdiſches Glück giebt, was wie der Mondſchein
von jeder Wolke zu dunkel wird, indeß rohes
wie das Tageslicht die breiteſte verträgt —
oder daß Albano zu ſehr den Männern glich,
die immer in der Freude ihre Kräfte ſo ſtark
fühlen, daß ſie lieber den Göttertiſch umſtoßen
als ein Gericht und Himmelsbrod weniger
darauf ſehen wollen, lieber ganz unglücklich
ſeyn als nicht ganz glücklich; — genug er
konnte und wollte der Furcht und dem Verhül¬
len Nichts mehr ſchuldig ſeyn.
Daher als Liane ihn ſtatt zu beantworten
nur umarmte und ſchwieg, weil ſie den ganzen
Tag ihrem Verſprechen treu bleiben wollte, die
Feſttapeten ſchöner Tage mit keinem Trauer¬
tuche auszuſchlagen : ſo ſagte er, wie von einem
fremden Geiſte fortgeſtoßen, geradezu: „Du be¬
„antworteſt Nichts? — Nur Freuden, nicht Lei¬
„den, ſoll ich theilen? — Du haſt Deinen
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Jean Paul: Titan. Bd. 3. Berlin, 1802, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan03_1802/90>, abgerufen am 28.04.2024.
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