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Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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und während der Jagdgehülfe seine Freudenbotschaft wiederholte, ließ er selbst es sich nicht nehmen, Leonorens Sachen einzupacken und ihr obendrein von Christinens Eigenthum zu senden, was er irgend willkommen glaubte.

Als Bertram und Gertrude endlich abgefertigt und auf dem Wege zum Forsthause waren, wandte Joseph sich zu Christinen und sagte mit einem Gesichte, auf dem eine stille Resignation ausgeprägt lag:

Laß einpacken, Frau -- noch diese Nacht. Morgen in aller Frühe reisen wir!

In der That saß Joseph schon am Vormittage des folgenden Tages neben seiner jungen Frau, die noch immer sehr rothgeweinte Augen hatte, im Reisewagen. Einen Versuch, Leonoren wiederzusehen, hatte er nicht gemacht. Auch hat man niemals eine Silbe wieder von ihm gehört!

Auch der alte Baron Windschrot machte sich früh am andern Tage auf die Wanderung, mit jugendlich raschem Schritte. Er begab sich in die Wälder zum Forsthause hinauf, und sein Erscheinen bewegte Leonoren so freudig, daß sich von diesem Augenblicke an die Wendung ihres Nervenleidens zu Besserung datirte. Philibert's Mutter aber widersetzte sich dennoch dictatorisch Leonorens Abreise zu ihrer Tante. Es war, als habe die freundliche Matrone, die ihren Sohn wie ihren Augapfel liebte, durchschaut, was in dem Herzen desselben vorging, und wache besorgt über seinem Glücke.

und während der Jagdgehülfe seine Freudenbotschaft wiederholte, ließ er selbst es sich nicht nehmen, Leonorens Sachen einzupacken und ihr obendrein von Christinens Eigenthum zu senden, was er irgend willkommen glaubte.

Als Bertram und Gertrude endlich abgefertigt und auf dem Wege zum Forsthause waren, wandte Joseph sich zu Christinen und sagte mit einem Gesichte, auf dem eine stille Resignation ausgeprägt lag:

Laß einpacken, Frau — noch diese Nacht. Morgen in aller Frühe reisen wir!

In der That saß Joseph schon am Vormittage des folgenden Tages neben seiner jungen Frau, die noch immer sehr rothgeweinte Augen hatte, im Reisewagen. Einen Versuch, Leonoren wiederzusehen, hatte er nicht gemacht. Auch hat man niemals eine Silbe wieder von ihm gehört!

Auch der alte Baron Windschrot machte sich früh am andern Tage auf die Wanderung, mit jugendlich raschem Schritte. Er begab sich in die Wälder zum Forsthause hinauf, und sein Erscheinen bewegte Leonoren so freudig, daß sich von diesem Augenblicke an die Wendung ihres Nervenleidens zu Besserung datirte. Philibert's Mutter aber widersetzte sich dennoch dictatorisch Leonorens Abreise zu ihrer Tante. Es war, als habe die freundliche Matrone, die ihren Sohn wie ihren Augapfel liebte, durchschaut, was in dem Herzen desselben vorging, und wache besorgt über seinem Glücke.

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[0120] und während der Jagdgehülfe seine Freudenbotschaft wiederholte, ließ er selbst es sich nicht nehmen, Leonorens Sachen einzupacken und ihr obendrein von Christinens Eigenthum zu senden, was er irgend willkommen glaubte. Als Bertram und Gertrude endlich abgefertigt und auf dem Wege zum Forsthause waren, wandte Joseph sich zu Christinen und sagte mit einem Gesichte, auf dem eine stille Resignation ausgeprägt lag: Laß einpacken, Frau — noch diese Nacht. Morgen in aller Frühe reisen wir! In der That saß Joseph schon am Vormittage des folgenden Tages neben seiner jungen Frau, die noch immer sehr rothgeweinte Augen hatte, im Reisewagen. Einen Versuch, Leonoren wiederzusehen, hatte er nicht gemacht. Auch hat man niemals eine Silbe wieder von ihm gehört! Auch der alte Baron Windschrot machte sich früh am andern Tage auf die Wanderung, mit jugendlich raschem Schritte. Er begab sich in die Wälder zum Forsthause hinauf, und sein Erscheinen bewegte Leonoren so freudig, daß sich von diesem Augenblicke an die Wendung ihres Nervenleidens zu Besserung datirte. Philibert's Mutter aber widersetzte sich dennoch dictatorisch Leonorens Abreise zu ihrer Tante. Es war, als habe die freundliche Matrone, die ihren Sohn wie ihren Augapfel liebte, durchschaut, was in dem Herzen desselben vorging, und wache besorgt über seinem Glücke.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:53:40Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:53:40Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Schücking, Levin: Die Schwester. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 169–291. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schuecking_schwester_1910/120>, abgerufen am 29.04.2024.