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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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47.
Er steht betroffen und geblendet
Von einer pracht, die alles, was er ie
Gesehn, beschämt; so sehr ist gold und Lazuli
Und was Golcond und Siam reiches sendet,
Mit stolzer üppigkeit hier überall verschwendet.
Doch unbefriedigt sucht sein liebend auge -- Sie.
Wo ist Sie, seufzt er laut. Kaum ist sein ach! entflogen,
So wird, in einem bliz, ein vorhang weggezogen.
48.
Zu beyden seiten rauscht der reiche goldstoff auf,
Und welch ein schauspiel zeigt sich seinen starren blicken!
Ein goldner thron, und eine Dame drauf
So wie ein Bildner sich, verloren in entzücken,
Die Liebesgöttin denkt. Zwölf Nymfen, jede jung
Und voller reiz, wie Amors Schwestern, schweben
In Gruppen um sie her -- um, gleich der dämmerung,
Den steigenden triumf der Sonne zu erheben.
49.
Von rosenfarbner seide kaum
Beschattet, schienen sie, zu ihrer Dame füßen,
Wie wölkchen, die in einem Dichtertraum
Um Cythereens wagen fließen.
Sie selbst, im reichsten puz und mit Juwelen ganz
Belastet, zeigt ihm bloß, daß all dies bunte funkeln
Nicht fähig ist, den angebohrnen glanz
Von ihrer schönheit zu verdunkeln.
50. Herr
47.
Er ſteht betroffen und geblendet
Von einer pracht, die alles, was er ie
Geſehn, beſchaͤmt; ſo ſehr iſt gold und Lazuli
Und was Golcond und Siam reiches ſendet,
Mit ſtolzer uͤppigkeit hier uͤberall verſchwendet.
Doch unbefriedigt ſucht ſein liebend auge — Sie.
Wo iſt Sie, ſeufzt er laut. Kaum iſt ſein ach! entflogen,
So wird, in einem bliz, ein vorhang weggezogen.
48.
Zu beyden ſeiten rauſcht der reiche goldſtoff auf,
Und welch ein ſchauſpiel zeigt ſich ſeinen ſtarren blicken!
Ein goldner thron, und eine Dame drauf
So wie ein Bildner ſich, verloren in entzuͤcken,
Die Liebesgoͤttin denkt. Zwoͤlf Nymfen, jede jung
Und voller reiz, wie Amors Schweſtern, ſchweben
In Gruppen um ſie her — um, gleich der daͤmmerung,
Den ſteigenden triumf der Sonne zu erheben.
49.
Von roſenfarbner ſeide kaum
Beſchattet, ſchienen ſie, zu ihrer Dame fuͤßen,
Wie woͤlkchen, die in einem Dichtertraum
Um Cythereens wagen fließen.
Sie ſelbſt, im reichſten puz und mit Juwelen ganz
Belaſtet, zeigt ihm bloß, daß all dies bunte funkeln
Nicht faͤhig iſt, den angebohrnen glanz
Von ihrer ſchoͤnheit zu verdunkeln.
50. Herr
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[0280] 47. Er ſteht betroffen und geblendet Von einer pracht, die alles, was er ie Geſehn, beſchaͤmt; ſo ſehr iſt gold und Lazuli Und was Golcond und Siam reiches ſendet, Mit ſtolzer uͤppigkeit hier uͤberall verſchwendet. Doch unbefriedigt ſucht ſein liebend auge — Sie. Wo iſt Sie, ſeufzt er laut. Kaum iſt ſein ach! entflogen, So wird, in einem bliz, ein vorhang weggezogen. 48. Zu beyden ſeiten rauſcht der reiche goldſtoff auf, Und welch ein ſchauſpiel zeigt ſich ſeinen ſtarren blicken! Ein goldner thron, und eine Dame drauf So wie ein Bildner ſich, verloren in entzuͤcken, Die Liebesgoͤttin denkt. Zwoͤlf Nymfen, jede jung Und voller reiz, wie Amors Schweſtern, ſchweben In Gruppen um ſie her — um, gleich der daͤmmerung, Den ſteigenden triumf der Sonne zu erheben. 49. Von roſenfarbner ſeide kaum Beſchattet, ſchienen ſie, zu ihrer Dame fuͤßen, Wie woͤlkchen, die in einem Dichtertraum Um Cythereens wagen fließen. Sie ſelbſt, im reichſten puz und mit Juwelen ganz Belaſtet, zeigt ihm bloß, daß all dies bunte funkeln Nicht faͤhig iſt, den angebohrnen glanz Von ihrer ſchoͤnheit zu verdunkeln. 50. Herr

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/280>, abgerufen am 14.05.2024.