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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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Und nun vollends Hunde und Löwen, Fliegen und
Bären, Eidexen, Schlangen und Jungfrauen,
Helden und Spiegel und Kränze und Becher wie
in einem Quodlibet da durcheinander herzuwerfen.
Würdest Du da nicht sagen, es spuke in Hertha's
Haupte? Aber da darf etwas Närrisches nur vor
2000 Jahren erfunden seyn -- flugs ist es klug.
O wenn ich vor 2000 Jahren gelebt hätte, ich
hätte euch noch viel tolleres Zeug erdenken wol-
len -- und wenn ich dann da droben von meinem
Sterne herunter euch zuschaute, wie ihr euch so
ernsthaft plagt, alle diese schönen Sachen in den
Kopf zu bringen, o wie wollt' ich lachen. Aber
zum Unglück bin ich so spät gekommen, wenn ich
euch auch noch so lustige Bilder erfinden und dahin
pflanzen wollte, Bode nimmt sie doch nicht auf,
und ohnedem laßt ihr sie nicht gelten. Bruno
ward sehr ernsthaft und sagte: Hertha muß nicht
wieder mit uns hinausgehen, und muß diese Stunde
nicht mehr mit haben. Statt aller Antwort setzte
sie sich ihm gegenüber, und sah ihn von Zeit zu
Zeit verstohlen freundlich, ja bittend an, bis sie
endlich einen Blick von ihm erlauert, dann faßte sie



Und nun vollends Hunde und Löwen, Fliegen und
Bären, Eidexen, Schlangen und Jungfrauen,
Helden und Spiegel und Kränze und Becher wie
in einem Quodlibet da durcheinander herzuwerfen.
Würdeſt Du da nicht ſagen, es ſpuke in Hertha’s
Haupte? Aber da darf etwas Närriſches nur vor
2000 Jahren erfunden ſeyn — flugs iſt es klug.
O wenn ich vor 2000 Jahren gelebt hätte, ich
hätte euch noch viel tolleres Zeug erdenken wol-
len — und wenn ich dann da droben von meinem
Sterne herunter euch zuſchaute, wie ihr euch ſo
ernſthaft plagt, alle dieſe ſchönen Sachen in den
Kopf zu bringen, o wie wollt’ ich lachen. Aber
zum Unglück bin ich ſo ſpät gekommen, wenn ich
euch auch noch ſo luſtige Bilder erfinden und dahin
pflanzen wollte, Bode nimmt ſie doch nicht auf,
und ohnedem laßt ihr ſie nicht gelten. Bruno
ward ſehr ernſthaft und ſagte: Hertha muß nicht
wieder mit uns hinausgehen, und muß dieſe Stunde
nicht mehr mit haben. Statt aller Antwort ſetzte
ſie ſich ihm gegenüber, und ſah ihn von Zeit zu
Zeit verſtohlen freundlich, ja bittend an, bis ſie
endlich einen Blick von ihm erlauert, dann faßte ſie

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[195/0203] Und nun vollends Hunde und Löwen, Fliegen und Bären, Eidexen, Schlangen und Jungfrauen, Helden und Spiegel und Kränze und Becher wie in einem Quodlibet da durcheinander herzuwerfen. Würdeſt Du da nicht ſagen, es ſpuke in Hertha’s Haupte? Aber da darf etwas Närriſches nur vor 2000 Jahren erfunden ſeyn — flugs iſt es klug. O wenn ich vor 2000 Jahren gelebt hätte, ich hätte euch noch viel tolleres Zeug erdenken wol- len — und wenn ich dann da droben von meinem Sterne herunter euch zuſchaute, wie ihr euch ſo ernſthaft plagt, alle dieſe ſchönen Sachen in den Kopf zu bringen, o wie wollt’ ich lachen. Aber zum Unglück bin ich ſo ſpät gekommen, wenn ich euch auch noch ſo luſtige Bilder erfinden und dahin pflanzen wollte, Bode nimmt ſie doch nicht auf, und ohnedem laßt ihr ſie nicht gelten. Bruno ward ſehr ernſthaft und ſagte: Hertha muß nicht wieder mit uns hinausgehen, und muß dieſe Stunde nicht mehr mit haben. Statt aller Antwort ſetzte ſie ſich ihm gegenüber, und ſah ihn von Zeit zu Zeit verſtohlen freundlich, ja bittend an, bis ſie endlich einen Blick von ihm erlauert, dann faßte ſie

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/203>, abgerufen am 30.04.2024.