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Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795.

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zendes, wenn man vorher die Welt gesehn und
genossen hat, man zieht sich dann einen en-
gen Kreis um die Existenz, den man immer
ganz mit Einem Blicke übersehn kann, man
lernt alles umher in seinen genausten Verhält-
nissen kennen. -- Um mich in dieser Lebensart
einzurichten, muß ich aber erst vorher ein Mäd-
chen finden, das diesen Genuß mit mir theilen
will. Ob ich sie finden werde, ist die große
Frage, denn bis itzt hab' ich noch keine kennen
lernen, bei der mir nicht jeder Gedanke an Ver-
heirathung einen Schrecken verursacht hätte.

Suche es doch so zu veranstalten, daß ich
Dich in London treffe, auch Deine Eltern wür-
den sich sehr freuen, Dich wiederzusehn. Wenn
Dich also nicht Burton's Schwester zurückhält,
so eile nach London; bist Du aber verliebt, so
will ich Dich nicht einladen, denn das hieße ei-
nen Kirchenraub begehn.

William Lovell lasse ich nun in der Gesell-
schaft Rosa's und Balders weiter reisen. Er ist
weit munterer und menschlicher als ehedem, er
fängt etwas mehr an, aus den unnatürlichen
Regionen der Phantasie heraus zu treten und
sich zu den Menschen herabzulassen, ich hoffe

zendes, wenn man vorher die Welt geſehn und
genoſſen hat, man zieht ſich dann einen en-
gen Kreis um die Exiſtenz, den man immer
ganz mit Einem Blicke uͤberſehn kann, man
lernt alles umher in ſeinen genauſten Verhaͤlt-
niſſen kennen. — Um mich in dieſer Lebensart
einzurichten, muß ich aber erſt vorher ein Maͤd-
chen finden, das dieſen Genuß mit mir theilen
will. Ob ich ſie finden werde, iſt die große
Frage, denn bis itzt hab’ ich noch keine kennen
lernen, bei der mir nicht jeder Gedanke an Ver-
heirathung einen Schrecken verurſacht haͤtte.

Suche es doch ſo zu veranſtalten, daß ich
Dich in London treffe, auch Deine Eltern wuͤr-
den ſich ſehr freuen, Dich wiederzuſehn. Wenn
Dich alſo nicht Burton’s Schweſter zuruͤckhaͤlt,
ſo eile nach London; biſt Du aber verliebt, ſo
will ich Dich nicht einladen, denn das hieße ei-
nen Kirchenraub begehn.

William Lovell laſſe ich nun in der Geſell-
ſchaft Roſa’s und Balders weiter reiſen. Er iſt
weit munterer und menſchlicher als ehedem, er
faͤngt etwas mehr an, aus den unnatuͤrlichen
Regionen der Phantaſie heraus zu treten und
ſich zu den Menſchen herabzulaſſen, ich hoffe

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[188[186]/0196] zendes, wenn man vorher die Welt geſehn und genoſſen hat, man zieht ſich dann einen en- gen Kreis um die Exiſtenz, den man immer ganz mit Einem Blicke uͤberſehn kann, man lernt alles umher in ſeinen genauſten Verhaͤlt- niſſen kennen. — Um mich in dieſer Lebensart einzurichten, muß ich aber erſt vorher ein Maͤd- chen finden, das dieſen Genuß mit mir theilen will. Ob ich ſie finden werde, iſt die große Frage, denn bis itzt hab’ ich noch keine kennen lernen, bei der mir nicht jeder Gedanke an Ver- heirathung einen Schrecken verurſacht haͤtte. Suche es doch ſo zu veranſtalten, daß ich Dich in London treffe, auch Deine Eltern wuͤr- den ſich ſehr freuen, Dich wiederzuſehn. Wenn Dich alſo nicht Burton’s Schweſter zuruͤckhaͤlt, ſo eile nach London; biſt Du aber verliebt, ſo will ich Dich nicht einladen, denn das hieße ei- nen Kirchenraub begehn. William Lovell laſſe ich nun in der Geſell- ſchaft Roſa’s und Balders weiter reiſen. Er iſt weit munterer und menſchlicher als ehedem, er faͤngt etwas mehr an, aus den unnatuͤrlichen Regionen der Phantaſie heraus zu treten und ſich zu den Menſchen herabzulaſſen, ich hoffe

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 1. Berlin u. a., 1795, S. 188[186]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell01_1795/196>, abgerufen am 26.04.2024.