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Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

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"Schaumann, ich freue mich so sehr, Dich so,
gerade so, wieder zu finden!"

"Na, na, im Schatten geht es ja wohl noch an.
Da zerfließt man seinem bestem Jugendfreund nicht
sofort als ein Schemen in den Armen. Er ist es
wirklich, Tinchen! er hat wahrhaftig die Freundlichkeit
gehabt, sich auch Unserer noch zu erinnern."

"Stopfkuchen?!"

"Das Wort schmeckt wenigstens noch ein Bischen
nach andern jüngern Tagen und lebendigeren Gefühlen;
aber die Thatsache bleibe dessenungeachtet bestehen.
Geehrter, weshalb kommst Du jetzt erst auch zu Uns?
Soweit lesen wir die Zeitungen hier oben auf
Quakatzenburg noch, daß wir aus der Gasthofsliste
wissen, wie lange Du Dich da unten bereits aufge-
halten und natürlich einer Menge Anderer das Ver-
gnügen Dich wiederzusehen, geschenkt hast. Nu denn,
das ist denn ja sehr freundlich von Dir."

Wie Jeder, der mit Recht wegen einer Ver-
säumniß am Ohr genommen wird, suchte ich nach
einer Ausrede und fand diesmal folgende:

"Das Beste erspart sich der verständige Erden-
bewohner stets bis zuletzt. Dieses war, wie ich mich
ungemein deutlich erinnere, auch Dein Grundsatz in
den Tagen unserer Kindheit und Jugend, lieber
Heinrich."

"Davon bin ich völlig abgekommen," erwiederte
Stopfkuchen. "Seit einigen Jahren schon nehme ich
das Beste zuerst, lieber Eduard, und verlasse mich
nicht mehr darauf, daß man ja Zeit habe und das

5*

„Schaumann, ich freue mich ſo ſehr, Dich ſo,
gerade ſo, wieder zu finden!“

„Na, na, im Schatten geht es ja wohl noch an.
Da zerfließt man ſeinem beſtem Jugendfreund nicht
ſofort als ein Schemen in den Armen. Er iſt es
wirklich, Tinchen! er hat wahrhaftig die Freundlichkeit
gehabt, ſich auch Unſerer noch zu erinnern.“

„Stopfkuchen?!“

„Das Wort ſchmeckt wenigſtens noch ein Bischen
nach andern jüngern Tagen und lebendigeren Gefühlen;
aber die Thatſache bleibe deſſenungeachtet beſtehen.
Geehrter, weshalb kommſt Du jetzt erſt auch zu Uns?
Soweit leſen wir die Zeitungen hier oben auf
Quakatzenburg noch, daß wir aus der Gaſthofsliſte
wiſſen, wie lange Du Dich da unten bereits aufge-
halten und natürlich einer Menge Anderer das Ver-
gnügen Dich wiederzuſehen, geſchenkt haſt. Nu denn,
das iſt denn ja ſehr freundlich von Dir.“

Wie Jeder, der mit Recht wegen einer Ver-
ſäumniß am Ohr genommen wird, ſuchte ich nach
einer Ausrede und fand diesmal folgende:

„Das Beſte erſpart ſich der verſtändige Erden-
bewohner ſtets bis zuletzt. Dieſes war, wie ich mich
ungemein deutlich erinnere, auch Dein Grundſatz in
den Tagen unſerer Kindheit und Jugend, lieber
Heinrich.“

„Davon bin ich völlig abgekommen,“ erwiederte
Stopfkuchen. „Seit einigen Jahren ſchon nehme ich
das Beſte zuerſt, lieber Eduard, und verlaſſe mich
nicht mehr darauf, daß man ja Zeit habe und das

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[67/0077] „Schaumann, ich freue mich ſo ſehr, Dich ſo, gerade ſo, wieder zu finden!“ „Na, na, im Schatten geht es ja wohl noch an. Da zerfließt man ſeinem beſtem Jugendfreund nicht ſofort als ein Schemen in den Armen. Er iſt es wirklich, Tinchen! er hat wahrhaftig die Freundlichkeit gehabt, ſich auch Unſerer noch zu erinnern.“ „Stopfkuchen?!“ „Das Wort ſchmeckt wenigſtens noch ein Bischen nach andern jüngern Tagen und lebendigeren Gefühlen; aber die Thatſache bleibe deſſenungeachtet beſtehen. Geehrter, weshalb kommſt Du jetzt erſt auch zu Uns? Soweit leſen wir die Zeitungen hier oben auf Quakatzenburg noch, daß wir aus der Gaſthofsliſte wiſſen, wie lange Du Dich da unten bereits aufge- halten und natürlich einer Menge Anderer das Ver- gnügen Dich wiederzuſehen, geſchenkt haſt. Nu denn, das iſt denn ja ſehr freundlich von Dir.“ Wie Jeder, der mit Recht wegen einer Ver- ſäumniß am Ohr genommen wird, ſuchte ich nach einer Ausrede und fand diesmal folgende: „Das Beſte erſpart ſich der verſtändige Erden- bewohner ſtets bis zuletzt. Dieſes war, wie ich mich ungemein deutlich erinnere, auch Dein Grundſatz in den Tagen unſerer Kindheit und Jugend, lieber Heinrich.“ „Davon bin ich völlig abgekommen,“ erwiederte Stopfkuchen. „Seit einigen Jahren ſchon nehme ich das Beſte zuerſt, lieber Eduard, und verlaſſe mich nicht mehr darauf, daß man ja Zeit habe und das 5*

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/77>, abgerufen am 28.04.2024.