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[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755.

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Das Märchen vom ersten April.
der unerbittliche Tod soll unzufrieden aussehen,
daß er den großen Opim hat von der Erde weg-
raffen müssen. Die Fama bekömmt auch ihre
Rolle. Jn der Mitte des Grabmaals sollen zween
kleine geflügelte Buben, die ganz erbärmlich grei-
nen, das Schild halten, welches sich Opim so
groß, als möglich, bestellt, um seinen ganzen Titel,
alle seine Tugenden, und alle seine Verdienste dar-
auf setzen zu lassen, damit die Welt doch sehen
möge, daß es auch in unsern Tagen große und
tugendhafte Männer, und einen Patrioten gege-
ben habe, der Opim hieß. So macht er es, wie
es Alexander mit seinem Lager in Jndien machte,
welches er so groß und weitläuftig einrichten ließ,
daß die Nachwelt glauben sollte, seine Macedo-
nier wären Riesen gewesen. Das Grabmaal wird
fertig, und es fehlt nichts, als daß noch die Schrift
in das Schild eingehauen werde. Was für ein
schweres Ende würde der stolze Opim haben, wenn
er wissen sollte, daß seine Erben sich nicht einmal
über die Kosten werden vereinigen können, seinen
Namen auf das Grabmaal setzen zu lassen! Das
prächtige Monument wird unvollkommen stehen
bleiben. Jn funfzig Jahren wird man nicht mehr
wissen, wer darunter liegt: Jn hundert Jahren
wird es der Magistrat an sich nehmen, und es zu
einem Grabmaale seines alten Bürgermeisters
brauchen, welcher sehr tugendhaft, aber zu arm
war, als daß ihm seine Erben ein so verdientes
Denkmaal hätten stiften können.

41. Nun-

Das Maͤrchen vom erſten April.
der unerbittliche Tod ſoll unzufrieden ausſehen,
daß er den großen Opim hat von der Erde weg-
raffen muͤſſen. Die Fama bekoͤmmt auch ihre
Rolle. Jn der Mitte des Grabmaals ſollen zween
kleine gefluͤgelte Buben, die ganz erbaͤrmlich grei-
nen, das Schild halten, welches ſich Opim ſo
groß, als moͤglich, beſtellt, um ſeinen ganzen Titel,
alle ſeine Tugenden, und alle ſeine Verdienſte dar-
auf ſetzen zu laſſen, damit die Welt doch ſehen
moͤge, daß es auch in unſern Tagen große und
tugendhafte Maͤnner, und einen Patrioten gege-
ben habe, der Opim hieß. So macht er es, wie
es Alexander mit ſeinem Lager in Jndien machte,
welches er ſo groß und weitlaͤuftig einrichten ließ,
daß die Nachwelt glauben ſollte, ſeine Macedo-
nier waͤren Rieſen geweſen. Das Grabmaal wird
fertig, und es fehlt nichts, als daß noch die Schrift
in das Schild eingehauen werde. Was fuͤr ein
ſchweres Ende wuͤrde der ſtolze Opim haben, wenn
er wiſſen ſollte, daß ſeine Erben ſich nicht einmal
uͤber die Koſten werden vereinigen koͤnnen, ſeinen
Namen auf das Grabmaal ſetzen zu laſſen! Das
praͤchtige Monument wird unvollkommen ſtehen
bleiben. Jn funfzig Jahren wird man nicht mehr
wiſſen, wer darunter liegt: Jn hundert Jahren
wird es der Magiſtrat an ſich nehmen, und es zu
einem Grabmaale ſeines alten Buͤrgermeiſters
brauchen, welcher ſehr tugendhaft, aber zu arm
war, als daß ihm ſeine Erben ein ſo verdientes
Denkmaal haͤtten ſtiften koͤnnen.

41. Nun-
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[540[538]/0562] Das Maͤrchen vom erſten April. der unerbittliche Tod ſoll unzufrieden ausſehen, daß er den großen Opim hat von der Erde weg- raffen muͤſſen. Die Fama bekoͤmmt auch ihre Rolle. Jn der Mitte des Grabmaals ſollen zween kleine gefluͤgelte Buben, die ganz erbaͤrmlich grei- nen, das Schild halten, welches ſich Opim ſo groß, als moͤglich, beſtellt, um ſeinen ganzen Titel, alle ſeine Tugenden, und alle ſeine Verdienſte dar- auf ſetzen zu laſſen, damit die Welt doch ſehen moͤge, daß es auch in unſern Tagen große und tugendhafte Maͤnner, und einen Patrioten gege- ben habe, der Opim hieß. So macht er es, wie es Alexander mit ſeinem Lager in Jndien machte, welches er ſo groß und weitlaͤuftig einrichten ließ, daß die Nachwelt glauben ſollte, ſeine Macedo- nier waͤren Rieſen geweſen. Das Grabmaal wird fertig, und es fehlt nichts, als daß noch die Schrift in das Schild eingehauen werde. Was fuͤr ein ſchweres Ende wuͤrde der ſtolze Opim haben, wenn er wiſſen ſollte, daß ſeine Erben ſich nicht einmal uͤber die Koſten werden vereinigen koͤnnen, ſeinen Namen auf das Grabmaal ſetzen zu laſſen! Das praͤchtige Monument wird unvollkommen ſtehen bleiben. Jn funfzig Jahren wird man nicht mehr wiſſen, wer darunter liegt: Jn hundert Jahren wird es der Magiſtrat an ſich nehmen, und es zu einem Grabmaale ſeines alten Buͤrgermeiſters brauchen, welcher ſehr tugendhaft, aber zu arm war, als daß ihm ſeine Erben ein ſo verdientes Denkmaal haͤtten ſtiften koͤnnen. 41. Nun-

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Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satirischer Schriften. Bd. 4. Leipzig, 1755, S. 540[538]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung04_1755/562>, abgerufen am 26.04.2024.