Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

Butterbrod sicher und fest in beiden Fäusten halte.
Na, lassen wir die Komplimente! das Glück ist Dir
diesmal wenigstens noch günstig gewesen: einen fetten
Happen hast Du Dir an mir aufgehoben! was?"

"Nun, nun, bester Schaumann --"

"Und Du -- wie stehst Du denn so dumm da,
Mieze? Quakätzchen? Da der Mann sich als Mensch,
Bruder und Freund wenigstens annäherungsweise
legitimirt hat nach Menschenbrauch, so biete ihm
wenigstens ein Stuhl, und noch eine Tasse Kaffee
an, wenn der noch warm ist. Setze Dich wenigstens
einen Augenblick, Eduard, wenn Du Zeit hast; und
dann -- Du, sieh sie Dir einmal an! -- Das ist
sie! Tinchen; Tinchen Quakatz. Na, was meinst
Du, Eduard? Ueber mich hast Du Deine Meinung,
Dir unbewußt, durch Blick, Mundaufsperren, Hand-
und Fußmimik bereits geäußert. Jetzt sage es mir
dreist aufrichtig, wie Du sie konservirt findest?"

Die Handbewegung, der Blick und, was sonst
zu dieser Vorstellung der Frau Valentine Schaumann
gehörte, nichts ist davon zu beschreiben. Auch von
dem Ton nicht, mit dem das Wort "Mieze" ge-
sprochen wurde.

Und Quakätzchen?!

Eine geborene Quakatz, die Tochter von Kien-
baums Mörder, Andreas Quakatz, die sich bei ihrem
Eheherrn zu einer "Mieze", ja, wie ich nachher merkte,
sogar zu einem "Müschen", mit längster, zärtlichster
Dehnung auf dem ü ausgewachsen hatte, und jetzt
mir Platz im Sommermorgen und am Frühstücks-

Butterbrod ſicher und feſt in beiden Fäuſten halte.
Na, laſſen wir die Komplimente! das Glück iſt Dir
diesmal wenigſtens noch günſtig geweſen: einen fetten
Happen haſt Du Dir an mir aufgehoben! was?“

„Nun, nun, beſter Schaumann —“

„Und Du — wie ſtehſt Du denn ſo dumm da,
Mieze? Quakätzchen? Da der Mann ſich als Menſch,
Bruder und Freund wenigſtens annäherungsweiſe
legitimirt hat nach Menſchenbrauch, ſo biete ihm
wenigſtens ein Stuhl, und noch eine Taſſe Kaffee
an, wenn der noch warm iſt. Setze Dich wenigſtens
einen Augenblick, Eduard, wenn Du Zeit haſt; und
dann — Du, ſieh ſie Dir einmal an! — Das iſt
ſie! Tinchen; Tinchen Quakatz. Na, was meinſt
Du, Eduard? Ueber mich haſt Du Deine Meinung,
Dir unbewußt, durch Blick, Mundaufſperren, Hand-
und Fußmimik bereits geäußert. Jetzt ſage es mir
dreiſt aufrichtig, wie Du ſie konſervirt findeſt?“

Die Handbewegung, der Blick und, was ſonſt
zu dieſer Vorſtellung der Frau Valentine Schaumann
gehörte, nichts iſt davon zu beſchreiben. Auch von
dem Ton nicht, mit dem das Wort „Mieze“ ge-
ſprochen wurde.

Und Quakätzchen?!

Eine geborene Quakatz, die Tochter von Kien-
baums Mörder, Andreas Quakatz, die ſich bei ihrem
Eheherrn zu einer „Mieze“, ja, wie ich nachher merkte,
ſogar zu einem „Müſchen“, mit längſter, zärtlichſter
Dehnung auf dem ü ausgewachſen hatte, und jetzt
mir Platz im Sommermorgen und am Frühſtücks-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0078" n="68"/>
Butterbrod &#x017F;icher und fe&#x017F;t in beiden Fäu&#x017F;ten halte.<lb/>
Na, la&#x017F;&#x017F;en wir die Komplimente! das Glück i&#x017F;t Dir<lb/>
diesmal wenig&#x017F;tens noch gün&#x017F;tig gewe&#x017F;en: einen fetten<lb/>
Happen ha&#x017F;t Du Dir an mir aufgehoben! was?&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Nun, nun, be&#x017F;ter Schaumann &#x2014;&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Und Du &#x2014; wie &#x017F;teh&#x017F;t Du denn &#x017F;o dumm da,<lb/>
Mieze? Quakätzchen? Da der Mann &#x017F;ich als Men&#x017F;ch,<lb/>
Bruder und Freund wenig&#x017F;tens annäherungswei&#x017F;e<lb/>
legitimirt hat nach Men&#x017F;chenbrauch, &#x017F;o biete ihm<lb/>
wenig&#x017F;tens ein Stuhl, und noch eine Ta&#x017F;&#x017F;e Kaffee<lb/>
an, wenn der noch warm i&#x017F;t. Setze Dich wenig&#x017F;tens<lb/>
einen Augenblick, Eduard, wenn Du Zeit ha&#x017F;t; und<lb/>
dann &#x2014; Du, &#x017F;ieh &#x017F;ie Dir einmal an! &#x2014; Das i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ie! Tinchen; Tinchen Quakatz. Na, was mein&#x017F;t<lb/>
Du, Eduard? Ueber mich ha&#x017F;t Du Deine Meinung,<lb/>
Dir unbewußt, durch Blick, Mundauf&#x017F;perren, Hand-<lb/>
und Fußmimik bereits geäußert. Jetzt &#x017F;age es mir<lb/>
drei&#x017F;t aufrichtig, wie Du &#x017F;ie kon&#x017F;ervirt finde&#x017F;t?&#x201C;</p><lb/>
        <p>Die Handbewegung, der Blick und, was &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
zu die&#x017F;er Vor&#x017F;tellung der Frau Valentine Schaumann<lb/>
gehörte, nichts i&#x017F;t davon zu be&#x017F;chreiben. Auch von<lb/>
dem Ton nicht, mit dem das Wort &#x201E;Mieze&#x201C; ge-<lb/>
&#x017F;prochen wurde.</p><lb/>
        <p>Und Quakätzchen?!</p><lb/>
        <p>Eine geborene Quakatz, die Tochter von Kien-<lb/>
baums Mörder, Andreas Quakatz, die &#x017F;ich bei ihrem<lb/>
Eheherrn zu einer &#x201E;Mieze&#x201C;, ja, wie ich nachher merkte,<lb/>
&#x017F;ogar zu einem &#x201E;&#x017F;chen&#x201C;, mit läng&#x017F;ter, zärtlich&#x017F;ter<lb/>
Dehnung auf dem ü ausgewach&#x017F;en hatte, und jetzt<lb/>
mir Platz im Sommermorgen und am Früh&#x017F;tücks-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0078] Butterbrod ſicher und feſt in beiden Fäuſten halte. Na, laſſen wir die Komplimente! das Glück iſt Dir diesmal wenigſtens noch günſtig geweſen: einen fetten Happen haſt Du Dir an mir aufgehoben! was?“ „Nun, nun, beſter Schaumann —“ „Und Du — wie ſtehſt Du denn ſo dumm da, Mieze? Quakätzchen? Da der Mann ſich als Menſch, Bruder und Freund wenigſtens annäherungsweiſe legitimirt hat nach Menſchenbrauch, ſo biete ihm wenigſtens ein Stuhl, und noch eine Taſſe Kaffee an, wenn der noch warm iſt. Setze Dich wenigſtens einen Augenblick, Eduard, wenn Du Zeit haſt; und dann — Du, ſieh ſie Dir einmal an! — Das iſt ſie! Tinchen; Tinchen Quakatz. Na, was meinſt Du, Eduard? Ueber mich haſt Du Deine Meinung, Dir unbewußt, durch Blick, Mundaufſperren, Hand- und Fußmimik bereits geäußert. Jetzt ſage es mir dreiſt aufrichtig, wie Du ſie konſervirt findeſt?“ Die Handbewegung, der Blick und, was ſonſt zu dieſer Vorſtellung der Frau Valentine Schaumann gehörte, nichts iſt davon zu beſchreiben. Auch von dem Ton nicht, mit dem das Wort „Mieze“ ge- ſprochen wurde. Und Quakätzchen?! Eine geborene Quakatz, die Tochter von Kien- baums Mörder, Andreas Quakatz, die ſich bei ihrem Eheherrn zu einer „Mieze“, ja, wie ich nachher merkte, ſogar zu einem „Müſchen“, mit längſter, zärtlichſter Dehnung auf dem ü ausgewachſen hatte, und jetzt mir Platz im Sommermorgen und am Frühſtücks-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Wilhelm Raabes "Stopfkuchen. Eine See- und Mordge… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/78
Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/78>, abgerufen am 28.04.2024.