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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

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&q;mir sicher glauben, daß ich ein so genannter natür-
&q;licher Sohn eines grossen Europaeischen Printzen
&q;bin, nachdem aber dieser mein Vater gestorben, bin
&q;ich vor nunmehro 112. Jahren durch seine hinter-
&q;lassenen Erben aus meinem Vaterlande vertrie-
&q;ben worden, und habe mich wunderlicher Weise
&q;in der Welt herum getummelt, so wohl zu Lande,
&q;als zu Wasser. Endlich nach vielen ausgestan-
&q;denen Drancksalen und Gefährlichkeiten ließ mich
&q;als einen Römisch-Catholischen Christen gelüsten,
&q;den Franciscaner Münchs-Orden anzunehmen,
&q;da es denn nachhero mein Schicksal dergestalt ge-
&q;fügt, daß ich nebst noch 2. anderen meiner Mit-
&q;Brüder in dieses Königreich Persien gerathen, all-
&q;wo wir unsern äusersten Fleiß anwendeten, die
&q;Heyden zu dem wahren GOtte der Christen zu
&q;bekehren, hergegen von der Abgötterey und son-
&q;derlich von der Anbethung des Feuers abwendig
&q;zu machen; allein, da die Heyden dieses unser Vor-
&q;haben vernahmen, thaten sie uns allen dreyen nicht
&q;allein die gröste Schmach und Schande, sondern
&q;auch zum öfftern sehr viele Marter an, und end-
&q;lich wurde unser dritter Mann von den Heyden gar
&q;zu Tode geschlagen; weßwegen wir armen erschro-
&q;ckenen zwey übrig gebliebenen Brüder uns ei-
&q;ligst auf die Flucht begaben, um, sonderlich bey
&q;damahligen schweren Krigs-Zeiten, ihren Händen
&q;zu entrinnen, da uns denn der Himmel auf dieses
&q;Gebürge führete, welches, ob es gleich von aus-
&q;sen sehr fürchterlich, wüste und wilde zu seyn schei-
&q;net, jedennoch von innen gantz angenehm und lu-
&q;stig ist. Derowegen baueten wir beyde geschwor-

&q;ne

&q;mir ſicher glauben, daß ich ein ſo genannter natuͤr-
&q;licher Sohn eines groſſen Europæiſchen Printzen
&q;bin, nachdem aber dieſer mein Vater geſtorben, bin
&q;ich vor nunmehro 112. Jahren durch ſeine hinter-
&q;laſſenen Erben aus meinem Vaterlande vertrie-
&q;ben worden, und habe mich wunderlicher Weiſe
&q;in der Welt herum getummelt, ſo wohl zu Lande,
&q;als zu Waſſer. Endlich nach vielen ausgeſtan-
&q;denen Dranckſalen und Gefaͤhrlichkeiten ließ mich
&q;als einen Roͤmiſch-Catholiſchen Chriſten geluͤſten,
&q;den Franciscaner Muͤnchs-Orden anzunehmen,
&q;da es denn nachhero mein Schickſal dergeſtalt ge-
&q;fuͤgt, daß ich nebſt noch 2. anderen meiner Mit-
&q;Bruͤder in dieſes Koͤnigreich Perſien gerathen, all-
&q;wo wir unſern aͤuſerſten Fleiß anwendeten, die
&q;Heyden zu dem wahren GOtte der Chriſten zu
&q;bekehren, hergegen von der Abgoͤtterey und ſon-
&q;derlich von der Anbethung des Feuers abwendig
&q;zu machen; allein, da die Heyden dieſes unſer Vor-
&q;haben vernahmen, thaten ſie uns allen dreyen nicht
&q;allein die groͤſte Schmach und Schande, ſondern
&q;auch zum oͤfftern ſehr viele Marter an, und end-
&q;lich wurde unſer dritter Mann von den Heyden gar
&q;zu Tode geſchlagen; weßwegen wir armen erſchro-
&q;ckenen zwey uͤbrig gebliebenen Bruͤder uns ei-
&q;ligſt auf die Flucht begaben, um, ſonderlich bey
&q;damahligen ſchweren Krigs-Zeiten, ihren Haͤnden
&q;zu entrinnen, da uns denn der Himmel auf dieſes
&q;Gebuͤrge fuͤhrete, welches, ob es gleich von auſ-
&q;ſen ſehr fuͤrchterlich, wuͤſte und wilde zu ſeyn ſchei-
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&q;ſtig iſt. Derowegen baueten wir beyde geſchwor-

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[492/0502] &q;mir ſicher glauben, daß ich ein ſo genannter natuͤr- &q;licher Sohn eines groſſen Europæiſchen Printzen &q;bin, nachdem aber dieſer mein Vater geſtorben, bin &q;ich vor nunmehro 112. Jahren durch ſeine hinter- &q;laſſenen Erben aus meinem Vaterlande vertrie- &q;ben worden, und habe mich wunderlicher Weiſe &q;in der Welt herum getummelt, ſo wohl zu Lande, &q;als zu Waſſer. Endlich nach vielen ausgeſtan- &q;denen Dranckſalen und Gefaͤhrlichkeiten ließ mich &q;als einen Roͤmiſch-Catholiſchen Chriſten geluͤſten, &q;den Franciscaner Muͤnchs-Orden anzunehmen, &q;da es denn nachhero mein Schickſal dergeſtalt ge- &q;fuͤgt, daß ich nebſt noch 2. anderen meiner Mit- &q;Bruͤder in dieſes Koͤnigreich Perſien gerathen, all- &q;wo wir unſern aͤuſerſten Fleiß anwendeten, die &q;Heyden zu dem wahren GOtte der Chriſten zu &q;bekehren, hergegen von der Abgoͤtterey und ſon- &q;derlich von der Anbethung des Feuers abwendig &q;zu machen; allein, da die Heyden dieſes unſer Vor- &q;haben vernahmen, thaten ſie uns allen dreyen nicht &q;allein die groͤſte Schmach und Schande, ſondern &q;auch zum oͤfftern ſehr viele Marter an, und end- &q;lich wurde unſer dritter Mann von den Heyden gar &q;zu Tode geſchlagen; weßwegen wir armen erſchro- &q;ckenen zwey uͤbrig gebliebenen Bruͤder uns ei- &q;ligſt auf die Flucht begaben, um, ſonderlich bey &q;damahligen ſchweren Krigs-Zeiten, ihren Haͤnden &q;zu entrinnen, da uns denn der Himmel auf dieſes &q;Gebuͤrge fuͤhrete, welches, ob es gleich von auſ- &q;ſen ſehr fuͤrchterlich, wuͤſte und wilde zu ſeyn ſchei- &q;net, jedennoch von innen gantz angenehm und lu- &q;ſtig iſt. Derowegen baueten wir beyde geſchwor- &q;ne

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/502>, abgerufen am 26.05.2024.