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Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846.

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jetzt sind die Meisten der Ansicht, daß die ganze Geschichte lediglich eine im Pulverdampf entstandene Mähr, das Madel von Spinges ein schöner Mythus sey. - Ferner hängen in derselben Stube etliche Tafeln, welche die europäischen Trachten in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts darstellen. Sie sind aus der Versteigerung eines Herrn von Söll auf Teißegg erworben worden und geben, obwohl die Malerei sehr kunstlos, als Modejournal der damaligen Zeit viel anschauliche Belehrung.

Die Gegend von Brunecken bewahrt noch manches Andenken an die alten bojoarischen Herzoge. Es ist wenigstens mehr als wahrscheinlich, daß die Namen Dietenheim, Tesselberg, Uttenheim (villa Uttonis) mit den agilolfingischen Namen Theodo, Thassilo, Utto zusammenhängen. Auch in dem Namen Pfalzen, welcher einem auf naher Berghöhe gelegenen Dörfchen angehört, sieht man die Erinnerung an eine uralte Hofburg festgehalten. Pusterthal, das einen so gemächlichen Uebergang aus Noricum ins Herz der rhätischen Alpen darbot, war übrigens schon von den Römern mit einer Straße bedacht worden, und von ihren Niederlassungen geben die zahlreichen Alterthümer Zeugniß, die man hier aufgefunden. Denselben Weg, den die Römer gebahnt, verfolgten am Ende des sechsten Jahrhundert die Slaven und fielen verwüstend über das Thal Pustrissa her. In einer großen Schlacht auf dem Toblacher Felde (609) besiegte ein Bojoarenherzog die Andränger, und seitdem scheint für lange Zeit der Anraserbach, vier Stunden oberhalb Lienz, die Gränze der slavischen Bevölkerung gewesen zu seyn. Die Nähe des Feindes mag die bedrohten Fürsten oft in diese Gegend gezogen haben, und die freundliche, offene Gegend von Brunecken lud vielleicht zu längerem Verweilen ein - daher jene monumentalen Namen. Später, im Mittelalter, zeigt sich die Umgebung mit zahlreichem Adel besetzt und noch zur Zeit prangen alle die Dörfer der Nachbarschaft mit Schlössern und Edelsitzen. Außerdem steht noch eine Anzahl älterer Burgen auf einsamen Hügeln da und dort im Gau.

Lange nachdem Kehlburg, Lamprechtsburg, Michaelsburg

jetzt sind die Meisten der Ansicht, daß die ganze Geschichte lediglich eine im Pulverdampf entstandene Mähr, das Madel von Spinges ein schöner Mythus sey. – Ferner hängen in derselben Stube etliche Tafeln, welche die europäischen Trachten in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts darstellen. Sie sind aus der Versteigerung eines Herrn von Söll auf Teißegg erworben worden und geben, obwohl die Malerei sehr kunstlos, als Modejournal der damaligen Zeit viel anschauliche Belehrung.

Die Gegend von Brunecken bewahrt noch manches Andenken an die alten bojoarischen Herzoge. Es ist wenigstens mehr als wahrscheinlich, daß die Namen Dietenheim, Tesselberg, Uttenheim (villa Uttonis) mit den agilolfingischen Namen Theodo, Thassilo, Utto zusammenhängen. Auch in dem Namen Pfalzen, welcher einem auf naher Berghöhe gelegenen Dörfchen angehört, sieht man die Erinnerung an eine uralte Hofburg festgehalten. Pusterthal, das einen so gemächlichen Uebergang aus Noricum ins Herz der rhätischen Alpen darbot, war übrigens schon von den Römern mit einer Straße bedacht worden, und von ihren Niederlassungen geben die zahlreichen Alterthümer Zeugniß, die man hier aufgefunden. Denselben Weg, den die Römer gebahnt, verfolgten am Ende des sechsten Jahrhundert die Slaven und fielen verwüstend über das Thal Pustrissa her. In einer großen Schlacht auf dem Toblacher Felde (609) besiegte ein Bojoarenherzog die Andränger, und seitdem scheint für lange Zeit der Anraserbach, vier Stunden oberhalb Lienz, die Gränze der slavischen Bevölkerung gewesen zu seyn. Die Nähe des Feindes mag die bedrohten Fürsten oft in diese Gegend gezogen haben, und die freundliche, offene Gegend von Brunecken lud vielleicht zu längerem Verweilen ein – daher jene monumentalen Namen. Später, im Mittelalter, zeigt sich die Umgebung mit zahlreichem Adel besetzt und noch zur Zeit prangen alle die Dörfer der Nachbarschaft mit Schlössern und Edelsitzen. Außerdem steht noch eine Anzahl älterer Burgen auf einsamen Hügeln da und dort im Gau.

Lange nachdem Kehlburg, Lamprechtsburg, Michaelsburg

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[603/0607] jetzt sind die Meisten der Ansicht, daß die ganze Geschichte lediglich eine im Pulverdampf entstandene Mähr, das Madel von Spinges ein schöner Mythus sey. – Ferner hängen in derselben Stube etliche Tafeln, welche die europäischen Trachten in der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts darstellen. Sie sind aus der Versteigerung eines Herrn von Söll auf Teißegg erworben worden und geben, obwohl die Malerei sehr kunstlos, als Modejournal der damaligen Zeit viel anschauliche Belehrung. Die Gegend von Brunecken bewahrt noch manches Andenken an die alten bojoarischen Herzoge. Es ist wenigstens mehr als wahrscheinlich, daß die Namen Dietenheim, Tesselberg, Uttenheim (villa Uttonis) mit den agilolfingischen Namen Theodo, Thassilo, Utto zusammenhängen. Auch in dem Namen Pfalzen, welcher einem auf naher Berghöhe gelegenen Dörfchen angehört, sieht man die Erinnerung an eine uralte Hofburg festgehalten. Pusterthal, das einen so gemächlichen Uebergang aus Noricum ins Herz der rhätischen Alpen darbot, war übrigens schon von den Römern mit einer Straße bedacht worden, und von ihren Niederlassungen geben die zahlreichen Alterthümer Zeugniß, die man hier aufgefunden. Denselben Weg, den die Römer gebahnt, verfolgten am Ende des sechsten Jahrhundert die Slaven und fielen verwüstend über das Thal Pustrissa her. In einer großen Schlacht auf dem Toblacher Felde (609) besiegte ein Bojoarenherzog die Andränger, und seitdem scheint für lange Zeit der Anraserbach, vier Stunden oberhalb Lienz, die Gränze der slavischen Bevölkerung gewesen zu seyn. Die Nähe des Feindes mag die bedrohten Fürsten oft in diese Gegend gezogen haben, und die freundliche, offene Gegend von Brunecken lud vielleicht zu längerem Verweilen ein – daher jene monumentalen Namen. Später, im Mittelalter, zeigt sich die Umgebung mit zahlreichem Adel besetzt und noch zur Zeit prangen alle die Dörfer der Nachbarschaft mit Schlössern und Edelsitzen. Außerdem steht noch eine Anzahl älterer Burgen auf einsamen Hügeln da und dort im Gau. Lange nachdem Kehlburg, Lamprechtsburg, Michaelsburg

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Zitationshilfe: Steub, Ludwig: Drei Sommer in Tirol. München, 1846, S. 603. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steub_tirol_1846/607>, abgerufen am 15.05.2024.