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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807.

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nicht unsere geliebte Freundinnen, sondern nur
gute Bekanntinnen sind. Wie wäre auch ein Le-
ben unter lauter auserwählten Herzensfreunden
und Freundinnen nur möglich. Die meisten
Menschen, mit denen man lebt, bleiben ja nur
gute Bekannte, Nachbarn u. s. w.

Clärchen. Aber liebe Tante, da du einmal
doch von Bekanntinnen und Freundinnen ge-
sprochen, erkläre uns, was zur Freundschaft gehört,
und wo eigentlich der Unterschied zwischen Freun-
den und guten Bekannten liegt? Jch habe dar-
über schon bisweilen für mich nachgesonnen,
konnt' aber nicht ganz damit fertig werden.

Jch. Jm höchsten Sinne des Wortes gehört
zur Freundschaft sehr viel. Und wenn du mich
fragtest: ob ich in diesem vollkommensten Sinn
des Wortes hier in der Stadt eine Freundin ha-
be? so müßte ich nein sagen.

Jda. Aber Tante hat ja doch die gute Frau
von R. lieb, die im Konzert so freundlich mit
uns sprach, und uns zu Gefallen mit hinaus

nicht unſere geliebte Freundinnen, ſondern nur
gute Bekanntinnen ſind. Wie wäre auch ein Le-
ben unter lauter auserwählten Herzensfreunden
und Freundinnen nur möglich. Die meiſten
Menſchen, mit denen man lebt, bleiben ja nur
gute Bekannte, Nachbarn u. ſ. w.

Clärchen. Aber liebe Tante, da du einmal
doch von Bekanntinnen und Freundinnen ge-
ſprochen, erkläre uns, was zur Freundſchaft gehört,
und wo eigentlich der Unterſchied zwiſchen Freun-
den und guten Bekannten liegt? Jch habe dar-
über ſchon bisweilen für mich nachgeſonnen,
konnt’ aber nicht ganz damit fertig werden.

Jch. Jm höchſten Sinne des Wortes gehört
zur Freundſchaft ſehr viel. Und wenn du mich
fragteſt: ob ich in dieſem vollkommenſten Sinn
des Wortes hier in der Stadt eine Freundin ha-
be? ſo müßte ich nein ſagen.

Jda. Aber Tante hat ja doch die gute Frau
von R. lieb, die im Konzert ſo freundlich mit
uns ſprach, und uns zu Gefallen mit hinaus

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[316/0330] nicht unſere geliebte Freundinnen, ſondern nur gute Bekanntinnen ſind. Wie wäre auch ein Le- ben unter lauter auserwählten Herzensfreunden und Freundinnen nur möglich. Die meiſten Menſchen, mit denen man lebt, bleiben ja nur gute Bekannte, Nachbarn u. ſ. w. Clärchen. Aber liebe Tante, da du einmal doch von Bekanntinnen und Freundinnen ge- ſprochen, erkläre uns, was zur Freundſchaft gehört, und wo eigentlich der Unterſchied zwiſchen Freun- den und guten Bekannten liegt? Jch habe dar- über ſchon bisweilen für mich nachgeſonnen, konnt’ aber nicht ganz damit fertig werden. Jch. Jm höchſten Sinne des Wortes gehört zur Freundſchaft ſehr viel. Und wenn du mich fragteſt: ob ich in dieſem vollkommenſten Sinn des Wortes hier in der Stadt eine Freundin ha- be? ſo müßte ich nein ſagen. Jda. Aber Tante hat ja doch die gute Frau von R. lieb, die im Konzert ſo freundlich mit uns ſprach, und uns zu Gefallen mit hinaus

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 1. Heidelberg, 1807, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung01_1807/330>, abgerufen am 29.04.2024.