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[Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785.

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sche in diesem Fall, daß sie in dem Augenblik,
da man ihn in den Boden hineinlege, geöffnet,
und seinem Volk bekannt gemacht werde. Wenn
ich aber lebe, sezte er hinzu, so muß das erst
in den neunziger Jahren geschehen; dann ich
will nichts weniger als mit einer solchen Hand-
lung unter einem unversorgten und unglükli-
chen Volk bey meinem Leben eine Comödie
spielen.

Der Pfarrer verstuhnd kaum halb was er
sagte, so sehr übernahm ihn die ernste Art wie
er von seinem Tod redte.

Er nahm ihm den Brief zitternd ab, und
seine Lippen stuhnden fast still, als er ihm ant-
wortete: aber Sie sind doch nicht krank, daß
Sie also reden?

Ich bin nicht krank, lieber Pfarrer! aber
auch nichts weniger als gesund; mein Blut ja-
stet und wallet seit einiger Zeit in mir, und es
geht mir alles so ungewohnt stark nahe, daß
ich mich nicht enthalten kann mir vorzustellen,
es steke eine Krankheit in mir.

Es wird, wills Gott, doch auch nicht seyn,
sagte der Pfarrer wie vorhin mit halbstarrer
Lippe.

In diesem Augenblik kam des Junkers For-
ster durch einen Fußsteig an sie an, und der
Junker um das Gespräch auf etwas anders zu
lenken, fragte ihn, wie es im Wald gehe?


ſche in dieſem Fall, daß ſie in dem Augenblik,
da man ihn in den Boden hineinlege, geoͤffnet,
und ſeinem Volk bekannt gemacht werde. Wenn
ich aber lebe, ſezte er hinzu, ſo muß das erſt
in den neunziger Jahren geſchehen; dann ich
will nichts weniger als mit einer ſolchen Hand-
lung unter einem unverſorgten und ungluͤkli-
chen Volk bey meinem Leben eine Comoͤdie
ſpielen.

Der Pfarrer verſtuhnd kaum halb was er
ſagte, ſo ſehr uͤbernahm ihn die ernſte Art wie
er von ſeinem Tod redte.

Er nahm ihm den Brief zitternd ab, und
ſeine Lippen ſtuhnden faſt ſtill, als er ihm ant-
wortete: aber Sie ſind doch nicht krank, daß
Sie alſo reden?

Ich bin nicht krank, lieber Pfarrer! aber
auch nichts weniger als geſund; mein Blut ja-
ſtet und wallet ſeit einiger Zeit in mir, und es
geht mir alles ſo ungewohnt ſtark nahe, daß
ich mich nicht enthalten kann mir vorzuſtellen,
es ſteke eine Krankheit in mir.

Es wird, wills Gott, doch auch nicht ſeyn,
ſagte der Pfarrer wie vorhin mit halbſtarrer
Lippe.

In dieſem Augenblik kam des Junkers For-
ſter durch einen Fußſteig an ſie an, und der
Junker um das Geſpraͤch auf etwas anders zu
lenken, fragte ihn, wie es im Wald gehe?


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[258/0280] ſche in dieſem Fall, daß ſie in dem Augenblik, da man ihn in den Boden hineinlege, geoͤffnet, und ſeinem Volk bekannt gemacht werde. Wenn ich aber lebe, ſezte er hinzu, ſo muß das erſt in den neunziger Jahren geſchehen; dann ich will nichts weniger als mit einer ſolchen Hand- lung unter einem unverſorgten und ungluͤkli- chen Volk bey meinem Leben eine Comoͤdie ſpielen. Der Pfarrer verſtuhnd kaum halb was er ſagte, ſo ſehr uͤbernahm ihn die ernſte Art wie er von ſeinem Tod redte. Er nahm ihm den Brief zitternd ab, und ſeine Lippen ſtuhnden faſt ſtill, als er ihm ant- wortete: aber Sie ſind doch nicht krank, daß Sie alſo reden? Ich bin nicht krank, lieber Pfarrer! aber auch nichts weniger als geſund; mein Blut ja- ſtet und wallet ſeit einiger Zeit in mir, und es geht mir alles ſo ungewohnt ſtark nahe, daß ich mich nicht enthalten kann mir vorzuſtellen, es ſteke eine Krankheit in mir. Es wird, wills Gott, doch auch nicht ſeyn, ſagte der Pfarrer wie vorhin mit halbſtarrer Lippe. In dieſem Augenblik kam des Junkers For- ſter durch einen Fußſteig an ſie an, und der Junker um das Geſpraͤch auf etwas anders zu lenken, fragte ihn, wie es im Wald gehe?

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Zitationshilfe: [Pestalozzi, Johann Heinrich]: Lienhard und Gertrud. Bd. 3. Frankfurt (Main) u. a., 1785, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/pestalozzi_lienhard03_1785/280>, abgerufen am 29.03.2024.