Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Thümmel, Moritz August von]: Wilhelmine oder der vermählte Pedant. [s. l.], 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

"loser Verräther, so schrie er, wenn du
"auch -- der du einen Priester berau-
"best, den Dreyangel des Galgens, der
"Kühhaut und den glühenden Zangen ent-
"fliehst -- so wird dich doch dein böses
"Gewissen und mein Fluch verfolgen, daß,
"wenn das eiskalte Fieber deine Glieder
"zerrüttet, dir keine bittere Essenz, und kein
"Kirchengebeth helfen soll, wenn du es
"auch mit einem Gulden bezahltest. Un-
"andächtig gesprochen, wird es in der
"Atmosphäre der Kanzel zerflattern, wie
"unser Gebeth für den Römischen Kaiser
"und aller weltlichen Obrigkeit." So schrie
er und erholte sich langsam unter einer
überhangenden Eiche. Ungewiß durch die
Lügen des Räubers, ob dieses der rechte
Weg sey, überließ er sich furchtsam sei-
nem Verhängnisse: doch die tröstende Lie-
be leitete seine zweifelhaften Füße durch die
finstere Nacht glücklich in das labyrin-

thische
D 3

”loſer Verraͤther, ſo ſchrie er, wenn du
”auch — der du einen Prieſter berau-
”beſt, den Dreyangel des Galgens, der
”Kuͤhhaut und den gluͤhenden Zangen ent-
”fliehſt — ſo wird dich doch dein boͤſes
”Gewiſſen und mein Fluch verfolgen, daß,
”wenn das eiskalte Fieber deine Glieder
”zerruͤttet, dir keine bittere Eſſenz, und kein
”Kirchengebeth helfen ſoll, wenn du es
”auch mit einem Gulden bezahlteſt. Un-
”andaͤchtig geſprochen, wird es in der
”Atmoſphaͤre der Kanzel zerflattern, wie
”unſer Gebeth fuͤr den Roͤmiſchen Kaiſer
”und aller weltlichen Obrigkeit.” So ſchrie
er und erholte ſich langſam unter einer
uͤberhangenden Eiche. Ungewiß durch die
Luͤgen des Raͤubers, ob dieſes der rechte
Weg ſey, uͤberließ er ſich furchtſam ſei-
nem Verhaͤngniſſe: doch die troͤſtende Lie-
be leitete ſeine zweifelhaften Fuͤße durch die
finſtere Nacht gluͤcklich in das labyrin-

thiſche
D 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0057" n="53"/>
&#x201D;lo&#x017F;er Verra&#x0364;ther, &#x017F;o &#x017F;chrie er, wenn du<lb/>
&#x201D;auch &#x2014; der du einen Prie&#x017F;ter berau-<lb/>
&#x201D;be&#x017F;t, den Dreyangel des Galgens, der<lb/>
&#x201D;Ku&#x0364;hhaut und den glu&#x0364;henden Zangen ent-<lb/>
&#x201D;flieh&#x017F;t &#x2014; &#x017F;o wird dich doch dein bo&#x0364;&#x017F;es<lb/>
&#x201D;Gewi&#x017F;&#x017F;en und mein Fluch verfolgen, daß,<lb/>
&#x201D;wenn das eiskalte Fieber deine Glieder<lb/>
&#x201D;zerru&#x0364;ttet, dir keine bittere E&#x017F;&#x017F;enz, und kein<lb/>
&#x201D;Kirchengebeth helfen &#x017F;oll, wenn du es<lb/>
&#x201D;auch mit einem Gulden bezahlte&#x017F;t. Un-<lb/>
&#x201D;anda&#x0364;chtig ge&#x017F;prochen, wird es in der<lb/>
&#x201D;Atmo&#x017F;pha&#x0364;re der Kanzel zerflattern, wie<lb/>
&#x201D;un&#x017F;er Gebeth fu&#x0364;r den Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Kai&#x017F;er<lb/>
&#x201D;und aller weltlichen Obrigkeit.&#x201D; So &#x017F;chrie<lb/>
er und erholte &#x017F;ich lang&#x017F;am unter einer<lb/>
u&#x0364;berhangenden Eiche. Ungewiß durch die<lb/>
Lu&#x0364;gen des Ra&#x0364;ubers, ob die&#x017F;es der rechte<lb/>
Weg &#x017F;ey, u&#x0364;berließ er &#x017F;ich furcht&#x017F;am &#x017F;ei-<lb/>
nem Verha&#x0364;ngni&#x017F;&#x017F;e: doch die tro&#x0364;&#x017F;tende Lie-<lb/>
be leitete &#x017F;eine zweifelhaften Fu&#x0364;ße durch die<lb/>
fin&#x017F;tere Nacht glu&#x0364;cklich in das labyrin-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D 3</fw><fw place="bottom" type="catch">thi&#x017F;che</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0057] ”loſer Verraͤther, ſo ſchrie er, wenn du ”auch — der du einen Prieſter berau- ”beſt, den Dreyangel des Galgens, der ”Kuͤhhaut und den gluͤhenden Zangen ent- ”fliehſt — ſo wird dich doch dein boͤſes ”Gewiſſen und mein Fluch verfolgen, daß, ”wenn das eiskalte Fieber deine Glieder ”zerruͤttet, dir keine bittere Eſſenz, und kein ”Kirchengebeth helfen ſoll, wenn du es ”auch mit einem Gulden bezahlteſt. Un- ”andaͤchtig geſprochen, wird es in der ”Atmoſphaͤre der Kanzel zerflattern, wie ”unſer Gebeth fuͤr den Roͤmiſchen Kaiſer ”und aller weltlichen Obrigkeit.” So ſchrie er und erholte ſich langſam unter einer uͤberhangenden Eiche. Ungewiß durch die Luͤgen des Raͤubers, ob dieſes der rechte Weg ſey, uͤberließ er ſich furchtſam ſei- nem Verhaͤngniſſe: doch die troͤſtende Lie- be leitete ſeine zweifelhaften Fuͤße durch die finſtere Nacht gluͤcklich in das labyrin- thiſche D 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/thuemmel_wilhelmine_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/thuemmel_wilhelmine_1764/57
Zitationshilfe: [Thümmel, Moritz August von]: Wilhelmine oder der vermählte Pedant. [s. l.], 1764, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuemmel_wilhelmine_1764/57>, abgerufen am 29.04.2024.