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Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715.

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Das siebende Capitel.

Hiemit das letzte mal (wie ich sorgen muß) in dieser zeit anredende, und das
übrige alles auf die frölichere zusammenkunfft versparende (welche wie nahe o-
der ferne sie seye, ich nicht vorsehe) so verbleibe in wiederholung obigen wun-
sches in mein, meines lieben haußfrauen und kinder namen, und hertzlicher er-
lassung in die ewige liebe m. f. w.

SECTIO XL.
Eine sache Z. Wircklich sündigen. Glaubige wie
von dem rigore des gesetzes erlöset. Christliche lehrer werden
scharffer censur unterworffen. Aenderung des beicht-vaters.
Ob um eines erbaulichen predigers willen den zuhörern nicht
verboten werden kan/ die ordentliche gemeinde
nicht zu verlassen. Ob solches aus
Ebr. 10/ 25. folge.

WAs Herr Z. sache anlanget, ist mir sehr lieb, daß sie vor das Churfürstl.
consistorium gelangt, und ihm schutz zugedacht worden. Daß er kei-
ne schrifftliche antwort denjenigen gegeben hätte, die ihn fangen wolten,
wäre freylich besser gewesen, ich höre aber, es seye solches mit list von ihm
ausgelocket worden. Wegen der formul wircklich sündigen, ist seine er-
klärung gnugsam vor diejenige, so eigentlich seinen sinn warhafftig verstehen wollen,
obs wol nicht ohne ist, daß seine widrige gelegenheit darinnen bekommen, ihn zu
lästern. Der ort 1. Joh. 3, 9. mag ihn aber leicht schützen. Er erkläret sich aus-
drücklich, daß bey den gläubigen so wol die erbsünde als schwachheit-fünden an-
getroffen werden. Daß unser Heyland uns von dem fluch des gesetzes erlöset habe,
ist unwidersprechlich, daß er uns aber auch von dessen rigor in gewisser maaß befrey-
et habe, können wir auch nicht fahren lassen, nicht als wenn die verbindung an das
gesetz oder einige dessen theil aufgehöret hätte, als welche ewig bleibet, und sich so
wenig als göttlicher wille selbst ändert, sondern daß GOtt nicht nach dem rigor des
gesetzes von unsern wercken urtheilen wolle. Wo er nach dem rigor des gesetzes ur-
theilete, müste er alle der gläubigen wercke verwerffen, indem kein einiges derselben
der höchsten vollkommenheit und rigor des gesetzes gemäß ist, sondern an allen eini-
ge unvollkommenheit klebet, um dero willen es vor GOttes gericht nicht bestehen

könte,
Das ſiebende Capitel.

Hiemit das letzte mal (wie ich ſorgen muß) in dieſer zeit anredende, und das
uͤbrige alles auf die froͤlichere zuſammenkunfft verſparende (welche wie nahe o-
der ferne ſie ſeye, ich nicht vorſehe) ſo verbleibe in wiederholung obigen wun-
ſches in mein, meines lieben haußfrauen und kinder namen, und hertzlicher er-
laſſung in die ewige liebe m. f. w.

SECTIO XL.
Eine ſache Z. Wircklich ſuͤndigen. Glaubige wie
von dem rigore des geſetzes erloͤſet. Chriſtliche lehrer werden
ſcharffer cenſur unterworffen. Aenderung des beicht-vaters.
Ob um eines erbaulichen predigers willen den zuhoͤrern nicht
verboten werden kan/ die ordentliche gemeinde
nicht zu verlaſſen. Ob ſolches aus
Ebr. 10/ 25. folge.

WAs Herr Z. ſache anlanget, iſt mir ſehr lieb, daß ſie vor das Churfuͤrſtl.
conſiſtorium gelangt, und ihm ſchutz zugedacht worden. Daß er kei-
ne ſchrifftliche antwort denjenigen gegeben haͤtte, die ihn fangen wolten,
waͤre freylich beſſer geweſen, ich hoͤre aber, es ſeye ſolches mit liſt von ihm
ausgelocket worden. Wegen der formul wircklich ſuͤndigen, iſt ſeine er-
klaͤrung gnugſam vor diejenige, ſo eigentlich ſeinen ſinn warhafftig verſtehen wollen,
obs wol nicht ohne iſt, daß ſeine widrige gelegenheit darinnen bekommen, ihn zu
laͤſtern. Der ort 1. Joh. 3, 9. mag ihn aber leicht ſchuͤtzen. Er erklaͤret ſich aus-
druͤcklich, daß bey den glaͤubigen ſo wol die erbſuͤnde als ſchwachheit-fuͤnden an-
getroffen werden. Daß unſer Heyland uns von dem fluch des geſetzes erloͤſet habe,
iſt unwiderſprechlich, daß er uns aber auch von deſſen rigor in gewiſſer maaß befrey-
et habe, koͤnnen wir auch nicht fahren laſſen, nicht als wenn die verbindung an das
geſetz oder einige deſſen theil aufgehoͤret haͤtte, als welche ewig bleibet, und ſich ſo
wenig als goͤttlicher wille ſelbſt aͤndert, ſondern daß GOtt nicht nach dem rigor des
geſetzes von unſern wercken urtheilen wolle. Wo er nach dem rigor des geſetzes ur-
theilete, muͤſte er alle der glaͤubigen wercke verwerffen, indem kein einiges derſelben
der hoͤchſten vollkommenheit und rigor des geſetzes gemaͤß iſt, ſondern an allen eini-
ge unvollkommenheit klebet, um dero willen es vor GOttes gericht nicht beſtehen

koͤnte,
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[632/0644] Das ſiebende Capitel. Hiemit das letzte mal (wie ich ſorgen muß) in dieſer zeit anredende, und das uͤbrige alles auf die froͤlichere zuſammenkunfft verſparende (welche wie nahe o- der ferne ſie ſeye, ich nicht vorſehe) ſo verbleibe in wiederholung obigen wun- ſches in mein, meines lieben haußfrauen und kinder namen, und hertzlicher er- laſſung in die ewige liebe m. f. w. den 31. Jul. 1689. SECTIO XL. Eine ſache Z. Wircklich ſuͤndigen. Glaubige wie von dem rigore des geſetzes erloͤſet. Chriſtliche lehrer werden ſcharffer cenſur unterworffen. Aenderung des beicht-vaters. Ob um eines erbaulichen predigers willen den zuhoͤrern nicht verboten werden kan/ die ordentliche gemeinde nicht zu verlaſſen. Ob ſolches aus Ebr. 10/ 25. folge. WAs Herr Z. ſache anlanget, iſt mir ſehr lieb, daß ſie vor das Churfuͤrſtl. conſiſtorium gelangt, und ihm ſchutz zugedacht worden. Daß er kei- ne ſchrifftliche antwort denjenigen gegeben haͤtte, die ihn fangen wolten, waͤre freylich beſſer geweſen, ich hoͤre aber, es ſeye ſolches mit liſt von ihm ausgelocket worden. Wegen der formul wircklich ſuͤndigen, iſt ſeine er- klaͤrung gnugſam vor diejenige, ſo eigentlich ſeinen ſinn warhafftig verſtehen wollen, obs wol nicht ohne iſt, daß ſeine widrige gelegenheit darinnen bekommen, ihn zu laͤſtern. Der ort 1. Joh. 3, 9. mag ihn aber leicht ſchuͤtzen. Er erklaͤret ſich aus- druͤcklich, daß bey den glaͤubigen ſo wol die erbſuͤnde als ſchwachheit-fuͤnden an- getroffen werden. Daß unſer Heyland uns von dem fluch des geſetzes erloͤſet habe, iſt unwiderſprechlich, daß er uns aber auch von deſſen rigor in gewiſſer maaß befrey- et habe, koͤnnen wir auch nicht fahren laſſen, nicht als wenn die verbindung an das geſetz oder einige deſſen theil aufgehoͤret haͤtte, als welche ewig bleibet, und ſich ſo wenig als goͤttlicher wille ſelbſt aͤndert, ſondern daß GOtt nicht nach dem rigor des geſetzes von unſern wercken urtheilen wolle. Wo er nach dem rigor des geſetzes ur- theilete, muͤſte er alle der glaͤubigen wercke verwerffen, indem kein einiges derſelben der hoͤchſten vollkommenheit und rigor des geſetzes gemaͤß iſt, ſondern an allen eini- ge unvollkommenheit klebet, um dero willen es vor GOttes gericht nicht beſtehen koͤnte,

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Zitationshilfe: Spener, Philipp Jakob: Theologische Bedencken. Bd. 4. 3. Aufl. Halle (Saale), 1715, S. 632. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/spener_bedencken04_1702/644>, abgerufen am 30.04.2024.