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Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

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sich habe -- und daß wir müßten unsere hei¬
ligsten Wünsche wie Sonnenblumen ohne Gram
verwelken sehen können, weil doch die hohe
Sonne fortstrahle, die ewig neue ziehe und pfle¬
ge -- und daß ein Mensch sich nicht sowohl
auf die Ewigkeit zubereiten als die Ewigkeit in
sich pflanzen müsse, welche still sey, rein, licht,
tief und alles.

Für manche Menschen-Brust in der Kir¬
che wurde durch die Rede der Vergangenheit
die Giftspitze abgebrochen. Auf Albano's stei¬
gendes Meer halte sie glattes Öhl gegossen
und um sein Leben wurd' es eben und glän¬
zend. Juliennens Augen waren trocken und
voll heitern Lichtes geworden; und Idoinens
ihre hatten sich schimmernd gefüllet, weil heute
ihr Herz zu oft in Bewegung gekommen war,
um nicht in der süßen, andächtigen und erhe¬
benden zu weinen. Einmal war Albano, da
er zu ihr blickte, als glänze sie überirdisch und,
wie auf eine Luna die Sonne unter der Erde,
strahle Liane aus der andern Welt auf ihr An¬
gesicht und schmücke das Ebenbild mit einer
Heiligkeit jenseits der Erde.

ſich habe — und daß wir müßten unſere hei¬
ligſten Wünſche wie Sonnenblumen ohne Gram
verwelken ſehen können, weil doch die hohe
Sonne fortſtrahle, die ewig neue ziehe und pfle¬
ge — und daß ein Menſch ſich nicht ſowohl
auf die Ewigkeit zubereiten als die Ewigkeit in
ſich pflanzen müſſe, welche ſtill ſey, rein, licht,
tief und alles.

Für manche Menſchen-Bruſt in der Kir¬
che wurde durch die Rede der Vergangenheit
die Giftſpitze abgebrochen. Auf Albano's ſtei¬
gendes Meer halte ſie glattes Öhl gegoſſen
und um ſein Leben wurd' es eben und glän¬
zend. Juliennens Augen waren trocken und
voll heitern Lichtes geworden; und Idoinens
ihre hatten ſich ſchimmernd gefüllet, weil heute
ihr Herz zu oft in Bewegung gekommen war,
um nicht in der ſüßen, andächtigen und erhe¬
benden zu weinen. Einmal war Albano, da
er zu ihr blickte, als glänze ſie überirdiſch und,
wie auf eine Luna die Sonne unter der Erde,
ſtrahle Liane aus der andern Welt auf ihr An¬
geſicht und ſchmücke das Ebenbild mit einer
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[566/0578] ſich habe — und daß wir müßten unſere hei¬ ligſten Wünſche wie Sonnenblumen ohne Gram verwelken ſehen können, weil doch die hohe Sonne fortſtrahle, die ewig neue ziehe und pfle¬ ge — und daß ein Menſch ſich nicht ſowohl auf die Ewigkeit zubereiten als die Ewigkeit in ſich pflanzen müſſe, welche ſtill ſey, rein, licht, tief und alles. Für manche Menſchen-Bruſt in der Kir¬ che wurde durch die Rede der Vergangenheit die Giftſpitze abgebrochen. Auf Albano's ſtei¬ gendes Meer halte ſie glattes Öhl gegoſſen und um ſein Leben wurd' es eben und glän¬ zend. Juliennens Augen waren trocken und voll heitern Lichtes geworden; und Idoinens ihre hatten ſich ſchimmernd gefüllet, weil heute ihr Herz zu oft in Bewegung gekommen war, um nicht in der ſüßen, andächtigen und erhe¬ benden zu weinen. Einmal war Albano, da er zu ihr blickte, als glänze ſie überirdiſch und, wie auf eine Luna die Sonne unter der Erde, ſtrahle Liane aus der andern Welt auf ihr An¬ geſicht und ſchmücke das Ebenbild mit einer Heiligkeit jenſeits der Erde.

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Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 566. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/578>, abgerufen am 30.04.2024.