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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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ich mich oft selbst in meine eigene Kindheit zurück-
sehnen muß, damit ich ihr Kinderleben mit ihnen
theilen und in dieser Wechselliebe mit ihnen le-
ben möchte. Besonders schön ist das Verhältniß,
seit Clärchen zwischen Jda und Mathilde steht.
Diese rohe kerngesunde Natur einigt die schön
gebildete Natur Jda's und die theils verwilder-
te, theils verbogene in Mathilde und steht als
Mittlerin zwischen beiden. Sehr viel würden un-
sere Kinder verlieren, wenn Clärchen uns wieder
verließe. Vater und Mutter wünschen, daß ich
nun die Aelteste auf eine Zeitlang statt Clärchen
aufnehme. Aber ich kann es fast nicht. Auch
wärs Schade um Clärchen: es steht alles bei ihr
in so schöner Blüthe. Wäre Deborah nicht so
schwach, und bedürfte des Beistandes im Hause,
so sollten beide Pfarrerskinder mit einander bei
uns seyn. Auch Betty ist ein sehr bildungs-
fähiges Kind. Aber das muß nicht seyn. Betty
muß fürs erste nicht von der Mutter gehen. Und
Clärchen darf in der Ausbildung nicht unter-
brochen werden. Auch ist sie schon fast unzer-
trennlich mit uns verflochten.

(37)

ich mich oft ſelbſt in meine eigene Kindheit zurück-
ſehnen muß, damit ich ihr Kinderleben mit ihnen
theilen und in dieſer Wechſelliebe mit ihnen le-
ben möchte. Beſonders ſchön iſt das Verhältniß,
ſeit Clärchen zwiſchen Jda und Mathilde ſteht.
Dieſe rohe kerngeſunde Natur einigt die ſchön
gebildete Natur Jda’s und die theils verwilder-
te, theils verbogene in Mathilde und ſteht als
Mittlerin zwiſchen beiden. Sehr viel würden un-
ſere Kinder verlieren, wenn Clärchen uns wieder
verließe. Vater und Mutter wünſchen, daß ich
nun die Aelteſte auf eine Zeitlang ſtatt Clärchen
aufnehme. Aber ich kann es faſt nicht. Auch
wärs Schade um Clärchen: es ſteht alles bei ihr
in ſo ſchöner Blüthe. Wäre Deborah nicht ſo
ſchwach, und bedürfte des Beiſtandes im Hauſe,
ſo ſollten beide Pfarrerskinder mit einander bei
uns ſeyn. Auch Betty iſt ein ſehr bildungs-
fähiges Kind. Aber das muß nicht ſeyn. Betty
muß fürs erſte nicht von der Mutter gehen. Und
Clärchen darf in der Ausbildung nicht unter-
brochen werden. Auch iſt ſie ſchon faſt unzer-
trennlich mit uns verflochten.

(37)
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[289/0303] ich mich oft ſelbſt in meine eigene Kindheit zurück- ſehnen muß, damit ich ihr Kinderleben mit ihnen theilen und in dieſer Wechſelliebe mit ihnen le- ben möchte. Beſonders ſchön iſt das Verhältniß, ſeit Clärchen zwiſchen Jda und Mathilde ſteht. Dieſe rohe kerngeſunde Natur einigt die ſchön gebildete Natur Jda’s und die theils verwilder- te, theils verbogene in Mathilde und ſteht als Mittlerin zwiſchen beiden. Sehr viel würden un- ſere Kinder verlieren, wenn Clärchen uns wieder verließe. Vater und Mutter wünſchen, daß ich nun die Aelteſte auf eine Zeitlang ſtatt Clärchen aufnehme. Aber ich kann es faſt nicht. Auch wärs Schade um Clärchen: es ſteht alles bei ihr in ſo ſchöner Blüthe. Wäre Deborah nicht ſo ſchwach, und bedürfte des Beiſtandes im Hauſe, ſo ſollten beide Pfarrerskinder mit einander bei uns ſeyn. Auch Betty iſt ein ſehr bildungs- fähiges Kind. Aber das muß nicht ſeyn. Betty muß fürs erſte nicht von der Mutter gehen. Und Clärchen darf in der Ausbildung nicht unter- brochen werden. Auch iſt ſie ſchon faſt unzer- trennlich mit uns verflochten. (37)

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/303>, abgerufen am 29.04.2024.