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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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der Welt und die Sterne an dem Baue des Him¬
mels.""

""Mathilde,"" sagte ich, ""was ich jezt thue, ist
unendlich schwerer, als was du verlangtest.""

""Schwer oder nicht schwer, von dem ist hier nicht
die Rede,"" antwortete sie, ""von dem, was sein muß,
ist die Rede, von dem, dessen Gegentheil ich für un¬
möglich hielt. Gustav, Gustav, Gustav, wie konntest
du das thun?""

"Sie ging einige Schritte von mir weg, kniete
gegen die Rosen, die an dem Gartenhause blüh¬
ten, gewendet in das Gras nieder, schlug die beiden
Hände zusammen, und rief unter strömenden Thrä¬
nen: ""Hört es, ihr tausend Blumen, die herabschau¬
ten, als er diese Lippen küßte, höre es du, Weinlaub,
das den flüsternden Schwur der ewigen Treue ver¬
nommen hat, ich habe ihn geliebt, wie es mit keiner
Zunge in keiner Sprache ausgesprochen werden kann.
Dieses Herz ist jung an Jahren, aber es ist reich an
Großmuth; alles, was in ihm lebte, habe ich dem
Geliebten hingegeben, es war kein Gedanke in mir
als er, das ganze künftige Leben, das noch viele Jahre
umfassen konnte, hätte ich wie einen Hauch für ihn
hingeopfert, jeden Tropfen Blut hätte ich langsam

Stifter, Nachsommer. III. 21

der Welt und die Sterne an dem Baue des Him¬
mels.““

„„Mathilde,““ ſagte ich, „„was ich jezt thue, iſt
unendlich ſchwerer, als was du verlangteſt.““

„„Schwer oder nicht ſchwer, von dem iſt hier nicht
die Rede,““ antwortete ſie, „„von dem, was ſein muß,
iſt die Rede, von dem, deſſen Gegentheil ich für un¬
möglich hielt. Guſtav, Guſtav, Guſtav, wie konnteſt
du das thun?““

„Sie ging einige Schritte von mir weg, kniete
gegen die Roſen, die an dem Gartenhauſe blüh¬
ten, gewendet in das Gras nieder, ſchlug die beiden
Hände zuſammen, und rief unter ſtrömenden Thrä¬
nen: „„Hört es, ihr tauſend Blumen, die herabſchau¬
ten, als er dieſe Lippen küßte, höre es du, Weinlaub,
das den flüſternden Schwur der ewigen Treue ver¬
nommen hat, ich habe ihn geliebt, wie es mit keiner
Zunge in keiner Sprache ausgeſprochen werden kann.
Dieſes Herz iſt jung an Jahren, aber es iſt reich an
Großmuth; alles, was in ihm lebte, habe ich dem
Geliebten hingegeben, es war kein Gedanke in mir
als er, das ganze künftige Leben, das noch viele Jahre
umfaſſen konnte, hätte ich wie einen Hauch für ihn
hingeopfert, jeden Tropfen Blut hätte ich langſam

Stifter, Nachſommer. III. 21
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[321/0335] der Welt und die Sterne an dem Baue des Him¬ mels.““ „„Mathilde,““ ſagte ich, „„was ich jezt thue, iſt unendlich ſchwerer, als was du verlangteſt.““ „„Schwer oder nicht ſchwer, von dem iſt hier nicht die Rede,““ antwortete ſie, „„von dem, was ſein muß, iſt die Rede, von dem, deſſen Gegentheil ich für un¬ möglich hielt. Guſtav, Guſtav, Guſtav, wie konnteſt du das thun?““ „Sie ging einige Schritte von mir weg, kniete gegen die Roſen, die an dem Gartenhauſe blüh¬ ten, gewendet in das Gras nieder, ſchlug die beiden Hände zuſammen, und rief unter ſtrömenden Thrä¬ nen: „„Hört es, ihr tauſend Blumen, die herabſchau¬ ten, als er dieſe Lippen küßte, höre es du, Weinlaub, das den flüſternden Schwur der ewigen Treue ver¬ nommen hat, ich habe ihn geliebt, wie es mit keiner Zunge in keiner Sprache ausgeſprochen werden kann. Dieſes Herz iſt jung an Jahren, aber es iſt reich an Großmuth; alles, was in ihm lebte, habe ich dem Geliebten hingegeben, es war kein Gedanke in mir als er, das ganze künftige Leben, das noch viele Jahre umfaſſen konnte, hätte ich wie einen Hauch für ihn hingeopfert, jeden Tropfen Blut hätte ich langſam Stifter, Nachſommer. III. 21

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/335>, abgerufen am 29.04.2024.