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Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891.

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Merkwürdiges zu weisen haben, was ein solch rasendes
Drauflosstürzen erforderte? Nur mit aller Bequem-
lichkeit, Freund! Wandeln wir langsam, langsam,
und zwar zuerst noch einmal um den Wall des Herrn
Grafen von der Lausitz, segensreichen, wenn auch nicht
gloriosen Angedenkens."

"Segensreichen Angedenkens? Das sagte die
Stadt da unten, so wie die Umgegend im Jahre
Christi Siebenzehnhunderteinundsechzig grade nicht."

"Aber ich sage es heute. Was geht mich die
hiesige Gegend und Umgegend an? Die schöne Aussicht
darauf von Quakatzenburg aus natürlich abgerechnet."

Ich war jetzt so gespannt auf das, was er mir
zu zeigen hatte, daß ich wirklich mit einiger Mühe
meinen Schritt aus den Goldfeldern von Kaffraria
nach seinem Schritt von der rothen Schanze mäßigte.
Und zum erstenmal nun in meinem Leben umging
ich auf dem Walle selbst das Schanzenviereck des
Prinzen Xaver; als Junge und als junger Mensch
hatte ich es mir ja nur von jenseits des Grabens,
vom Felde, von dem "Glacis" dann und wann an-
sehen können. Und die Jahre zählten! Es ging
freilich heute etwas langsam damit; denn der Jugend-
freund hatte in Wahrheit meinen Arm nicht bloß der
Zierde und Zärtlichkeit wegen genommen. Seine
Pfeife nahm er natürlich auch mit, hielt sie im
Brande und deutete mit ihrer Spitze hierhin und
dorthin, wo er meine, nach seiner Meinung durch
allerlei Weltumsegelungen zerstreute Aufmerksamkeit,
hinzuwenden wünschte.

Merkwürdiges zu weiſen haben, was ein ſolch raſendes
Drauflosſtürzen erforderte? Nur mit aller Bequem-
lichkeit, Freund! Wandeln wir langſam, langſam,
und zwar zuerſt noch einmal um den Wall des Herrn
Grafen von der Lauſitz, ſegensreichen, wenn auch nicht
glorioſen Angedenkens.“

„Segensreichen Angedenkens? Das ſagte die
Stadt da unten, ſo wie die Umgegend im Jahre
Chriſti Siebenzehnhunderteinundſechzig grade nicht.“

„Aber ich ſage es heute. Was geht mich die
hieſige Gegend und Umgegend an? Die ſchöne Ausſicht
darauf von Quakatzenburg aus natürlich abgerechnet.“

Ich war jetzt ſo geſpannt auf das, was er mir
zu zeigen hatte, daß ich wirklich mit einiger Mühe
meinen Schritt aus den Goldfeldern von Kaffraria
nach ſeinem Schritt von der rothen Schanze mäßigte.
Und zum erſtenmal nun in meinem Leben umging
ich auf dem Walle ſelbſt das Schanzenviereck des
Prinzen Xaver; als Junge und als junger Menſch
hatte ich es mir ja nur von jenſeits des Grabens,
vom Felde, von dem „Glacis“ dann und wann an-
ſehen können. Und die Jahre zählten! Es ging
freilich heute etwas langſam damit; denn der Jugend-
freund hatte in Wahrheit meinen Arm nicht bloß der
Zierde und Zärtlichkeit wegen genommen. Seine
Pfeife nahm er natürlich auch mit, hielt ſie im
Brande und deutete mit ihrer Spitze hierhin und
dorthin, wo er meine, nach ſeiner Meinung durch
allerlei Weltumſegelungen zerſtreute Aufmerkſamkeit,
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[77/0087] Merkwürdiges zu weiſen haben, was ein ſolch raſendes Drauflosſtürzen erforderte? Nur mit aller Bequem- lichkeit, Freund! Wandeln wir langſam, langſam, und zwar zuerſt noch einmal um den Wall des Herrn Grafen von der Lauſitz, ſegensreichen, wenn auch nicht glorioſen Angedenkens.“ „Segensreichen Angedenkens? Das ſagte die Stadt da unten, ſo wie die Umgegend im Jahre Chriſti Siebenzehnhunderteinundſechzig grade nicht.“ „Aber ich ſage es heute. Was geht mich die hieſige Gegend und Umgegend an? Die ſchöne Ausſicht darauf von Quakatzenburg aus natürlich abgerechnet.“ Ich war jetzt ſo geſpannt auf das, was er mir zu zeigen hatte, daß ich wirklich mit einiger Mühe meinen Schritt aus den Goldfeldern von Kaffraria nach ſeinem Schritt von der rothen Schanze mäßigte. Und zum erſtenmal nun in meinem Leben umging ich auf dem Walle ſelbſt das Schanzenviereck des Prinzen Xaver; als Junge und als junger Menſch hatte ich es mir ja nur von jenſeits des Grabens, vom Felde, von dem „Glacis“ dann und wann an- ſehen können. Und die Jahre zählten! Es ging freilich heute etwas langſam damit; denn der Jugend- freund hatte in Wahrheit meinen Arm nicht bloß der Zierde und Zärtlichkeit wegen genommen. Seine Pfeife nahm er natürlich auch mit, hielt ſie im Brande und deutete mit ihrer Spitze hierhin und dorthin, wo er meine, nach ſeiner Meinung durch allerlei Weltumſegelungen zerſtreute Aufmerkſamkeit, hinzuwenden wünſchte.

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Stopfkuchen. Eine See- und Mordgeschichte. Berlin, 1891, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_stopfkuchen_1891/87>, abgerufen am 28.04.2024.