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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789.

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"Und dadurch also, daß weniger Kräfte bey
ihr thätig waren, wird eine schlimme Handlung
schlimm, und so umgekehrt?"

Ganz begreiflich.

"Bey einer schlimmen Handlung wird also nur
verneinet, was bey einer guten bejahet wird?"

So ist's.

"Ich kann also nicht sagen, es gehörte ein bö¬
ses Herz dazu, diese That zu begehen, so wenig
als ich sagen kann, es gehörte ein Kind und nicht
ein Mann dazu, diesen Stein aufzuheben?"

Sehr wahr. Ich sollte vielmehr sagen, es
mußte so viel gutes Herz fehlen, um diese That zu
begehen.

"Laster ist also nur die Abwesenheit von Tu¬
gend; Thorheit die Abwesenheit von Verstand, ein
Begriff ungefähr, wie Schatten oder Stille?"

Ganz richtig.

"So wenig also, als man logisch-richtig sagen
kann, es ist Leere, Stille, Finsterniß vorhanden, so
wenig giebt es ein Laster im Menschen, und über¬
haupt also in der ganzen moralischen Welt?"

Das ist einleuchtend.

"Wenn es also kein Laster im Menschen giebt,
so ist alles, was in ihm thätig ist, Tugend, d. i.
es ist gut, eben so wie alles tönt, was nicht still ist,
alles Licht hat, was nicht im Schatten steht?"

Das folgt.

"Jede Handlung also, die der Mensch begeht,
ist also dadurch, daß es eine Handlung ist, etwas
Gutes?"

K 3
Nach

„Und dadurch alſo, daß weniger Kräfte bey
ihr thätig waren, wird eine ſchlimme Handlung
ſchlimm, und ſo umgekehrt?“

Ganz begreiflich.

„Bey einer ſchlimmen Handlung wird alſo nur
verneinet, was bey einer guten bejahet wird?“

So iſt's.

„Ich kann alſo nicht ſagen, es gehörte ein bö¬
ſes Herz dazu, dieſe That zu begehen, ſo wenig
als ich ſagen kann, es gehörte ein Kind und nicht
ein Mann dazu, dieſen Stein aufzuheben?“

Sehr wahr. Ich ſollte vielmehr ſagen, es
mußte ſo viel gutes Herz fehlen, um dieſe That zu
begehen.

„Laſter iſt alſo nur die Abweſenheit von Tu¬
gend; Thorheit die Abweſenheit von Verſtand, ein
Begriff ungefähr, wie Schatten oder Stille?“

Ganz richtig.

„So wenig alſo, als man logiſch-richtig ſagen
kann, es iſt Leere, Stille, Finſterniß vorhanden, ſo
wenig giebt es ein Laſter im Menſchen, und über¬
haupt alſo in der ganzen moraliſchen Welt?“

Das iſt einleuchtend.

„Wenn es alſo kein Laſter im Menſchen giebt,
ſo iſt alles, was in ihm thätig iſt, Tugend, d. i.
es iſt gut, eben ſo wie alles tönt, was nicht ſtill iſt,
alles Licht hat, was nicht im Schatten ſteht?“

Das folgt.

„Jede Handlung alſo, die der Menſch begeht,
iſt alſo dadurch, daß es eine Handlung iſt, etwas
Gutes?“

K 3
Nach
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[149/0157] „Und dadurch alſo, daß weniger Kräfte bey ihr thätig waren, wird eine ſchlimme Handlung ſchlimm, und ſo umgekehrt?“ Ganz begreiflich. „Bey einer ſchlimmen Handlung wird alſo nur verneinet, was bey einer guten bejahet wird?“ So iſt's. „Ich kann alſo nicht ſagen, es gehörte ein bö¬ ſes Herz dazu, dieſe That zu begehen, ſo wenig als ich ſagen kann, es gehörte ein Kind und nicht ein Mann dazu, dieſen Stein aufzuheben?“ Sehr wahr. Ich ſollte vielmehr ſagen, es mußte ſo viel gutes Herz fehlen, um dieſe That zu begehen. „Laſter iſt alſo nur die Abweſenheit von Tu¬ gend; Thorheit die Abweſenheit von Verſtand, ein Begriff ungefähr, wie Schatten oder Stille?“ Ganz richtig. „So wenig alſo, als man logiſch-richtig ſagen kann, es iſt Leere, Stille, Finſterniß vorhanden, ſo wenig giebt es ein Laſter im Menſchen, und über¬ haupt alſo in der ganzen moraliſchen Welt?“ Das iſt einleuchtend. „Wenn es alſo kein Laſter im Menſchen giebt, ſo iſt alles, was in ihm thätig iſt, Tugend, d. i. es iſt gut, eben ſo wie alles tönt, was nicht ſtill iſt, alles Licht hat, was nicht im Schatten ſteht?“ Das folgt. „Jede Handlung alſo, die der Menſch begeht, iſt alſo dadurch, daß es eine Handlung iſt, etwas Gutes?“ K 3 Nach

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Zitationshilfe: Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/157>, abgerufen am 28.04.2024.