Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657.Vierdtes Buch. 88. Auß dem Hohen Lied. Der König führt die Braut in Keller selbst hinein/ Daß sie jhr mag erwöhln den allerbesten Wein. So machts GOtt auch mit dir/ wann du bist seine Braut/ Er hat nichts/ in sich selbst/ daß Er dir nicht vertraut. 89. Kinder und Jungfrauen. Jch liebe nichts so sehr als Kinder und Jungfranen: Warumb? im Himmel wird kein andres sein zuschauen. 90. Die Tugend. Die Tugend spricht der weis'/ ist selbst jhr schönster Lohn: Meint er nur zeitlich hier/ so halt' ich nichts davon. 91. Die GOttliebende Einsamkeit. Du sprichst Theophilus sey meisten theils allein: Macht sich der Adler auch den Vöglichen gemein? 92. Die Tagezeiten. Jm Himmel ist der Tag/ im Abgrund ist die Nacht/ Hier ist die Demmerung: wol dem ders recht be- tracht! 93. Von Johannes dem Täuffer. Johannes aß fast nichts/ er trug ein rauhes Kleid/ Saß in der Wüsteney die gantze Lebenszeit. Er war so from: was fiel er GOtt so hart zu Fusse? Die grösten Heiligen die thun die grösie Busse. 94. Die Welt. Zu GOtt kombt man durch GOtt: zum Teufel durch die Welt: Ach daß sich doch ein Mensch zu dieser Hure hält! 95. Daß Ende krönt daß Werk. Daß Ende krönt daß Werk/ daß Lebeu ziehrt der Tod: Wie herrlich stirbt der Mensch/ der treu ist seinem Tod. 96. Von
Vierdtes Buch. 88. Auß dem Hohen Lied. Der Koͤnig fuͤhrt die Braut in Keller ſelbſt hinein/ Daß ſie jhr mag erwoͤhln den allerbeſten Wein. So machts GOtt auch mit dir/ wann du biſt ſeine Braut/ Er hat nichts/ in ſich ſelbſt/ daß Er dir nicht vertraut. 89. Kinder und Jungfrauen. Jch liebe nichts ſo ſehr als Kinder und Jungfranen: Warumb? im Him̃el wird kein andres ſein zuſchauẽ. 90. Die Tugend. Die Tugend ſpricht der weiſ’/ iſt ſelbſt jhr ſchoͤnſter Lohn: Meint er nur zeitlich hier/ ſo halt’ ich nichts davon. 91. Die GOttliebende Einſamkeit. Du ſprichſt Theophilus ſey meiſten theils allein: Macht ſich der Adler auch den Voͤglichen gemein? 92. Die Tagezeiten. Jm Himmel iſt der Tag/ im Abgrund iſt die Nacht/ Hier iſt die Demmerung: wol dem ders recht be- tracht! 93. Von Johannes dem Taͤuffer. Johannes aß faſt nichts/ er trug ein rauhes Kleid/ Saß in der Wuͤſteney die gantze Lebenszeit. Er war ſo from: was fiel er GOtt ſo hart zu Fuſſe? Die groͤſten Heiligen die thun die groͤſie Buſſe. 94. Die Welt. Zu GOtt kombt man durch GOtt: zum Teufel durch die Welt: Ach daß ſich doch ein Menſch zu dieſer Hure haͤlt! 95. Daß Ende kroͤnt daß Werk. Daß Ende kroͤnt daß Werk/ daß Lebeu ziehrt der Tod: Wie herꝛlich ſtirbt der Menſch/ der treu iſt ſeinem Tod. 96. Von
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Vierdtes Buch.
88. Auß dem Hohen Lied.
Der Koͤnig fuͤhrt die Braut in Keller ſelbſt hinein/
Daß ſie jhr mag erwoͤhln den allerbeſten Wein.
So machts GOtt auch mit dir/ wann du biſt ſeine
Braut/
Er hat nichts/ in ſich ſelbſt/ daß Er dir nicht vertraut.
89. Kinder und Jungfrauen.
Jch liebe nichts ſo ſehr als Kinder und Jungfranen:
Warumb? im Him̃el wird kein andres ſein zuſchauẽ.
90. Die Tugend.
Die Tugend ſpricht der weiſ’/ iſt ſelbſt jhr ſchoͤnſter
Lohn:
Meint er nur zeitlich hier/ ſo halt’ ich nichts davon.
91. Die GOttliebende Einſamkeit.
Du ſprichſt Theophilus ſey meiſten theils allein:
Macht ſich der Adler auch den Voͤglichen gemein?
92. Die Tagezeiten.
Jm Himmel iſt der Tag/ im Abgrund iſt die Nacht/
Hier iſt die Demmerung: wol dem ders recht be-
tracht!
93. Von Johannes dem Taͤuffer.
Johannes aß faſt nichts/ er trug ein rauhes Kleid/
Saß in der Wuͤſteney die gantze Lebenszeit.
Er war ſo from: was fiel er GOtt ſo hart zu Fuſſe?
Die groͤſten Heiligen die thun die groͤſie Buſſe.
94. Die Welt.
Zu GOtt kombt man durch GOtt: zum Teufel durch
die Welt:
Ach daß ſich doch ein Menſch zu dieſer Hure haͤlt!
95. Daß Ende kroͤnt daß Werk.
Daß Ende kroͤnt daß Werk/ daß Lebeu ziehrt der Tod:
Wie herꝛlich ſtirbt der Menſch/ der treu iſt ſeinem
Tod.
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Zitationshilfe: | Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657, S. 133[131]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_schlussrime_1657/137>, abgerufen am 01.12.2023. |