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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823.

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Wir werden schweben in deinem Morgenroth,
o Gott, und uns baden in seinen wallenden Wo-
gen, wie milchweiße Schwäne, auf- und untertau-
chen in den glühenden Wellen voll Licht und Wär-
me! dahin fliegen durch's All, Arm in Arm, zwey
selige Geister. Unsere Häupter umwallt die ewige
Schöne Gottes, auf unserer Stirne schwebt der
große Gedanke der unsterblichen Schöpfung; unser
Aug' ist die göttliche Kraft des hellen befreyten
Geistes, der das Wesen durchdringt seines lieben-
den Gottes! auf unsern Wangen bebt die Liebe des
Allerhalters, die er kund thut dem Menschen in al-
len Sonnen und Monden, Erden und Milchstraß-
en, in jedem saftigen Kraut, jedem stüsternden
Blatte, jedem freundlichen Sonnenblick: unsere
Brust schwellet die Wonne der Unsterblichkeit, un-
sers freyen, göttlichen Wirkens und Webens in
Gott: in ihr drängt sich zusammen die ganze über-
schwängliche Fülle des Guten und Schönen, das
im Weltall keimet und reifet ..!

Schon fühl' ich mich freyer, schaue die Bahn,
auf der ich wandle zum Schöpfer, wandle so
schnell, wie der Gedanke, entgegen der ewigen
Wonne, dem ewigen reineren Seyn, entgegen der
heranwallenden Schöne Gottes.

Wir werden ſchweben in deinem Morgenroth,
o Gott, und uns baden in ſeinen wallenden Wo-
gen, wie milchweiße Schwaͤne, auf- und untertau-
chen in den gluͤhenden Wellen voll Licht und Waͤr-
me! dahin fliegen durch’s All, Arm in Arm, zwey
ſelige Geiſter. Unſere Haͤupter umwallt die ewige
Schoͤne Gottes, auf unſerer Stirne ſchwebt der
große Gedanke der unſterblichen Schoͤpfung; unſer
Aug’ iſt die goͤttliche Kraft des hellen befreyten
Geiſtes, der das Weſen durchdringt ſeines lieben-
den Gottes! auf unſern Wangen bebt die Liebe des
Allerhalters, die er kund thut dem Menſchen in al-
len Sonnen und Monden, Erden und Milchſtraß-
en, in jedem ſaftigen Kraut, jedem ſtuͤſternden
Blatte, jedem freundlichen Sonnenblick: unſere
Bruſt ſchwellet die Wonne der Unſterblichkeit, un-
ſers freyen, goͤttlichen Wirkens und Webens in
Gott: in ihr draͤngt ſich zuſammen die ganze uͤber-
ſchwaͤngliche Fuͤlle des Guten und Schoͤnen, das
im Weltall keimet und reifet ..!

Schon fuͤhl’ ich mich freyer, ſchaue die Bahn,
auf der ich wandle zum Schoͤpfer, wandle ſo
ſchnell, wie der Gedanke, entgegen der ewigen
Wonne, dem ewigen reineren Seyn, entgegen der
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[139/0139] Wir werden ſchweben in deinem Morgenroth, o Gott, und uns baden in ſeinen wallenden Wo- gen, wie milchweiße Schwaͤne, auf- und untertau- chen in den gluͤhenden Wellen voll Licht und Waͤr- me! dahin fliegen durch’s All, Arm in Arm, zwey ſelige Geiſter. Unſere Haͤupter umwallt die ewige Schoͤne Gottes, auf unſerer Stirne ſchwebt der große Gedanke der unſterblichen Schoͤpfung; unſer Aug’ iſt die goͤttliche Kraft des hellen befreyten Geiſtes, der das Weſen durchdringt ſeines lieben- den Gottes! auf unſern Wangen bebt die Liebe des Allerhalters, die er kund thut dem Menſchen in al- len Sonnen und Monden, Erden und Milchſtraß- en, in jedem ſaftigen Kraut, jedem ſtuͤſternden Blatte, jedem freundlichen Sonnenblick: unſere Bruſt ſchwellet die Wonne der Unſterblichkeit, un- ſers freyen, goͤttlichen Wirkens und Webens in Gott: in ihr draͤngt ſich zuſammen die ganze uͤber- ſchwaͤngliche Fuͤlle des Guten und Schoͤnen, das im Weltall keimet und reifet ..! Schon fuͤhl’ ich mich freyer, ſchaue die Bahn, auf der ich wandle zum Schoͤpfer, wandle ſo ſchnell, wie der Gedanke, entgegen der ewigen Wonne, dem ewigen reineren Seyn, entgegen der heranwallenden Schoͤne Gottes.

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton02_1823/139>, abgerufen am 26.04.2024.