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Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807.

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griffen, nahm dem Schmerze seinen schärfsten
Stachel. Sanftweinend kleidete Jda und sehr
still und schnell die beiden andern sich an, um
bald hinunter zu kommen.

Der Arzt wollte es erst den Kindern gar nicht
gestatten, ins Krankenzimmer zu kommen, weil
Woldemar in der Nacht im Fieber unaufhörlich
mit Jda beschäftigt war, und in seinen Phanta-
sieen sie beständig rief. Er fürchtete zu gewaltsa-
me Bewegung. Doch Woldemar ließ, als er
wieder zu sich gekommen, mit Bitten nicht nach,
bis Jda und die andern ins Zimmer gelassen wur-
den. Jch hatte Jda vorher bedeutet, wie viel
von ihrer Mäßigung abhinge -- und diese Vor-
stellung vermochte mehr über sie, als ich selbst ge-
hofft hatte.

"Du bist nicht so wiedergekommen, mein Wol-
demar, als ich mir gedacht hatte; aber wir wollen
dich und den Herrn von Platov schon bald wieder
gesund pflegen." -- Jetzt wandte sie sich an den
Arzt, und bat ihn höchst naiv und zuversicht-

griffen, nahm dem Schmerze ſeinen ſchärfſten
Stachel. Sanftweinend kleidete Jda und ſehr
ſtill und ſchnell die beiden andern ſich an, um
bald hinunter zu kommen.

Der Arzt wollte es erſt den Kindern gar nicht
geſtatten, ins Krankenzimmer zu kommen, weil
Woldemar in der Nacht im Fieber unaufhörlich
mit Jda beſchäftigt war, und in ſeinen Phanta-
ſieen ſie beſtändig rief. Er fürchtete zu gewaltſa-
me Bewegung. Doch Woldemar ließ, als er
wieder zu ſich gekommen, mit Bitten nicht nach,
bis Jda und die andern ins Zimmer gelaſſen wur-
den. Jch hatte Jda vorher bedeutet, wie viel
von ihrer Mäßigung abhinge — und dieſe Vor-
ſtellung vermochte mehr über ſie, als ich ſelbſt ge-
hofft hatte.

„Du biſt nicht ſo wiedergekommen, mein Wol-
demar, als ich mir gedacht hatte; aber wir wollen
dich und den Herrn von Platov ſchon bald wieder
geſund pflegen.‟ — Jetzt wandte ſie ſich an den
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[46/0054] griffen, nahm dem Schmerze ſeinen ſchärfſten Stachel. Sanftweinend kleidete Jda und ſehr ſtill und ſchnell die beiden andern ſich an, um bald hinunter zu kommen. Der Arzt wollte es erſt den Kindern gar nicht geſtatten, ins Krankenzimmer zu kommen, weil Woldemar in der Nacht im Fieber unaufhörlich mit Jda beſchäftigt war, und in ſeinen Phanta- ſieen ſie beſtändig rief. Er fürchtete zu gewaltſa- me Bewegung. Doch Woldemar ließ, als er wieder zu ſich gekommen, mit Bitten nicht nach, bis Jda und die andern ins Zimmer gelaſſen wur- den. Jch hatte Jda vorher bedeutet, wie viel von ihrer Mäßigung abhinge — und dieſe Vor- ſtellung vermochte mehr über ſie, als ich ſelbſt ge- hofft hatte. „Du biſt nicht ſo wiedergekommen, mein Wol- demar, als ich mir gedacht hatte; aber wir wollen dich und den Herrn von Platov ſchon bald wieder geſund pflegen.‟ — Jetzt wandte ſie ſich an den Arzt, und bat ihn höchſt naiv und zuverſicht-

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Zitationshilfe: Rudolphi, Caroline Christiane Louise: Gemälde weiblicher Erziehung. Bd. 2. Heidelberg, 1807, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rudolphi_erziehung02_1807/54>, abgerufen am 27.04.2024.