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Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.

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Sieg des Liebesgottes
Ein schimmerndes Gewand, das alle Farben strahlt,
Die frischgefallner Thau auf bunte Wiesen mahlt.
Er liebt Geräusch und Putz, und seine Locken wallen,
Die, düftend von Jesmin, unaufgebunden fallen.
Es flammt sein güldner Schild, auf dem in voller Pracht
Die Rose buhlerisch zehn Schmetterlingen lacht.
Nun hieng sein süsser Mund am Ohre seiner Schönen,
Ward bloß von ihr gehört und sprach mit sanften Tönen:
Sieh, Schönste, deinen Sieg! der Stutzer Auge starrt;
Und keine Schönheit gilt in deiner Gegenwart.
Dein Joch komm' heute noch auf alle diese Seelen!
Kann doch selbst Selimor sein Feuer nicht verhehlen.
Er liegt vor dir, besiegt, der allzeit Sieger war:
Und sieh, welch glänzend Kleid! wie lockigt ist sein Haar!
Dorante muß indeß nicht ganz versäumet werden:
Mit gleicher Ehrfurcht liebt kein Sterblicher auf Erden.
Sein edles Herz erzwingt den Beyfall aller Welt;
Er werde hochgeschätzt; doch Selimor gefällt.
Erhalte sie durch Huld; erkläre dich für keinen:
So sind sie beede dein; doch du verlierest Einen,
Wann dein erweichtes Herz dem andern sich ergiebt,
Und bürgerlich nur ihn mit kalter Treue liebt.
Verfolge deinen Sieg, erhitze die Begierden
Durch unbemerkte Kunst und schlau verrathne Zierden.
Ruht ein so schöner Arm, durch Brabants Fleiß verhüllt?
Er zeige sich entblößt und weis auf iedes Bild!
Vortrefflich! sieh umher! der Stutzer Wangen glühen.
Der Schönen Auge will verächtlich vor dir fliehen:

Doch

Sieg des Liebesgottes
Ein ſchimmerndes Gewand, das alle Farben ſtrahlt,
Die friſchgefallner Thau auf bunte Wieſen mahlt.
Er liebt Geraͤuſch und Putz, und ſeine Locken wallen,
Die, duͤftend von Jeſmin, unaufgebunden fallen.
Es flammt ſein guͤldner Schild, auf dem in voller Pracht
Die Roſe buhleriſch zehn Schmetterlingen lacht.
Nun hieng ſein ſuͤſſer Mund am Ohre ſeiner Schoͤnen,
Ward bloß von ihr gehoͤrt und ſprach mit ſanften Toͤnen:
Sieh, Schoͤnſte, deinen Sieg! der Stutzer Auge ſtarrt;
Und keine Schoͤnheit gilt in deiner Gegenwart.
Dein Joch komm’ heute noch auf alle dieſe Seelen!
Kann doch ſelbſt Selimor ſein Feuer nicht verhehlen.
Er liegt vor dir, beſiegt, der allzeit Sieger war:
Und ſieh, welch glaͤnzend Kleid! wie lockigt iſt ſein Haar!
Dorante muß indeß nicht ganz verſaͤumet werden:
Mit gleicher Ehrfurcht liebt kein Sterblicher auf Erden.
Sein edles Herz erzwingt den Beyfall aller Welt;
Er werde hochgeſchaͤtzt; doch Selimor gefaͤllt.
Erhalte ſie durch Huld; erklaͤre dich fuͤr keinen:
So ſind ſie beede dein; doch du verliereſt Einen,
Wann dein erweichtes Herz dem andern ſich ergiebt,
Und buͤrgerlich nur ihn mit kalter Treue liebt.
Verfolge deinen Sieg, erhitze die Begierden
Durch unbemerkte Kunſt und ſchlau verrathne Zierden.
Ruht ein ſo ſchoͤner Arm, durch Brabants Fleiß verhuͤllt?
Er zeige ſich entbloͤßt und weis auf iedes Bild!
Vortrefflich! ſieh umher! der Stutzer Wangen gluͤhen.
Der Schoͤnen Auge will veraͤchtlich vor dir fliehen:

Doch
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[178/0192] Sieg des Liebesgottes Ein ſchimmerndes Gewand, das alle Farben ſtrahlt, Die friſchgefallner Thau auf bunte Wieſen mahlt. Er liebt Geraͤuſch und Putz, und ſeine Locken wallen, Die, duͤftend von Jeſmin, unaufgebunden fallen. Es flammt ſein guͤldner Schild, auf dem in voller Pracht Die Roſe buhleriſch zehn Schmetterlingen lacht. Nun hieng ſein ſuͤſſer Mund am Ohre ſeiner Schoͤnen, Ward bloß von ihr gehoͤrt und ſprach mit ſanften Toͤnen: Sieh, Schoͤnſte, deinen Sieg! der Stutzer Auge ſtarrt; Und keine Schoͤnheit gilt in deiner Gegenwart. Dein Joch komm’ heute noch auf alle dieſe Seelen! Kann doch ſelbſt Selimor ſein Feuer nicht verhehlen. Er liegt vor dir, beſiegt, der allzeit Sieger war: Und ſieh, welch glaͤnzend Kleid! wie lockigt iſt ſein Haar! Dorante muß indeß nicht ganz verſaͤumet werden: Mit gleicher Ehrfurcht liebt kein Sterblicher auf Erden. Sein edles Herz erzwingt den Beyfall aller Welt; Er werde hochgeſchaͤtzt; doch Selimor gefaͤllt. Erhalte ſie durch Huld; erklaͤre dich fuͤr keinen: So ſind ſie beede dein; doch du verliereſt Einen, Wann dein erweichtes Herz dem andern ſich ergiebt, Und buͤrgerlich nur ihn mit kalter Treue liebt. Verfolge deinen Sieg, erhitze die Begierden Durch unbemerkte Kunſt und ſchlau verrathne Zierden. Ruht ein ſo ſchoͤner Arm, durch Brabants Fleiß verhuͤllt? Er zeige ſich entbloͤßt und weis auf iedes Bild! Vortrefflich! ſieh umher! der Stutzer Wangen gluͤhen. Der Schoͤnen Auge will veraͤchtlich vor dir fliehen: Doch

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Zitationshilfe: Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/192>, abgerufen am 15.05.2024.