Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



ich ihre Bitte übel nehmen möchte: sie sey noch nie in
solcher Noth gewesen. Die Jungfer Partington
würde sich so lange bey ihr aufhalten, bis ich meinen
Brief geschrieben hätte.

Dieses machte mir besorgliche Gedancken, daß sie
so sehr auf ihrer Bitte bestand: und da es leichter
war, etwas abzuschlagen, das ich schon einmahl ab-
geschlagen hatte; so erbot ich mich der Jungfer Par-
tington
mein Bette gantz zu überlassen, und mich
in meinem Speise-Zimmer zu verschliessen, und die
gantze Nacht hindurch zu schreiben.

Sie sagte: das arme Ding fürchtete sich alleine
zu schlafen: auch würde mir Jungfer Partington
nicht so viele Ungelegenheit machen wollen.

Sie ging weg, kam aber gleich wieder, und ent-
schuldigte sich deswegen: das arme Kind zerflösse
gantz in Thränen. Die Jungfer Partington
hätte noch nie ein Frauenzimmer gesehen, darein sie
sich so sehr verliebt hätte, als in mich, und das sie sich
so zum Muster vorstellete. Das gute Kind wäre be-
sorget, daß ich etwas an ihrer Aufführung möchte
auszusetzen gefunden haben. Ob sie sie sollte zu mir
bringen?

Jch sagte: ich sey sehr beschäfftiget. An dem
Briefe, den ich zu schreiben hätte, sey viel gelegen.
Jch hoffete die Jungfer Partington morgen früh
zu sprechen, und mich bey ihr zu entschuldigen. Frau
Sinclair wußte nicht, was sie thun sollte, sie ging
nach der Thür zu, und wandte sich dennoch wieder
um. Jch nahm deswegen das Licht, leuchtete ihr
und bat sie, daß sie sich auf der Treppe in acht neh-
men möchte.


Sie



ich ihre Bitte uͤbel nehmen moͤchte: ſie ſey noch nie in
ſolcher Noth geweſen. Die Jungfer Partington
wuͤrde ſich ſo lange bey ihr aufhalten, bis ich meinen
Brief geſchrieben haͤtte.

Dieſes machte mir beſorgliche Gedancken, daß ſie
ſo ſehr auf ihrer Bitte beſtand: und da es leichter
war, etwas abzuſchlagen, das ich ſchon einmahl ab-
geſchlagen hatte; ſo erbot ich mich der Jungfer Par-
tington
mein Bette gantz zu uͤberlaſſen, und mich
in meinem Speiſe-Zimmer zu verſchlieſſen, und die
gantze Nacht hindurch zu ſchreiben.

Sie ſagte: das arme Ding fuͤrchtete ſich alleine
zu ſchlafen: auch wuͤrde mir Jungfer Partington
nicht ſo viele Ungelegenheit machen wollen.

Sie ging weg, kam aber gleich wieder, und ent-
ſchuldigte ſich deswegen: das arme Kind zerfloͤſſe
gantz in Thraͤnen. Die Jungfer Partington
haͤtte noch nie ein Frauenzimmer geſehen, darein ſie
ſich ſo ſehr verliebt haͤtte, als in mich, und das ſie ſich
ſo zum Muſter vorſtellete. Das gute Kind waͤre be-
ſorget, daß ich etwas an ihrer Auffuͤhrung moͤchte
auszuſetzen gefunden haben. Ob ſie ſie ſollte zu mir
bringen?

Jch ſagte: ich ſey ſehr beſchaͤfftiget. An dem
Briefe, den ich zu ſchreiben haͤtte, ſey viel gelegen.
Jch hoffete die Jungfer Partington morgen fruͤh
zu ſprechen, und mich bey ihr zu entſchuldigen. Frau
Sinclair wußte nicht, was ſie thun ſollte, ſie ging
nach der Thuͤr zu, und wandte ſich dennoch wieder
um. Jch nahm deswegen das Licht, leuchtete ihr
und bat ſie, daß ſie ſich auf der Treppe in acht neh-
men moͤchte.


Sie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0522" n="508"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ich ihre Bitte u&#x0364;bel nehmen mo&#x0364;chte: &#x017F;ie &#x017F;ey noch nie in<lb/>
&#x017F;olcher Noth gewe&#x017F;en. Die Jungfer <hi rendition="#fr">Partington</hi><lb/>
wu&#x0364;rde &#x017F;ich &#x017F;o lange bey ihr aufhalten, bis ich meinen<lb/>
Brief ge&#x017F;chrieben ha&#x0364;tte.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;es machte mir be&#x017F;orgliche Gedancken, daß &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;o &#x017F;ehr auf ihrer Bitte be&#x017F;tand: und da es leichter<lb/>
war, etwas abzu&#x017F;chlagen, das ich &#x017F;chon einmahl ab-<lb/>
ge&#x017F;chlagen hatte; &#x017F;o erbot ich mich der Jungfer <hi rendition="#fr">Par-<lb/>
tington</hi> mein Bette gantz zu u&#x0364;berla&#x017F;&#x017F;en, und mich<lb/>
in meinem Spei&#x017F;e-Zimmer zu ver&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en, und die<lb/>
gantze Nacht hindurch zu &#x017F;chreiben.</p><lb/>
          <p>Sie &#x017F;agte: das arme Ding fu&#x0364;rchtete &#x017F;ich alleine<lb/>
zu &#x017F;chlafen: auch wu&#x0364;rde mir Jungfer <hi rendition="#fr">Partington</hi><lb/>
nicht &#x017F;o viele Ungelegenheit machen wollen.</p><lb/>
          <p>Sie ging weg, kam aber gleich wieder, und ent-<lb/>
&#x017F;chuldigte &#x017F;ich deswegen: das arme Kind zerflo&#x0364;&#x017F;&#x017F;e<lb/>
gantz in Thra&#x0364;nen. Die Jungfer <hi rendition="#fr">Partington</hi><lb/>
ha&#x0364;tte noch nie ein Frauenzimmer ge&#x017F;ehen, darein &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;o &#x017F;ehr verliebt ha&#x0364;tte, als in mich, und das &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;o zum Mu&#x017F;ter vor&#x017F;tellete. Das gute Kind wa&#x0364;re be-<lb/>
&#x017F;orget, daß ich etwas an ihrer Auffu&#x0364;hrung mo&#x0364;chte<lb/>
auszu&#x017F;etzen gefunden haben. Ob &#x017F;ie &#x017F;ie &#x017F;ollte zu mir<lb/>
bringen?</p><lb/>
          <p>Jch &#x017F;agte: ich &#x017F;ey &#x017F;ehr be&#x017F;cha&#x0364;fftiget. An dem<lb/>
Briefe, den ich zu &#x017F;chreiben ha&#x0364;tte, &#x017F;ey viel gelegen.<lb/>
Jch hoffete die Jungfer <hi rendition="#fr">Partington</hi> morgen fru&#x0364;h<lb/>
zu &#x017F;prechen, und mich bey ihr zu ent&#x017F;chuldigen. Frau<lb/><hi rendition="#fr">Sinclair</hi> wußte nicht, was &#x017F;ie thun &#x017F;ollte, &#x017F;ie ging<lb/>
nach der Thu&#x0364;r zu, und wandte &#x017F;ich dennoch wieder<lb/>
um. Jch nahm deswegen das Licht, leuchtete ihr<lb/>
und bat &#x017F;ie, daß &#x017F;ie &#x017F;ich auf der Treppe in acht neh-<lb/>
men mo&#x0364;chte.</p>
          <fw place="bottom" type="catch">Sie</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[508/0522] ich ihre Bitte uͤbel nehmen moͤchte: ſie ſey noch nie in ſolcher Noth geweſen. Die Jungfer Partington wuͤrde ſich ſo lange bey ihr aufhalten, bis ich meinen Brief geſchrieben haͤtte. Dieſes machte mir beſorgliche Gedancken, daß ſie ſo ſehr auf ihrer Bitte beſtand: und da es leichter war, etwas abzuſchlagen, das ich ſchon einmahl ab- geſchlagen hatte; ſo erbot ich mich der Jungfer Par- tington mein Bette gantz zu uͤberlaſſen, und mich in meinem Speiſe-Zimmer zu verſchlieſſen, und die gantze Nacht hindurch zu ſchreiben. Sie ſagte: das arme Ding fuͤrchtete ſich alleine zu ſchlafen: auch wuͤrde mir Jungfer Partington nicht ſo viele Ungelegenheit machen wollen. Sie ging weg, kam aber gleich wieder, und ent- ſchuldigte ſich deswegen: das arme Kind zerfloͤſſe gantz in Thraͤnen. Die Jungfer Partington haͤtte noch nie ein Frauenzimmer geſehen, darein ſie ſich ſo ſehr verliebt haͤtte, als in mich, und das ſie ſich ſo zum Muſter vorſtellete. Das gute Kind waͤre be- ſorget, daß ich etwas an ihrer Auffuͤhrung moͤchte auszuſetzen gefunden haben. Ob ſie ſie ſollte zu mir bringen? Jch ſagte: ich ſey ſehr beſchaͤfftiget. An dem Briefe, den ich zu ſchreiben haͤtte, ſey viel gelegen. Jch hoffete die Jungfer Partington morgen fruͤh zu ſprechen, und mich bey ihr zu entſchuldigen. Frau Sinclair wußte nicht, was ſie thun ſollte, ſie ging nach der Thuͤr zu, und wandte ſich dennoch wieder um. Jch nahm deswegen das Licht, leuchtete ihr und bat ſie, daß ſie ſich auf der Treppe in acht neh- men moͤchte. Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/522
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 508. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/522>, abgerufen am 27.04.2024.