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Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Von vielen Seiten, aus einem weiten Kreise edler Freunde
und trauter Bekannten, werde ich dringend aufgefordert, ihrem
treuen und beeiferten Antheil einige Nachrichten über die letz-
ten Zeiten der geliebten Freundin zu geben, und auch vielfach
wird von Nahen und Entfernten der lebhafte Wunsch ausge-
sprochen, dieser Gabe zugleich eine Auswahl denkwürdiger
Zeugnisse von der Geistes- und Sinnesart hinzuzufügen, durch
welche die Dahingeschiedene ihnen so bedeutend und werth
geworden.

Zur Erfüllung beider Wünsche drängt mich das eigne
Herz, wiewohl ich vorausempfinde, daß ich diesem am wenig-
sten werde genügen können. Da, wo ein Lebensglück erlo-
schen ist, ein würdiges Andenken aufzurichten, bedarf es andrer
Stimmungen und Kräfte, als mir jetzt vergönnt sind.

Indeß will ich gern auch das, was der Augenblick er-
laubt, dem freundlichen Verlangen entgegenbringen. Es wird
noch immer eine reiche Darbietung sein, wenngleich sie mir
in Verhältniß zu dem, was zu sagen und zu geben wäre,
arm erscheint. Aus einem unendlichen Vorrath von Briefen,
Tagebüchern, Denkblättern und Aufzeichnungen aller Art, die
ich von Rahels Hand besitze, will ich einige Proben liefern,
die zwar kein Ganzes sein können, aber doch auf ein solches
hindeuten. Man wird aus ihnen wenigstens ermessen, was
in dieser Art einem künftigen Zeitpunkt einst vollständiger auf-
zuschließen vorbehalten bleibt. Eben so viel und vielleicht
mehr noch, als ich besitze, liegt in der Welt weit umher zer-
streut, welches ich möglichst einzusammeln, oder doch sorgfäl-
tiger Aufbewahrung zu empfehlen wünsche!


Von vielen Seiten, aus einem weiten Kreiſe edler Freunde
und trauter Bekannten, werde ich dringend aufgefordert, ihrem
treuen und beeiferten Antheil einige Nachrichten über die letz-
ten Zeiten der geliebten Freundin zu geben, und auch vielfach
wird von Nahen und Entfernten der lebhafte Wunſch ausge-
ſprochen, dieſer Gabe zugleich eine Auswahl denkwürdiger
Zeugniſſe von der Geiſtes- und Sinnesart hinzuzufügen, durch
welche die Dahingeſchiedene ihnen ſo bedeutend und werth
geworden.

Zur Erfüllung beider Wünſche drängt mich das eigne
Herz, wiewohl ich vorausempfinde, daß ich dieſem am wenig-
ſten werde genügen können. Da, wo ein Lebensglück erlo-
ſchen iſt, ein würdiges Andenken aufzurichten, bedarf es andrer
Stimmungen und Kräfte, als mir jetzt vergönnt ſind.

Indeß will ich gern auch das, was der Augenblick er-
laubt, dem freundlichen Verlangen entgegenbringen. Es wird
noch immer eine reiche Darbietung ſein, wenngleich ſie mir
in Verhältniß zu dem, was zu ſagen und zu geben wäre,
arm erſcheint. Aus einem unendlichen Vorrath von Briefen,
Tagebüchern, Denkblättern und Aufzeichnungen aller Art, die
ich von Rahels Hand beſitze, will ich einige Proben liefern,
die zwar kein Ganzes ſein können, aber doch auf ein ſolches
hindeuten. Man wird aus ihnen wenigſtens ermeſſen, was
in dieſer Art einem künftigen Zeitpunkt einſt vollſtändiger auf-
zuſchließen vorbehalten bleibt. Eben ſo viel und vielleicht
mehr noch, als ich beſitze, liegt in der Welt weit umher zer-
ſtreut, welches ich möglichſt einzuſammeln, oder doch ſorgfäl-
tiger Aufbewahrung zu empfehlen wünſche!


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[2/0016] Von vielen Seiten, aus einem weiten Kreiſe edler Freunde und trauter Bekannten, werde ich dringend aufgefordert, ihrem treuen und beeiferten Antheil einige Nachrichten über die letz- ten Zeiten der geliebten Freundin zu geben, und auch vielfach wird von Nahen und Entfernten der lebhafte Wunſch ausge- ſprochen, dieſer Gabe zugleich eine Auswahl denkwürdiger Zeugniſſe von der Geiſtes- und Sinnesart hinzuzufügen, durch welche die Dahingeſchiedene ihnen ſo bedeutend und werth geworden. Zur Erfüllung beider Wünſche drängt mich das eigne Herz, wiewohl ich vorausempfinde, daß ich dieſem am wenig- ſten werde genügen können. Da, wo ein Lebensglück erlo- ſchen iſt, ein würdiges Andenken aufzurichten, bedarf es andrer Stimmungen und Kräfte, als mir jetzt vergönnt ſind. Indeß will ich gern auch das, was der Augenblick er- laubt, dem freundlichen Verlangen entgegenbringen. Es wird noch immer eine reiche Darbietung ſein, wenngleich ſie mir in Verhältniß zu dem, was zu ſagen und zu geben wäre, arm erſcheint. Aus einem unendlichen Vorrath von Briefen, Tagebüchern, Denkblättern und Aufzeichnungen aller Art, die ich von Rahels Hand beſitze, will ich einige Proben liefern, die zwar kein Ganzes ſein können, aber doch auf ein ſolches hindeuten. Man wird aus ihnen wenigſtens ermeſſen, was in dieſer Art einem künftigen Zeitpunkt einſt vollſtändiger auf- zuſchließen vorbehalten bleibt. Eben ſo viel und vielleicht mehr noch, als ich beſitze, liegt in der Welt weit umher zer- ſtreut, welches ich möglichſt einzuſammeln, oder doch ſorgfäl- tiger Aufbewahrung zu empfehlen wünſche!

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Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel01_1834/16>, abgerufen am 26.04.2024.