Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weerth, Georg: Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski. Hamburg, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

Jedenfalls weiß dieser Schnapphahnski seine Phrasen abscheulich zu verdrechseln - sagte der Baron, indem er den Grafen mehr in die Tiefe des Gemaches zog. Doch der Ritter war bereits im besten Zuge: "Am ersten Tage," fuhr er fort, lachte Gott und machte das Licht; am zweiten wurde er noch heiterer und schuf den Himmel. Am dritten Tage wurde er ernst und trocken und schuf die trockne solide Erde; doch am vierten wurde er phantastisch und erfand den Mond und die Sterne, und am fünften wandelte ihn endlich der Humor an und er erschuf, was sich regt in den Höh'n und den Tiefen - am sechsten Tage seufzte er aber und erfand den Menschen, er erfand die Liebe, und seit Jahrtausenden weht nun dieser Schöpfungsseufzer des sechsten Tages durch die Herzen aller Erschaffenen, einem ewigen Echo gleich, das von einer Seele zu der andern wiedertönt, immer neue Töne schaffend, Töne der Freude und Töne des Schmerzes, harmonische und herzzerreißende."

Es ist schade, daß der Ritter kein Pastor wurde - murmelte der Baron in das Ohr des Grafen. Seh'n Sie nur, wie er gestikulirt: wie ein verrückt gewordener Telegraph! Hat man je etwas Tolleres erlebt?

Jedenfalls weiß dieser Schnapphahnski seine Phrasen abscheulich zu verdrechseln – sagte der Baron, indem er den Grafen mehr in die Tiefe des Gemaches zog. Doch der Ritter war bereits im besten Zuge: „Am ersten Tage,“ fuhr er fort, lachte Gott und machte das Licht; am zweiten wurde er noch heiterer und schuf den Himmel. Am dritten Tage wurde er ernst und trocken und schuf die trockne solide Erde; doch am vierten wurde er phantastisch und erfand den Mond und die Sterne, und am fünften wandelte ihn endlich der Humor an und er erschuf, was sich regt in den Höh’n und den Tiefen – am sechsten Tage seufzte er aber und erfand den Menschen, er erfand die Liebe, und seit Jahrtausenden weht nun dieser Schöpfungsseufzer des sechsten Tages durch die Herzen aller Erschaffenen, einem ewigen Echo gleich, das von einer Seele zu der andern wiedertönt, immer neue Töne schaffend, Töne der Freude und Töne des Schmerzes, harmonische und herzzerreißende.“

Es ist schade, daß der Ritter kein Pastor wurde – murmelte der Baron in das Ohr des Grafen. Seh’n Sie nur, wie er gestikulirt: wie ein verrückt gewordener Telegraph! Hat man je etwas Tolleres erlebt?

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0199" n="193"/>
          <p>Jedenfalls weiß dieser Schnapphahnski seine Phrasen abscheulich zu verdrechseln &#x2013; sagte der Baron, indem er den Grafen mehr in die Tiefe des Gemaches zog. Doch der Ritter war bereits im besten Zuge: &#x201E;Am ersten Tage,&#x201C; fuhr er fort, lachte Gott und machte das Licht; am zweiten wurde er noch heiterer und schuf den Himmel. Am dritten Tage wurde er ernst und trocken und schuf die trockne solide Erde; doch am vierten wurde er phantastisch und erfand den Mond und die Sterne, und am fünften wandelte ihn endlich der Humor an und er erschuf, was sich regt in den Höh&#x2019;n und den Tiefen &#x2013; am sechsten Tage <hi rendition="#g">seufzte</hi> er aber und erfand den Menschen, er erfand die Liebe, und seit Jahrtausenden weht nun dieser Schöpfungsseufzer des sechsten Tages durch die Herzen aller Erschaffenen, einem ewigen Echo gleich, das von einer Seele zu der andern wiedertönt, immer neue Töne schaffend, Töne der Freude und Töne des Schmerzes, harmonische und herzzerreißende.&#x201C;</p>
          <p>Es ist schade, daß der Ritter kein Pastor wurde &#x2013; murmelte der Baron in das Ohr des Grafen. Seh&#x2019;n Sie nur, wie er gestikulirt: wie ein verrückt gewordener Telegraph! Hat man je etwas Tolleres erlebt?</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[193/0199] Jedenfalls weiß dieser Schnapphahnski seine Phrasen abscheulich zu verdrechseln – sagte der Baron, indem er den Grafen mehr in die Tiefe des Gemaches zog. Doch der Ritter war bereits im besten Zuge: „Am ersten Tage,“ fuhr er fort, lachte Gott und machte das Licht; am zweiten wurde er noch heiterer und schuf den Himmel. Am dritten Tage wurde er ernst und trocken und schuf die trockne solide Erde; doch am vierten wurde er phantastisch und erfand den Mond und die Sterne, und am fünften wandelte ihn endlich der Humor an und er erschuf, was sich regt in den Höh’n und den Tiefen – am sechsten Tage seufzte er aber und erfand den Menschen, er erfand die Liebe, und seit Jahrtausenden weht nun dieser Schöpfungsseufzer des sechsten Tages durch die Herzen aller Erschaffenen, einem ewigen Echo gleich, das von einer Seele zu der andern wiedertönt, immer neue Töne schaffend, Töne der Freude und Töne des Schmerzes, harmonische und herzzerreißende.“ Es ist schade, daß der Ritter kein Pastor wurde – murmelte der Baron in das Ohr des Grafen. Seh’n Sie nur, wie er gestikulirt: wie ein verrückt gewordener Telegraph! Hat man je etwas Tolleres erlebt?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-04T15:10:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitätsbibliothek Frankfurt am Main: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-04T15:10:31Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Faksimile 0150) (2013-01-04T15:10:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-04T15:10:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Worttrennungen am Zeilenende entfallen
  • Sonderzeichen und nicht-lateinische Schriftzeichen werden möglichst originalgetreu wiedergegeben
  • Das lange s (ſ) wird als normales s wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weerth_schnapphahnski_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weerth_schnapphahnski_1849/199
Zitationshilfe: Weerth, Georg: Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski. Hamburg, 1849, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weerth_schnapphahnski_1849/199>, abgerufen am 30.04.2024.