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Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857.

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aus den Adern fließen und jede Faser aus dem Leibe
ziehen lassen -- und ich hätte gejauchzt dazu. Ich
habe gemeint, daß er das weiß, weil ich gemeint habe,
daß er es auch thun würde. Und nun führt er mich
heraus, um mir zu sagen, was er sagte. Wären was
immer für Schmerzen von Außen gekommen, was
immer für Kämpfe Anstrengungen und Erduldungen;
ich hätte sie ertragen, aber nun er -- er -- ! Er macht
es unmöglich für alle Zeiten, daß ich ihm noch ange¬
hören kann, weil er den Zauber zerstört hat, der alles
band, den Zauber, der ein unzerreißbares Aneinan¬
derhalten in die Jahre der Zukunft und in die Ewig¬
keit malte.""

"Ich ging zu ihr hinzu, um sie empor zu heben.
Ich ergrif ihre Hand. Ihre Hand war wie Glut.
Sie stand auf, entzog mir die Hand, und ging gegen
das Gartenhaus, an dem die Rosen blühten."

""Mathilde,"" sagte ich, ""es handelt sich nicht um
den Bruch der Treue, die Treue ist nicht gebrochen
worden. Verwechsle die Dinge nicht. Wir haben
gegen die Eltern unrecht gehandelt, daß wir ihnen
verbargen, was wir gethan haben, und daß wir in
dem Verbergen beharrend geblieben sind. Sie fürch¬
ten Übles für uns. Nicht die Zerstörung unserer Ge¬

aus den Adern fließen und jede Faſer aus dem Leibe
ziehen laſſen — und ich hätte gejauchzt dazu. Ich
habe gemeint, daß er das weiß, weil ich gemeint habe,
daß er es auch thun würde. Und nun führt er mich
heraus, um mir zu ſagen, was er ſagte. Wären was
immer für Schmerzen von Außen gekommen, was
immer für Kämpfe Anſtrengungen und Erduldungen;
ich hätte ſie ertragen, aber nun er — er — ! Er macht
es unmöglich für alle Zeiten, daß ich ihm noch ange¬
hören kann, weil er den Zauber zerſtört hat, der alles
band, den Zauber, der ein unzerreißbares Aneinan¬
derhalten in die Jahre der Zukunft und in die Ewig¬
keit malte.““

„Ich ging zu ihr hinzu, um ſie empor zu heben.
Ich ergrif ihre Hand. Ihre Hand war wie Glut.
Sie ſtand auf, entzog mir die Hand, und ging gegen
das Gartenhaus, an dem die Roſen blühten.“

„„Mathilde,““ ſagte ich, „„es handelt ſich nicht um
den Bruch der Treue, die Treue iſt nicht gebrochen
worden. Verwechſle die Dinge nicht. Wir haben
gegen die Eltern unrecht gehandelt, daß wir ihnen
verbargen, was wir gethan haben, und daß wir in
dem Verbergen beharrend geblieben ſind. Sie fürch¬
ten Übles für uns. Nicht die Zerſtörung unſerer Ge¬

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[322/0336] aus den Adern fließen und jede Faſer aus dem Leibe ziehen laſſen — und ich hätte gejauchzt dazu. Ich habe gemeint, daß er das weiß, weil ich gemeint habe, daß er es auch thun würde. Und nun führt er mich heraus, um mir zu ſagen, was er ſagte. Wären was immer für Schmerzen von Außen gekommen, was immer für Kämpfe Anſtrengungen und Erduldungen; ich hätte ſie ertragen, aber nun er — er — ! Er macht es unmöglich für alle Zeiten, daß ich ihm noch ange¬ hören kann, weil er den Zauber zerſtört hat, der alles band, den Zauber, der ein unzerreißbares Aneinan¬ derhalten in die Jahre der Zukunft und in die Ewig¬ keit malte.““ „Ich ging zu ihr hinzu, um ſie empor zu heben. Ich ergrif ihre Hand. Ihre Hand war wie Glut. Sie ſtand auf, entzog mir die Hand, und ging gegen das Gartenhaus, an dem die Roſen blühten.“ „„Mathilde,““ ſagte ich, „„es handelt ſich nicht um den Bruch der Treue, die Treue iſt nicht gebrochen worden. Verwechſle die Dinge nicht. Wir haben gegen die Eltern unrecht gehandelt, daß wir ihnen verbargen, was wir gethan haben, und daß wir in dem Verbergen beharrend geblieben ſind. Sie fürch¬ ten Übles für uns. Nicht die Zerſtörung unſerer Ge¬

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Zitationshilfe: Stifter, Adalbert: Der Nachsommer. Bd. 3. Pesth, 1857, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stifter_nachsommer03_1857/336>, abgerufen am 29.04.2024.