Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657.Johannis Angeli 15. Die geheime Armutt. Wer ist ein armer Mensch? der ohne Hülff und Rath Noch Creatur/ noch GOtt/ noch Leib/ noch Seele hat. 16. GOttes Sitz. Mensch bistu nicht so weit als GOttes GOttheit ist/ So wirstu nimmermehr zu seinem Sitz erkiest. 17. GOtt wäigert sich niemand. Nimm/ Trink/ soviel du wilt und kanst/ es steht dir frey: Die gantze GOttheit selbst ist deine Gasterey. 18. Die Weißheit Salomons. Wie? schätzstu Salomon den weisesten Allein? Du auch kanst Salomon und seine Weißheit seyn. 19. Daß höchste ist Stille seyn. Geschäfftig seyn ist gutt: Viel besser aber Betten: Noch besser Stumm und still für Gott den Herren tretten. 20. Daß Lebens Buch. GOtt ist deß Lebens Buch/ ich steh in Jhm geschrieben Mit seines Lammes Blutt: wie solt' Er mich nicht lieben. 21. Du solt daß Höchste seyn. Die Welt ist Eitel nichts/ die Engel sind gemein: Drumm soll ich Gott und Mensch in Christo Jesu seyn. 22. Erheb dich über dich. Der Mensch der seinen Geist nicht über sich erhebt/ Der ist nicht wehrt daß er im Menschenstande lebt. 23. Jn Christo komt man hoch. Weil mein Erlöser hat die Engel überstiegen: So kan (wo ich nur wil) auch ich sie überfliegen. 24. Der Mittelpunct. Wer jhm den Mittelpunct zum wohnhauß hat er- kiest/ Der siht mit einem Blik was in dem Umbschweif ist. 25. Dein
Johannis Angeli 15. Die geheime Armutt. Wer iſt ein armer Menſch? der ohne Huͤlff und Rath Noch Creatur/ noch GOtt/ noch Leib/ noch Seele hat. 16. GOttes Sitz. Menſch biſtu nicht ſo weit als GOttes GOttheit iſt/ So wirſtu nimmermehr zu ſeinem Sitz erkieſt. 17. GOtt waͤigert ſich niemand. Nim̃/ Trink/ ſoviel du wilt uñ kanſt/ es ſteht dir frey: Die gantze GOttheit ſelbſt iſt deine Gaſterey. 18. Die Weißheit Salomons. Wie? ſchaͤtzſtu Salomon den weiſeſten Allein? Du auch kanſt Salomon und ſeine Weißheit ſeyn. 19. Daß hoͤchſte iſt Stille ſeyn. Geſchaͤfftig ſeyn iſt gutt: Viel beſſer aber Betten: Noch beſſer Stum̃ uñ ſtill fuͤr Gott den Herren tretten. 20. Daß Lebens Buch. GOtt iſt deß Lebens Buch/ ich ſteh in Jhm geſchrieben Mit ſeines Lam̃es Blutt: wie ſolt’ Er mich nicht liebẽ. 21. Du ſolt daß Hoͤchſte ſeyn. Die Welt iſt Eitel nichts/ die Engel ſind gemein: Drum̃ ſoll ich Gott uñ Menſch in Chriſto Jeſu ſeyn. 22. Erheb dich uͤber dich. Der Menſch der ſeinen Geiſt nicht uͤber ſich erhebt/ Der iſt nicht wehrt daß er im Menſchenſtande lebt. 23. Jn Chriſto komt man hoch. Weil mein Erloͤſer hat die Engel uͤberſtiegen: So kan (wo ich nur wil) auch ich ſie uͤberfliegen. 24. Der Mittelpunct. Wer jhm den Mittelpunct zum wohnhauß hat er- kieſt/ Der ſiht mit einem Blik was in dem Umbſchweif iſt. 25. Dein
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Johannis Angeli
15. Die geheime Armutt.
Wer iſt ein armer Menſch? der ohne Huͤlff und Rath
Noch Creatur/ noch GOtt/ noch Leib/ noch Seele hat.
16. GOttes Sitz.
Menſch biſtu nicht ſo weit als GOttes GOttheit iſt/
So wirſtu nimmermehr zu ſeinem Sitz erkieſt.
17. GOtt waͤigert ſich niemand.
Nim̃/ Trink/ ſoviel du wilt uñ kanſt/ es ſteht dir frey:
Die gantze GOttheit ſelbſt iſt deine Gaſterey.
18. Die Weißheit Salomons.
Wie? ſchaͤtzſtu Salomon den weiſeſten Allein?
Du auch kanſt Salomon und ſeine Weißheit ſeyn.
19. Daß hoͤchſte iſt Stille ſeyn.
Geſchaͤfftig ſeyn iſt gutt: Viel beſſer aber Betten:
Noch beſſer Stum̃ uñ ſtill fuͤr Gott den Herren tretten.
20. Daß Lebens Buch.
GOtt iſt deß Lebens Buch/ ich ſteh in Jhm geſchrieben
Mit ſeines Lam̃es Blutt: wie ſolt’ Er mich nicht liebẽ.
21. Du ſolt daß Hoͤchſte ſeyn.
Die Welt iſt Eitel nichts/ die Engel ſind gemein:
Drum̃ ſoll ich Gott uñ Menſch in Chriſto Jeſu ſeyn.
22. Erheb dich uͤber dich.
Der Menſch der ſeinen Geiſt nicht uͤber ſich erhebt/
Der iſt nicht wehrt daß er im Menſchenſtande lebt.
23. Jn Chriſto komt man hoch.
Weil mein Erloͤſer hat die Engel uͤberſtiegen:
So kan (wo ich nur wil) auch ich ſie uͤberfliegen.
24. Der Mittelpunct.
Wer jhm den Mittelpunct zum wohnhauß hat er-
kieſt/
Der ſiht mit einem Blik was in dem Umbſchweif iſt.
25. Dein
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Zitationshilfe: | Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657, S. 60[58]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_schlussrime_1657/64>, abgerufen am 01.12.2023. |