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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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Umgang der kleinen Republik nicht gedeihlich wäre,
so sende ich sie mit ihm ihrem Vater zurück. Ge-
lingt es mir auch mit ihr -- welch' ein neuer Ge-
winn meines Lebens! Mathildens gelingende Bil-
dung macht mir frische Hoffnung. Entschiedener
kann wohl niemand in seinem gewählten Lebens-
berufe den Ruf des Himmels empfinden, als Dei-
ne Freundin. Und je ernster ich mich ihm hin-
gebe, desto gebietender über mein ganzes Wesen
empfinde ich ihn. Wollt' ich mich ihm jetzt wie-
der entziehen, ich vermöcht' es nicht mehr -- wollt'
ich mich irgend einem neuen Geistesverkehre noch
hingeben, so würde mir das als eine Treulosig-
keit, eine Abtrünnigkeit erscheinen. Und wenn
es mir auch Hertha schwer macht; hatte ich's nicht
mit der glücklich organisirten Jda fast allzuleicht?
Wer hat es denn den Erziehern verheißen, daß
ihnen nur immer die glücklichsten Anlagen zur Ent-
wickelung übergeben werden sollen! Hertha's Freude
mit uns zu ziehen ist grenzenlos, wie überhaupt
der Jubel und der geschäftige Ungestüm des gan-
zen Völkleins unbeschreiblich ist. Was ist es in
jungen Seelen mit dieser Sehnsucht in die blaue

Umgang der kleinen Republik nicht gedeihlich wäre,
ſo ſende ich ſie mit ihm ihrem Vater zurück. Ge-
lingt es mir auch mit ihr — welch’ ein neuer Ge-
winn meines Lebens! Mathildens gelingende Bil-
dung macht mir friſche Hoffnung. Entſchiedener
kann wohl niemand in ſeinem gewählten Lebens-
berufe den Ruf des Himmels empfinden, als Dei-
ne Freundin. Und je ernſter ich mich ihm hin-
gebe, deſto gebietender über mein ganzes Weſen
empfinde ich ihn. Wollt’ ich mich ihm jetzt wie-
der entziehen, ich vermöcht’ es nicht mehr — wollt’
ich mich irgend einem neuen Geiſtesverkehre noch
hingeben, ſo würde mir das als eine Treuloſig-
keit, eine Abtrünnigkeit erſcheinen. Und wenn
es mir auch Hertha ſchwer macht; hatte ich’s nicht
mit der glücklich organiſirten Jda faſt allzuleicht?
Wer hat es denn den Erziehern verheißen, daß
ihnen nur immer die glücklichſten Anlagen zur Ent-
wickelung übergeben werden ſollen! Hertha’s Freude
mit uns zu ziehen iſt grenzenlos, wie überhaupt
der Jubel und der geſchäftige Ungeſtüm des gan-
zen Völkleins unbeſchreiblich iſt. Was iſt es in
jungen Seelen mit dieſer Sehnſucht in die blaue

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[131/0139] Umgang der kleinen Republik nicht gedeihlich wäre, ſo ſende ich ſie mit ihm ihrem Vater zurück. Ge- lingt es mir auch mit ihr — welch’ ein neuer Ge- winn meines Lebens! Mathildens gelingende Bil- dung macht mir friſche Hoffnung. Entſchiedener kann wohl niemand in ſeinem gewählten Lebens- berufe den Ruf des Himmels empfinden, als Dei- ne Freundin. Und je ernſter ich mich ihm hin- gebe, deſto gebietender über mein ganzes Weſen empfinde ich ihn. Wollt’ ich mich ihm jetzt wie- der entziehen, ich vermöcht’ es nicht mehr — wollt’ ich mich irgend einem neuen Geiſtesverkehre noch hingeben, ſo würde mir das als eine Treuloſig- keit, eine Abtrünnigkeit erſcheinen. Und wenn es mir auch Hertha ſchwer macht; hatte ich’s nicht mit der glücklich organiſirten Jda faſt allzuleicht? Wer hat es denn den Erziehern verheißen, daß ihnen nur immer die glücklichſten Anlagen zur Ent- wickelung übergeben werden ſollen! Hertha’s Freude mit uns zu ziehen iſt grenzenlos, wie überhaupt der Jubel und der geſchäftige Ungeſtüm des gan- zen Völkleins unbeſchreiblich iſt. Was iſt es in jungen Seelen mit dieſer Sehnſucht in die blaue

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/139>, abgerufen am 29.04.2024.