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Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 1. Salzburg, 1686.

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andertes Hof-Leben/ auch erste Laster.
keine Kunst hast du gelehrnet/ außgenommen die freye
Kunst essen vnd trincken/ so gantz allgemein. So seye es/
eines fallt mir ein/ ich bin zu Hoff aufferzogen/ ich weiß
vmb die Hoffbräuch vnd Hoffbäuch; ich kenn die Hoff-
weiß/ vnd die Hoffspeiß; ich kan mich richten nach dem
Hofflust vnd Hoffgust/ ich kan vmbspringen mit den Hoff-
leuthen vnd Höfflichkeiten. Ich will es dann hertzhafft pro-
bieren/ ob ich nicht bey dem Hoff Pilati möchte vnderkom-
men/ allda die Stelle eines Hoff-Dieners zuvertretten.
Solcher Anschlag hat bald einen gewunschten Außgang
gewonnen/ vnd ist Judas Iscarioth vom Pilato gantz
willfährig in seine Hoffdienst auffgenommen worden/ in
welchen er also auff Katzen-Arth dem Pilato sich beliebt ge-
macht/ daß er ihm durch sein gwissenloses heuchlen vnd
schmeichlen das Hertz völlig eingenommen/ nach dessen
pfeiffen gedantzt/ vnd nach dessen dantzen gepfiffen/ alles
was beliebig ware geredet/ auß genommen die Warheit/
als die bey den Schmeichlern gantz frisch vnd Nagel neu/
vmbweilen sie bey ihnen gar selten gebraucht wird/ son-
der die Suppen mit Lugen pfeffern nach den Appetit ihres
Herrns/ welches allerseits höchst schädlich fallet.

Es ist einmal der gebenedeyte Herr vnd Heyland alsoJoan. 4.
matt vnd müd gewesen/ daß er in etwas zuruhen/ sich bey
einem Brunnen nidergesetzet/ vnd sehr haylsambe Reden
geführt mit der Samaritanin. Ich armer Tropff bin auch
auff ein Zeit so müd worden/ daß mir so gar die Füß das
weitere gehen vnd stehen rund haben abgeschlagen. Die
Vrsach aber meiner Mattigkeit ware/ weilen ich etwas
gesucht/ vnd nicht gefunden; sonst lautet wol das Sprich-
wort. Wer sucht/ der find. Joseph hat seine Brü-
der gesucht/ vnd hats gefunden: Joseph vnd Maria ha-
ben den zwölffjährigen JEsum gesucht/ vnd haben ihn ge-
funden: der gute Hiert hat das verlohrne Lämbl gesucht/

vnd

andertes Hof-Leben/ auch erſte Laſter.
keine Kunſt haſt du gelehrnet/ außgenommen die freye
Kunſt eſſen vnd trincken/ ſo gantz allgemein. So ſeye es/
eines fallt mir ein/ ich bin zu Hoff aufferzogen/ ich weiß
vmb die Hoffbraͤuch vnd Hoffbaͤuch; ich kenn die Hoff-
weiß/ vnd die Hoffſpeiß; ich kan mich richten nach dem
Hoffluſt vnd Hoffguſt/ ich kan vmbſpringen mit den Hoff-
leuthen vnd Hoͤfflichkeiten. Ich will es dan̄ hertzhafft pro-
bieren/ ob ich nicht bey dem Hoff Pilati moͤchte vnderkom-
men/ allda die Stelle eines Hoff-Dieners zuvertretten.
Solcher Anſchlag hat bald einen gewunſchten Außgang
gewonnen/ vnd iſt Judas Iſcarioth vom Pilato gantz
willfaͤhrig in ſeine Hoffdienſt auffgenommen worden/ in
welchen er alſo auff Katzen-Arth dem Pilato ſich beliebt ge-
macht/ daß er ihm durch ſein gwiſſenloſes heuchlen vnd
ſchmeichlen das Hertz voͤllig eingenommen/ nach deſſen
pfeiffen gedantzt/ vnd nach deſſen dantzen gepfiffen/ alles
was beliebig ware geredet/ auß genommen die Warheit/
als die bey den Schmeichlern gantz friſch vnd Nagel neu/
vmbweilen ſie bey ihnen gar ſelten gebraucht wird/ ſon-
der die Suppen mit Lugen pfeffern nach den Appetit ihres
Herꝛns/ welches allerſeits hoͤchſt ſchaͤdlich fallet.

Es iſt einmal der gebenedeyte Herꝛ vnd Heyland alſoJoan. 4.
matt vnd muͤd geweſen/ daß er in etwas zuruhen/ ſich bey
einem Brunnen nidergeſetzet/ vnd ſehr haylſambe Reden
gefuͤhrt mit der Samaritanin. Ich armer Tropff bin auch
auff ein Zeit ſo muͤd worden/ daß mir ſo gar die Fuͤß das
weitere gehen vnd ſtehen rund haben abgeſchlagen. Die
Vrſach aber meiner Mattigkeit ware/ weilen ich etwas
geſucht/ vnd nicht gefunden; ſonſt lautet wol das Sprich-
wort. Wer ſucht/ der find. Joſeph hat ſeine Bruͤ-
der geſucht/ vnd hats gefunden: Joſeph vnd Maria ha-
ben den zwoͤlffjaͤhrigen JEſum geſucht/ vnd haben ihn ge-
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[143/0179] andertes Hof-Leben/ auch erſte Laſter. keine Kunſt haſt du gelehrnet/ außgenommen die freye Kunſt eſſen vnd trincken/ ſo gantz allgemein. So ſeye es/ eines fallt mir ein/ ich bin zu Hoff aufferzogen/ ich weiß vmb die Hoffbraͤuch vnd Hoffbaͤuch; ich kenn die Hoff- weiß/ vnd die Hoffſpeiß; ich kan mich richten nach dem Hoffluſt vnd Hoffguſt/ ich kan vmbſpringen mit den Hoff- leuthen vnd Hoͤfflichkeiten. Ich will es dan̄ hertzhafft pro- bieren/ ob ich nicht bey dem Hoff Pilati moͤchte vnderkom- men/ allda die Stelle eines Hoff-Dieners zuvertretten. Solcher Anſchlag hat bald einen gewunſchten Außgang gewonnen/ vnd iſt Judas Iſcarioth vom Pilato gantz willfaͤhrig in ſeine Hoffdienſt auffgenommen worden/ in welchen er alſo auff Katzen-Arth dem Pilato ſich beliebt ge- macht/ daß er ihm durch ſein gwiſſenloſes heuchlen vnd ſchmeichlen das Hertz voͤllig eingenommen/ nach deſſen pfeiffen gedantzt/ vnd nach deſſen dantzen gepfiffen/ alles was beliebig ware geredet/ auß genommen die Warheit/ als die bey den Schmeichlern gantz friſch vnd Nagel neu/ vmbweilen ſie bey ihnen gar ſelten gebraucht wird/ ſon- der die Suppen mit Lugen pfeffern nach den Appetit ihres Herꝛns/ welches allerſeits hoͤchſt ſchaͤdlich fallet. Es iſt einmal der gebenedeyte Herꝛ vnd Heyland alſo matt vnd muͤd geweſen/ daß er in etwas zuruhen/ ſich bey einem Brunnen nidergeſetzet/ vnd ſehr haylſambe Reden gefuͤhrt mit der Samaritanin. Ich armer Tropff bin auch auff ein Zeit ſo muͤd worden/ daß mir ſo gar die Fuͤß das weitere gehen vnd ſtehen rund haben abgeſchlagen. Die Vrſach aber meiner Mattigkeit ware/ weilen ich etwas geſucht/ vnd nicht gefunden; ſonſt lautet wol das Sprich- wort. Wer ſucht/ der find. Joſeph hat ſeine Bruͤ- der geſucht/ vnd hats gefunden: Joſeph vnd Maria ha- ben den zwoͤlffjaͤhrigen JEſum geſucht/ vnd haben ihn ge- funden: der gute Hiert hat das verlohrne Laͤmbl geſucht/ vnd Joan. 4.

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Zitationshilfe: Clara, Abraham a Sancta: Judas Der Ertz-Schelm. Bd. 1. Salzburg, 1686, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santa_judas01_1686/179>, abgerufen am 29.04.2024.