Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803.

Bild:
<< vorherige Seite

Nach dem Schlusse der Rede gieng Albano
ruhig zu beiden Freundinnen, drückte seiner
Schwester die Hand und bat sie, nicht das
Ende der dunkeln Feier abzuwarten. Sie war
getröstet und willig. Da sie aus der Kirche
traten, war ein wunderbarer heller Mondschein
auf der Erde verbreitet wie ein süßes Morgen¬
licht der höhern Welt. Julienne bat sie, statt
zwischen die Mauern, die Kerker der Augen
und Worte, und unter das Getümmel hinein¬
zugehen, lieber vorher die hellen stillen Gegen¬
den zu schauen.

Alle trugen in ihrer Brust die heilige Welt
des heitern Greises in die schöne Nacht hinaus.
-- Kein Wölkchen, kein Lüftchen regte sich am
weiten Himmel, die Sterne regierten allein, die
Erdenfernen verlohren sich in weisse Schatten
und alle Berge standen im silbernen Feuer des
Mondes. "O wie lieb' ich Ihren heitern hei
ligen Greis (sagte Idoine zu Albano und hat¬
te schon oft Juliennens Hand gedrückt) -- Wie
gut ist mir! -- Ach das Leben wird wie das
Meerwasser nicht eher ganz süß, als bis es
gen Himmel steigt." -- Plötzlich kamen zu ih¬

Nach dem Schluſſe der Rede gieng Albano
ruhig zu beiden Freundinnen, drückte ſeiner
Schweſter die Hand und bat ſie, nicht das
Ende der dunkeln Feier abzuwarten. Sie war
getröſtet und willig. Da ſie aus der Kirche
traten, war ein wunderbarer heller Mondſchein
auf der Erde verbreitet wie ein ſüßes Morgen¬
licht der höhern Welt. Julienne bat ſie, ſtatt
zwiſchen die Mauern, die Kerker der Augen
und Worte, und unter das Getümmel hinein¬
zugehen, lieber vorher die hellen ſtillen Gegen¬
den zu ſchauen.

Alle trugen in ihrer Bruſt die heilige Welt
des heitern Greiſes in die ſchöne Nacht hinaus.
— Kein Wölkchen, kein Lüftchen regte ſich am
weiten Himmel, die Sterne regierten allein, die
Erdenfernen verlohren ſich in weiſſe Schatten
und alle Berge ſtanden im ſilbernen Feuer des
Mondes. „O wie lieb' ich Ihren heitern hei
ligen Greis (ſagte Idoine zu Albano und hat¬
te ſchon oft Juliennens Hand gedrückt) — Wie
gut iſt mir! — Ach das Leben wird wie das
Meerwaſſer nicht eher ganz ſüß, als bis es
gen Himmel ſteigt.“ — Plötzlich kamen zu ih¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0579" n="567"/>
          <p>Nach dem Schlu&#x017F;&#x017F;e der Rede gieng Albano<lb/>
ruhig zu beiden Freundinnen, drückte &#x017F;einer<lb/>
Schwe&#x017F;ter die Hand und bat &#x017F;ie, nicht das<lb/>
Ende der dunkeln Feier abzuwarten. Sie war<lb/>
getrö&#x017F;tet und willig. Da &#x017F;ie aus der Kirche<lb/>
traten, war ein wunderbarer heller Mond&#x017F;chein<lb/>
auf der Erde verbreitet wie ein &#x017F;üßes Morgen¬<lb/>
licht der höhern Welt. Julienne bat &#x017F;ie, &#x017F;tatt<lb/>
zwi&#x017F;chen die Mauern, die Kerker der Augen<lb/>
und Worte, und unter das Getümmel hinein¬<lb/>
zugehen, lieber vorher die hellen &#x017F;tillen Gegen¬<lb/>
den zu &#x017F;chauen.</p><lb/>
          <p>Alle trugen in ihrer Bru&#x017F;t die heilige Welt<lb/>
des heitern Grei&#x017F;es in die &#x017F;chöne Nacht hinaus.<lb/>
&#x2014; Kein Wölkchen, kein Lüftchen regte &#x017F;ich am<lb/>
weiten Himmel, die Sterne regierten allein, die<lb/>
Erdenfernen verlohren &#x017F;ich in wei&#x017F;&#x017F;e Schatten<lb/>
und alle Berge &#x017F;tanden im &#x017F;ilbernen Feuer des<lb/>
Mondes. &#x201E;O wie lieb' ich Ihren heitern hei<lb/>
ligen Greis (&#x017F;agte Idoine zu Albano und hat¬<lb/>
te &#x017F;chon oft Juliennens Hand gedrückt) &#x2014; Wie<lb/>
gut i&#x017F;t mir! &#x2014; Ach das Leben wird wie das<lb/>
Meerwa&#x017F;&#x017F;er nicht eher ganz &#x017F;üß, als bis es<lb/>
gen Himmel &#x017F;teigt.&#x201C; &#x2014; Plötzlich kamen zu ih¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[567/0579] Nach dem Schluſſe der Rede gieng Albano ruhig zu beiden Freundinnen, drückte ſeiner Schweſter die Hand und bat ſie, nicht das Ende der dunkeln Feier abzuwarten. Sie war getröſtet und willig. Da ſie aus der Kirche traten, war ein wunderbarer heller Mondſchein auf der Erde verbreitet wie ein ſüßes Morgen¬ licht der höhern Welt. Julienne bat ſie, ſtatt zwiſchen die Mauern, die Kerker der Augen und Worte, und unter das Getümmel hinein¬ zugehen, lieber vorher die hellen ſtillen Gegen¬ den zu ſchauen. Alle trugen in ihrer Bruſt die heilige Welt des heitern Greiſes in die ſchöne Nacht hinaus. — Kein Wölkchen, kein Lüftchen regte ſich am weiten Himmel, die Sterne regierten allein, die Erdenfernen verlohren ſich in weiſſe Schatten und alle Berge ſtanden im ſilbernen Feuer des Mondes. „O wie lieb' ich Ihren heitern hei ligen Greis (ſagte Idoine zu Albano und hat¬ te ſchon oft Juliennens Hand gedrückt) — Wie gut iſt mir! — Ach das Leben wird wie das Meerwaſſer nicht eher ganz ſüß, als bis es gen Himmel ſteigt.“ — Plötzlich kamen zu ih¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/579
Zitationshilfe: Jean Paul: Titan. Bd. 4. Berlin, 1803, S. 567. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_titan04_1803/579>, abgerufen am 29.04.2024.