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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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wußte, daß ich ihn liebe, immer inniger an mich an,
ja er schloß sich auf das Innigste und fast ausschlie߬
lich an mich. Er wohnte wie auf dem Lande so auch
in der Stadt neben mir."

"Im ersten Frühlinge fuhren wir wieder wie im
vorigen Jahre nach Heinbach. Es war wieder die
Veranstaltung getroffen, daß Mathilde Alfred und ich
in einem Wagen fuhren. Alfred saß wieder neben
mir, und schmiegte sich an mich. Mathilde saß gegen¬
über. Und so konnten wir uns zwei Tage mit den
Augen der Liebe ungehindert ansehen, und konnten mit
einander sprechen. Und wenn wir auch von gleich¬
gültigen Dingen redeten, so hörten wir doch unsere
Stimme, und in gewöhnlichen Dingen zitterte das
tiefe Herz durch. Jene zwei Tage waren die glückse¬
ligsten meines Lebens."

"Auf dem Lande begann nun wieder ein Leben,
wie es im vergangenen Jahre gewesen war. Wir
waren ungebunden, und konnten leichter unsere See¬
len tauschen. Wir waren freier in dem Zimmer der
Mutter oder in dem des Vaters, wir konnten den
Garten besuchen, wir konnten unter den Bäumen des
Rasenplazes wandeln, und wir konnten spazieren
gehen. Am liebsten wurde uns der Weinlaubengang.

wußte, daß ich ihn liebe, immer inniger an mich an,
ja er ſchloß ſich auf das Innigſte und faſt ausſchlie߬
lich an mich. Er wohnte wie auf dem Lande ſo auch
in der Stadt neben mir.“

„Im erſten Frühlinge fuhren wir wieder wie im
vorigen Jahre nach Heinbach. Es war wieder die
Veranſtaltung getroffen, daß Mathilde Alfred und ich
in einem Wagen fuhren. Alfred ſaß wieder neben
mir, und ſchmiegte ſich an mich. Mathilde ſaß gegen¬
über. Und ſo konnten wir uns zwei Tage mit den
Augen der Liebe ungehindert anſehen, und konnten mit
einander ſprechen. Und wenn wir auch von gleich¬
gültigen Dingen redeten, ſo hörten wir doch unſere
Stimme, und in gewöhnlichen Dingen zitterte das
tiefe Herz durch. Jene zwei Tage waren die glückſe¬
ligſten meines Lebens.“

„Auf dem Lande begann nun wieder ein Leben,
wie es im vergangenen Jahre geweſen war. Wir
waren ungebunden, und konnten leichter unſere See¬
len tauſchen. Wir waren freier in dem Zimmer der
Mutter oder in dem des Vaters, wir konnten den
Garten beſuchen, wir konnten unter den Bäumen des
Raſenplazes wandeln, und wir konnten ſpazieren
gehen. Am liebſten wurde uns der Weinlaubengang.

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[304/0318] wußte, daß ich ihn liebe, immer inniger an mich an, ja er ſchloß ſich auf das Innigſte und faſt ausſchlie߬ lich an mich. Er wohnte wie auf dem Lande ſo auch in der Stadt neben mir.“ „Im erſten Frühlinge fuhren wir wieder wie im vorigen Jahre nach Heinbach. Es war wieder die Veranſtaltung getroffen, daß Mathilde Alfred und ich in einem Wagen fuhren. Alfred ſaß wieder neben mir, und ſchmiegte ſich an mich. Mathilde ſaß gegen¬ über. Und ſo konnten wir uns zwei Tage mit den Augen der Liebe ungehindert anſehen, und konnten mit einander ſprechen. Und wenn wir auch von gleich¬ gültigen Dingen redeten, ſo hörten wir doch unſere Stimme, und in gewöhnlichen Dingen zitterte das tiefe Herz durch. Jene zwei Tage waren die glückſe¬ ligſten meines Lebens.“ „Auf dem Lande begann nun wieder ein Leben, wie es im vergangenen Jahre geweſen war. Wir waren ungebunden, und konnten leichter unſere See¬ len tauſchen. Wir waren freier in dem Zimmer der Mutter oder in dem des Vaters, wir konnten den Garten beſuchen, wir konnten unter den Bäumen des Raſenplazes wandeln, und wir konnten ſpazieren gehen. Am liebſten wurde uns der Weinlaubengang.

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/318>, abgerufen am 29.04.2024.