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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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ten über Eigenthum, bei denen kein böser Wille,
sondern Zweifel zum Grunde lag, geschlichtet.
Doch nicht, wie vormals, hält sich die Gerech¬
tigkeit verborgen. Oeffentlich im Tempel, vor
der Menge Augen, übt sie ihr wohlthätig Amt.
Auch predigen die Richter dem versammelten
Volke, erklären das Gesetz, beweisen sein Heil,
schärfen seine Würde, und zeigen vorzüglich den
Unverstand aller gesetzwidrigen Handlungen, wo¬
durch denn der erregte Ehrgeitz guter Vernunft,
auch ein Sporn zur Tugend wird. Entsteht eine
Klage über Gewaltthätigkeit -- die letzten Jahre
zählten sie sparsam -- so dingt derjenige, wel¬
cher die Beschwerde zu führen hat, einen Ma¬
ler, der die kränkende Handlung nach der Natur
darzustellen hat. Das Gemälde wird vor den
Richtern hingehangen, und spricht zu ihrer Em¬
pfindung. So braucht es der Anwalde Bered¬
samkeit nicht. Doch, der Recht verwaltenden
Priester Amt nicht freudelos zu machen, ist ih¬
nen auch die schönere Obliegenheit geworden,
Lohn für edle That zu spenden. Sie rufen den
Bürger vor ihren Stuhl, den eine nützliche Ent¬
deckung verdient machte, der irgend etwas er¬
fand, wovon die Gesammtheit Vortheile ziehen

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ten uͤber Eigenthum, bei denen kein boͤſer Wille,
ſondern Zweifel zum Grunde lag, geſchlichtet.
Doch nicht, wie vormals, haͤlt ſich die Gerech¬
tigkeit verborgen. Oeffentlich im Tempel, vor
der Menge Augen, uͤbt ſie ihr wohlthaͤtig Amt.
Auch predigen die Richter dem verſammelten
Volke, erklaͤren das Geſetz, beweiſen ſein Heil,
ſchaͤrfen ſeine Wuͤrde, und zeigen vorzuͤglich den
Unverſtand aller geſetzwidrigen Handlungen, wo¬
durch denn der erregte Ehrgeitz guter Vernunft,
auch ein Sporn zur Tugend wird. Entſteht eine
Klage uͤber Gewaltthaͤtigkeit — die letzten Jahre
zaͤhlten ſie ſparſam — ſo dingt derjenige, wel¬
cher die Beſchwerde zu fuͤhren hat, einen Ma¬
ler, der die kraͤnkende Handlung nach der Natur
darzuſtellen hat. Das Gemaͤlde wird vor den
Richtern hingehangen, und ſpricht zu ihrer Em¬
pfindung. So braucht es der Anwalde Bered¬
ſamkeit nicht. Doch, der Recht verwaltenden
Prieſter Amt nicht freudelos zu machen, iſt ih¬
nen auch die ſchoͤnere Obliegenheit geworden,
Lohn fuͤr edle That zu ſpenden. Sie rufen den
Buͤrger vor ihren Stuhl, den eine nuͤtzliche Ent¬
deckung verdient machte, der irgend etwas er¬
fand, wovon die Geſammtheit Vortheile ziehen

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[193/0205] ten uͤber Eigenthum, bei denen kein boͤſer Wille, ſondern Zweifel zum Grunde lag, geſchlichtet. Doch nicht, wie vormals, haͤlt ſich die Gerech¬ tigkeit verborgen. Oeffentlich im Tempel, vor der Menge Augen, uͤbt ſie ihr wohlthaͤtig Amt. Auch predigen die Richter dem verſammelten Volke, erklaͤren das Geſetz, beweiſen ſein Heil, ſchaͤrfen ſeine Wuͤrde, und zeigen vorzuͤglich den Unverſtand aller geſetzwidrigen Handlungen, wo¬ durch denn der erregte Ehrgeitz guter Vernunft, auch ein Sporn zur Tugend wird. Entſteht eine Klage uͤber Gewaltthaͤtigkeit — die letzten Jahre zaͤhlten ſie ſparſam — ſo dingt derjenige, wel¬ cher die Beſchwerde zu fuͤhren hat, einen Ma¬ ler, der die kraͤnkende Handlung nach der Natur darzuſtellen hat. Das Gemaͤlde wird vor den Richtern hingehangen, und ſpricht zu ihrer Em¬ pfindung. So braucht es der Anwalde Bered¬ ſamkeit nicht. Doch, der Recht verwaltenden Prieſter Amt nicht freudelos zu machen, iſt ih¬ nen auch die ſchoͤnere Obliegenheit geworden, Lohn fuͤr edle That zu ſpenden. Sie rufen den Buͤrger vor ihren Stuhl, den eine nuͤtzliche Ent¬ deckung verdient machte, der irgend etwas er¬ fand, wovon die Geſammtheit Vortheile ziehen N

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/205>, abgerufen am 26.04.2024.