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Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810.

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Ini saß eben im Garten und rührte die
Zephirharmonika. Es war dies ein Instrument,
mit vielen langen Harfensaiten bespannt, die
hoch in die Luft reichten. Zu jedem Ton ge¬
hörten hundert gleich gestimmte Saiten, hinter¬
einander an wiederhallende Laden gefügt und
vorne mit einer Blende versehn. Unten befand
sich ein Tastenwerk, wodurch jedesmal, nachdem
man schwache oder starke Töne hervorrufen wollte,
die Blende, weniger oder mehr entfernt ward.
Nun berührten die aufgefangenen Luftströme die
Saiten und man vernahm jene reizende ätherische
Schwingungen, welche früherhin schon an den
sogenannten Aeolsharfen bezauberten, nur daß
damals noch Niemand Herr der Melodien zu
werden verstand.

Guido trat in das Gartenthor, leicht aus
Porphir gearbeitet, und nahm seinen Weg durch
einen, von hohen blühenden Rosensträuchen be¬
schatteten, Gang, an dessen Ende die Zephirhar¬
monika auf einem frei emporragenden, nur mit
niedrigen Lilien und Anemonen bepflanzten
Hügel stand. Die Töne wehten ihm her durch
die balsamhauchende Abendluft, ehe er noch das
Instrument sah. Er wähnte, sie stiegen von

B

Ini ſaß eben im Garten und ruͤhrte die
Zephirharmonika. Es war dies ein Inſtrument,
mit vielen langen Harfenſaiten beſpannt, die
hoch in die Luft reichten. Zu jedem Ton ge¬
hoͤrten hundert gleich geſtimmte Saiten, hinter¬
einander an wiederhallende Laden gefuͤgt und
vorne mit einer Blende verſehn. Unten befand
ſich ein Taſtenwerk, wodurch jedesmal, nachdem
man ſchwache oder ſtarke Toͤne hervorrufen wollte,
die Blende, weniger oder mehr entfernt ward.
Nun beruͤhrten die aufgefangenen Luftſtroͤme die
Saiten und man vernahm jene reizende aͤtheriſche
Schwingungen, welche fruͤherhin ſchon an den
ſogenannten Aeolsharfen bezauberten, nur daß
damals noch Niemand Herr der Melodien zu
werden verſtand.

Guido trat in das Gartenthor, leicht aus
Porphir gearbeitet, und nahm ſeinen Weg durch
einen, von hohen bluͤhenden Roſenſtraͤuchen be¬
ſchatteten, Gang, an deſſen Ende die Zephirhar¬
monika auf einem frei emporragenden, nur mit
niedrigen Lilien und Anemonen bepflanzten
Huͤgel ſtand. Die Toͤne wehten ihm her durch
die balſamhauchende Abendluft, ehe er noch das
Inſtrument ſah. Er waͤhnte, ſie ſtiegen von

B
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[17/0029] Ini ſaß eben im Garten und ruͤhrte die Zephirharmonika. Es war dies ein Inſtrument, mit vielen langen Harfenſaiten beſpannt, die hoch in die Luft reichten. Zu jedem Ton ge¬ hoͤrten hundert gleich geſtimmte Saiten, hinter¬ einander an wiederhallende Laden gefuͤgt und vorne mit einer Blende verſehn. Unten befand ſich ein Taſtenwerk, wodurch jedesmal, nachdem man ſchwache oder ſtarke Toͤne hervorrufen wollte, die Blende, weniger oder mehr entfernt ward. Nun beruͤhrten die aufgefangenen Luftſtroͤme die Saiten und man vernahm jene reizende aͤtheriſche Schwingungen, welche fruͤherhin ſchon an den ſogenannten Aeolsharfen bezauberten, nur daß damals noch Niemand Herr der Melodien zu werden verſtand. Guido trat in das Gartenthor, leicht aus Porphir gearbeitet, und nahm ſeinen Weg durch einen, von hohen bluͤhenden Roſenſtraͤuchen be¬ ſchatteten, Gang, an deſſen Ende die Zephirhar¬ monika auf einem frei emporragenden, nur mit niedrigen Lilien und Anemonen bepflanzten Huͤgel ſtand. Die Toͤne wehten ihm her durch die balſamhauchende Abendluft, ehe er noch das Inſtrument ſah. Er waͤhnte, ſie ſtiegen von B

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Zitationshilfe: Voß, Julius von: Ini. Ein Roman aus dem ein und zwanzigsten Jahrhundert. Berlin, 1810, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_ini_1810/29>, abgerufen am 25.04.2024.