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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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Aber wer sonst noch so gut mit ihnen war,
gab ihnen doch nicht gern etwas zu diesem
Zug. Es forchtete sich ein jedes vor dem Eifer
den es im Dorf abseze, wenn es ihnen aus-
kommen würde.

Der Reinoldin ihre eigene Schwester, da
sie ihr einen ganzen Bündel Kinderzeug gab,
bat sie, sie soll doch machen, daß es Niemand
vernehme.

Das machte die Reinoldin so wild, daß sie
in der ersten Hiz ihr den Bündel wieder an
Boden warf und ihr sagte, auf diese Art brau-
che sie nichts von ihr. -- Einen Augenblik
darauf nahm sie ihn wieder vom Boden, und
sagte, wenn dir jemand den Kopf dafür ab-
beißt, so will ich dir ihn wieder aufsezen.

Das Mareylj machte es nicht so, wenn es
nur brav Zeug bekam, daß der Zug recht schön
würde, so liesse es denn dazu sagen, was ein
jedes gern wollte, und gab wer nur Miene
machte, daß er sich fürchte, zur Antwort, es
ist gar nicht nöthig, daß jemand etwas davon
wisse.

Und beym obern Brunnen, wo es mit ei-
nem solchen Bündel unter dem Arm einen gan-
zen Haufen Bauernweiber antraf, gab es auf
die Frag, was es da trage, zur Antwort, ihr
wisset ja wohl was das Baumwollen Mareylj
alleweil herumschleppen muß! Da glaubten die

Aber wer ſonſt noch ſo gut mit ihnen war,
gab ihnen doch nicht gern etwas zu dieſem
Zug. Es forchtete ſich ein jedes vor dem Eifer
den es im Dorf abſeze, wenn es ihnen aus-
kommen wuͤrde.

Der Reinoldin ihre eigene Schweſter, da
ſie ihr einen ganzen Buͤndel Kinderzeug gab,
bat ſie, ſie ſoll doch machen, daß es Niemand
vernehme.

Das machte die Reinoldin ſo wild, daß ſie
in der erſten Hiz ihr den Buͤndel wieder an
Boden warf und ihr ſagte, auf dieſe Art brau-
che ſie nichts von ihr. — Einen Augenblik
darauf nahm ſie ihn wieder vom Boden, und
ſagte, wenn dir jemand den Kopf dafuͤr ab-
beißt, ſo will ich dir ihn wieder aufſezen.

Das Mareylj machte es nicht ſo, wenn es
nur brav Zeug bekam, daß der Zug recht ſchoͤn
wuͤrde, ſo lieſſe es denn dazu ſagen, was ein
jedes gern wollte, und gab wer nur Miene
machte, daß er ſich fuͤrchte, zur Antwort, es
iſt gar nicht noͤthig, daß jemand etwas davon
wiſſe.

Und beym obern Brunnen, wo es mit ei-
nem ſolchen Buͤndel unter dem Arm einen gan-
zen Haufen Bauernweiber antraf, gab es auf
die Frag, was es da trage, zur Antwort, ihr
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alleweil herumſchleppen muß! Da glaubten die

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[205/0227] Aber wer ſonſt noch ſo gut mit ihnen war, gab ihnen doch nicht gern etwas zu dieſem Zug. Es forchtete ſich ein jedes vor dem Eifer den es im Dorf abſeze, wenn es ihnen aus- kommen wuͤrde. Der Reinoldin ihre eigene Schweſter, da ſie ihr einen ganzen Buͤndel Kinderzeug gab, bat ſie, ſie ſoll doch machen, daß es Niemand vernehme. Das machte die Reinoldin ſo wild, daß ſie in der erſten Hiz ihr den Buͤndel wieder an Boden warf und ihr ſagte, auf dieſe Art brau- che ſie nichts von ihr. — Einen Augenblik darauf nahm ſie ihn wieder vom Boden, und ſagte, wenn dir jemand den Kopf dafuͤr ab- beißt, ſo will ich dir ihn wieder aufſezen. Das Mareylj machte es nicht ſo, wenn es nur brav Zeug bekam, daß der Zug recht ſchoͤn wuͤrde, ſo lieſſe es denn dazu ſagen, was ein jedes gern wollte, und gab wer nur Miene machte, daß er ſich fuͤrchte, zur Antwort, es iſt gar nicht noͤthig, daß jemand etwas davon wiſſe. Und beym obern Brunnen, wo es mit ei- nem ſolchen Buͤndel unter dem Arm einen gan- zen Haufen Bauernweiber antraf, gab es auf die Frag, was es da trage, zur Antwort, ihr wiſſet ja wohl was das Baumwollen Mareylj alleweil herumſchleppen muß! Da glaubten die

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/227>, abgerufen am 26.04.2024.