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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823.

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Freund! ich sah sie, die mir Phaethon einst
mit solch' trunkenen Worten geschildert! Jch sah sie
in ihren letzten Augenblicken.

Höre und bete!

Ein hochgewölbtes Zimmer umfieng uns, wo
oben auf blauem Grunde die lieblichsten Engelsge-
stalten in tausendfachen Stellungen schwebtest. Auf
einem mit Purpur überwallten Bette lag sie .....

Ein sterbender Engel!

Jhr blasses Haupt ruhte matt auf einem Kis-
sen. Jhre dunkeln Locken lagen in langen Wallun-
gen um sie her. Hellgrüne Akazien, glühende Ro-
sen waren im Kranz um ihr Haupt geschlungen.
Ein paar große dunkle Augen voll Himmel und
Frieden blickten traurig, und doch selig die Umste-
henden an. So lag die Blasse, die Schöne!

An ihrem Bette knieete seine Cäcilie, wie in
einen unaussprechlichen Körper hingegossen, ohne
Seufzer, ohne Sprache. Ein hoher Mann stand
am Haupte der Sterbenden, der die Stirn mit sei-
ner Hand verdeckte. Caton war's, ihr Vater.

Das Wort faßt diese Scene nicht!

Freund! ich ſah ſie, die mir Phaethon einſt
mit ſolch’ trunkenen Worten geſchildert! Jch ſah ſie
in ihren letzten Augenblicken.

Hoͤre und bete!

Ein hochgewoͤlbtes Zimmer umfieng uns, wo
oben auf blauem Grunde die lieblichſten Engelsge-
ſtalten in tauſendfachen Stellungen ſchwebteſt. Auf
einem mit Purpur uͤberwallten Bette lag ſie .....

Ein ſterbender Engel!

Jhr blaſſes Haupt ruhte matt auf einem Kiſ-
ſen. Jhre dunkeln Locken lagen in langen Wallun-
gen um ſie her. Hellgruͤne Akazien, gluͤhende Ro-
ſen waren im Kranz um ihr Haupt geſchlungen.
Ein paar große dunkle Augen voll Himmel und
Frieden blickten traurig, und doch ſelig die Umſte-
henden an. So lag die Blaſſe, die Schoͤne!

An ihrem Bette knieete ſeine Caͤcilie, wie in
einen unausſprechlichen Koͤrper hingegoſſen, ohne
Seufzer, ohne Sprache. Ein hoher Mann ſtand
am Haupte der Sterbenden, der die Stirn mit ſei-
ner Hand verdeckte. Caton war’s, ihr Vater.

Das Wort faßt dieſe Scene nicht!

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[143/0143] Freund! ich ſah ſie, die mir Phaethon einſt mit ſolch’ trunkenen Worten geſchildert! Jch ſah ſie in ihren letzten Augenblicken. Hoͤre und bete! Ein hochgewoͤlbtes Zimmer umfieng uns, wo oben auf blauem Grunde die lieblichſten Engelsge- ſtalten in tauſendfachen Stellungen ſchwebteſt. Auf einem mit Purpur uͤberwallten Bette lag ſie ..... Ein ſterbender Engel! Jhr blaſſes Haupt ruhte matt auf einem Kiſ- ſen. Jhre dunkeln Locken lagen in langen Wallun- gen um ſie her. Hellgruͤne Akazien, gluͤhende Ro- ſen waren im Kranz um ihr Haupt geſchlungen. Ein paar große dunkle Augen voll Himmel und Frieden blickten traurig, und doch ſelig die Umſte- henden an. So lag die Blaſſe, die Schoͤne! An ihrem Bette knieete ſeine Caͤcilie, wie in einen unausſprechlichen Koͤrper hingegoſſen, ohne Seufzer, ohne Sprache. Ein hoher Mann ſtand am Haupte der Sterbenden, der die Stirn mit ſei- ner Hand verdeckte. Caton war’s, ihr Vater. Das Wort faßt dieſe Scene nicht!

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton02_1823/143>, abgerufen am 26.04.2024.