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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800.

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gister bat die Anwesenden sämmtlich, ja nicht da-
von zu sprechen, damit es nicht herum käme und
den Werth der Neuheit verlöhre; und ein jeder ge-
lobte ihm, nicht ein Wort davon über seine Zunge
kommen zu lassen.

Nun las er; und je weiter er kam, desto mehr
häuften sich die Lobeserhebungen. Die Hecren von
der Tabagie fanden das Stück so natürlich und
nachdrücklich, daß gewiß gleich nach der ersten Vor-
stellung Anstalt zu Zucht und Ordnung im Lande
gemacht werden würde.

Mein Vater fragte zwar mit aller Bescheiden-
heit, ob es nicht vielleicht gar zu verständlich wä-
re, da er doch selbst der Meinung sei, man müsse
gewisse Dinge, wenn man darüber schriebe, ver-
blümt vortragen, um dem Leser Gelegenheit zum
Denken zu geben? Doch der Magister sagte: es ist
ein Unterschied, mein lieber Herr Schnitzer, wenn
wir unter uns ein Buch lesen, und ichs erkläre,
und wenn man ein ganzes Publikum vor sich hat,
wo man Gutes stiften soll: dann muß man deut-
lich sprechen: denn im Schauspiele, wo die Hand-
lungen schnell auf einander folgen, haben die Leute
nicht Zeit, über das, was sie hören, lange zu grü-
beln.

Johann

giſter bat die Anweſenden ſaͤmmtlich, ja nicht da-
von zu ſprechen, damit es nicht herum kaͤme und
den Werth der Neuheit verloͤhre; und ein jeder ge-
lobte ihm, nicht ein Wort davon uͤber ſeine Zunge
kommen zu laſſen.

Nun las er; und je weiter er kam, deſto mehr
haͤuften ſich die Lobeserhebungen. Die Hecren von
der Tabagie fanden das Stuͤck ſo natuͤrlich und
nachdruͤcklich, daß gewiß gleich nach der erſten Vor-
ſtellung Anſtalt zu Zucht und Ordnung im Lande
gemacht werden wuͤrde.

Mein Vater fragte zwar mit aller Beſcheiden-
heit, ob es nicht vielleicht gar zu verſtaͤndlich waͤ-
re, da er doch ſelbſt der Meinung ſei, man muͤſſe
gewiſſe Dinge, wenn man daruͤber ſchriebe, ver-
bluͤmt vortragen, um dem Leſer Gelegenheit zum
Denken zu geben? Doch der Magiſter ſagte: es iſt
ein Unterſchied, mein lieber Herr Schnitzer, wenn
wir unter uns ein Buch leſen, und ichs erklaͤre,
und wenn man ein ganzes Publikum vor ſich hat,
wo man Gutes ſtiften ſoll: dann muß man deut-
lich ſprechen: denn im Schauſpiele, wo die Hand-
lungen ſchnell auf einander folgen, haben die Leute
nicht Zeit, uͤber das, was ſie hoͤren, lange zu gruͤ-
beln.

Johann
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[25/0031] giſter bat die Anweſenden ſaͤmmtlich, ja nicht da- von zu ſprechen, damit es nicht herum kaͤme und den Werth der Neuheit verloͤhre; und ein jeder ge- lobte ihm, nicht ein Wort davon uͤber ſeine Zunge kommen zu laſſen. Nun las er; und je weiter er kam, deſto mehr haͤuften ſich die Lobeserhebungen. Die Hecren von der Tabagie fanden das Stuͤck ſo natuͤrlich und nachdruͤcklich, daß gewiß gleich nach der erſten Vor- ſtellung Anſtalt zu Zucht und Ordnung im Lande gemacht werden wuͤrde. Mein Vater fragte zwar mit aller Beſcheiden- heit, ob es nicht vielleicht gar zu verſtaͤndlich waͤ- re, da er doch ſelbſt der Meinung ſei, man muͤſſe gewiſſe Dinge, wenn man daruͤber ſchriebe, ver- bluͤmt vortragen, um dem Leſer Gelegenheit zum Denken zu geben? Doch der Magiſter ſagte: es iſt ein Unterſchied, mein lieber Herr Schnitzer, wenn wir unter uns ein Buch leſen, und ichs erklaͤre, und wenn man ein ganzes Publikum vor ſich hat, wo man Gutes ſtiften ſoll: dann muß man deut- lich ſprechen: denn im Schauſpiele, wo die Hand- lungen ſchnell auf einander folgen, haben die Leute nicht Zeit, uͤber das, was ſie hoͤren, lange zu gruͤ- beln. Johann

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Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800/31>, abgerufen am 29.04.2024.