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Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825.

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Als am Gestad' ein Heer von Kranichen ppo_356.002
Zusammenkam, um in ein wirthbar Land, ppo_356.003
Jenseits des Meers, zu ziehn. Ein Kranich, den ppo_356.004
Des Jägers Pfeil am Fuß getroffen, saß ppo_356.005
Allein, betrübt und stumm, und mehrte nicht ppo_356.006
Das wilde Lustgeschrei der Schwärmenden, ppo_356.007
Und war der laute Spott der frohen Schaar.
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Jch bin durch meine Schuld nicht lahm, dacht' er ppo_356.009
Jn sich gekehrt, ich half so viel, als ihr, ppo_356.010
Zum Wohl von unserm Staat. Mich trifft mit Recht ppo_356.011
Spott und Verachtung nicht. Nur ach, wie wird's ppo_356.012
Mir auf der Reis' ergehn, mir, dem der Schmerz ppo_356.013
Muth und Vermögen raubt zum weiten Flug'! ppo_356.014
Jch Unglückseliger! Das Wasser wird ppo_356.015
Bald mein gewisses Grab. Warum erschoß ppo_356.016
Der Grausame mich nicht? -- Jndessen weht ppo_356.017
Gewogner Wind vom Land' ins Meer. Die Schaar ppo_356.018
Beginnt geordnet jetzt die Reis' und eilt ppo_356.019
Mit schnellen Flügeln fort, und schreit vor Lust. ppo_356.020
Der Kranke nur blieb weit zurück, und ruht' ppo_356.021
Auf Lotosblättern oft, womit die See ppo_356.022
Bestreuet war, und seufzt vor Gram und Schmerz.
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Nach vielem Ruhn sah er das beß're Land, ppo_356.024
Den mildern Himmel, der ihn plötzlich heilt. ppo_356.025
Die Vorsicht leitet ihn beglückt dahin; ppo_356.026
Und vielen Spöttern ward die Flut zum Grab.
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Jhr, die die schwere Hand des Unglücks drückt, ppo_356.028
Jhr Redlichen, die ihr mit Harm erfüllt, ppo_356.029
Das Leben oft verwünscht, verzaget nicht, ppo_356.030
Und wagt die Reise durch das Leben nur; ppo_356.031
Jenseits des Ufers giebt's ein beß'res Land; ppo_356.032
Gefilde voller Lust erwarten euch!
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[356/0368] ppo_356.001 Als am Gestad' ein Heer von Kranichen ppo_356.002 Zusammenkam, um in ein wirthbar Land, ppo_356.003 Jenseits des Meers, zu ziehn. Ein Kranich, den ppo_356.004 Des Jägers Pfeil am Fuß getroffen, saß ppo_356.005 Allein, betrübt und stumm, und mehrte nicht ppo_356.006 Das wilde Lustgeschrei der Schwärmenden, ppo_356.007 Und war der laute Spott der frohen Schaar. ppo_356.008 Jch bin durch meine Schuld nicht lahm, dacht' er ppo_356.009 Jn sich gekehrt, ich half so viel, als ihr, ppo_356.010 Zum Wohl von unserm Staat. Mich trifft mit Recht ppo_356.011 Spott und Verachtung nicht. Nur ach, wie wird's ppo_356.012 Mir auf der Reis' ergehn, mir, dem der Schmerz ppo_356.013 Muth und Vermögen raubt zum weiten Flug'! ppo_356.014 Jch Unglückseliger! Das Wasser wird ppo_356.015 Bald mein gewisses Grab. Warum erschoß ppo_356.016 Der Grausame mich nicht? — Jndessen weht ppo_356.017 Gewogner Wind vom Land' ins Meer. Die Schaar ppo_356.018 Beginnt geordnet jetzt die Reis' und eilt ppo_356.019 Mit schnellen Flügeln fort, und schreit vor Lust. ppo_356.020 Der Kranke nur blieb weit zurück, und ruht' ppo_356.021 Auf Lotosblättern oft, womit die See ppo_356.022 Bestreuet war, und seufzt vor Gram und Schmerz. ppo_356.023 Nach vielem Ruhn sah er das beß're Land, ppo_356.024 Den mildern Himmel, der ihn plötzlich heilt. ppo_356.025 Die Vorsicht leitet ihn beglückt dahin; ppo_356.026 Und vielen Spöttern ward die Flut zum Grab. ppo_356.027 Jhr, die die schwere Hand des Unglücks drückt, ppo_356.028 Jhr Redlichen, die ihr mit Harm erfüllt, ppo_356.029 Das Leben oft verwünscht, verzaget nicht, ppo_356.030 Und wagt die Reise durch das Leben nur; ppo_356.031 Jenseits des Ufers giebt's ein beß'res Land; ppo_356.032 Gefilde voller Lust erwarten euch!

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Zitationshilfe: Pölitz, Karl Heinrich Ludwig: Das Gesamtgebiet der teutschen Sprache nach Prosa, Dichtkunst und Beredsamkeit theoretisch und praktisch dargestellt. Dritter Band: Sprache der Dichtkunst. Leipzig, 1825, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/poelitz_poetik_1825/368>, abgerufen am 15.05.2024.