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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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51.
Dann siehst du mich, und wär' ich tausend meilen
Von dir entfernt, zu deinem beystand eilen.
Nur spare solchen ruf bis höchste noth dich dringt.
Auch diesen becher nimm, der sich mit wein erfüllet,
Sobald ein biedermann ihn an die lippen bringt.
Der quell versieget nie woraus sein nektar quillet:
Doch bringt ein schalk ihn an des mundes rand
So wird der becher leer, und glüht ihm in der hand.
52.
Herr Hüon nimmt mit dank die wundervollen pfänder
Von seines neuen schützers huld;
Und kaum vergülden sich des ostens purpurränder,
So forscht er schon, mit edler ungeduld,
Von Oberon den kürzesten der wege.
Zeuch hin, spricht Oberon, nachdem er ihn belehrt;
Und daß ich nie die stunde sehen möge,
Da Hüons herz durch schwachheit sich entehrt!
53.
Nicht daß ich deinem mut und herzen
Mißtraue! aber, ach! du bist ein adamskind,
Aus weichem ton geformt, und für die zukunft blind!
Zu oft ist kurze lust die quelle langer schmerzen!
Vergiß der warnung nie, die Oberon dir gab!
Drauf rührt er ihn mit seinem lilienstab,
Und Hüon sieht aus seinem liebevollen
Azurnen augenpaar zwoo helle perlen rollen.
54. Und
51.
Dann ſiehſt du mich, und waͤr' ich tauſend meilen
Von dir entfernt, zu deinem beyſtand eilen.
Nur ſpare ſolchen ruf bis hoͤchſte noth dich dringt.
Auch dieſen becher nimm, der ſich mit wein erfuͤllet,
Sobald ein biedermann ihn an die lippen bringt.
Der quell verſieget nie woraus ſein nektar quillet:
Doch bringt ein ſchalk ihn an des mundes rand
So wird der becher leer, und gluͤht ihm in der hand.
52.
Herr Huͤon nimmt mit dank die wundervollen pfaͤnder
Von ſeines neuen ſchuͤtzers huld;
Und kaum verguͤlden ſich des oſtens purpurraͤnder,
So forſcht er ſchon, mit edler ungeduld,
Von Oberon den kuͤrzeſten der wege.
Zeuch hin, ſpricht Oberon, nachdem er ihn belehrt;
Und daß ich nie die ſtunde ſehen moͤge,
Da Huͤons herz durch ſchwachheit ſich entehrt!
53.
Nicht daß ich deinem mut und herzen
Mißtraue! aber, ach! du biſt ein adamskind,
Aus weichem ton geformt, und fuͤr die zukunft blind!
Zu oft iſt kurze luſt die quelle langer ſchmerzen!
Vergiß der warnung nie, die Oberon dir gab!
Drauf ruͤhrt er ihn mit ſeinem lilienſtab,
Und Huͤon ſieht aus ſeinem liebevollen
Azurnen augenpaar zwoo helle perlen rollen.
54. Und
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[0051] 51. Dann ſiehſt du mich, und waͤr' ich tauſend meilen Von dir entfernt, zu deinem beyſtand eilen. Nur ſpare ſolchen ruf bis hoͤchſte noth dich dringt. Auch dieſen becher nimm, der ſich mit wein erfuͤllet, Sobald ein biedermann ihn an die lippen bringt. Der quell verſieget nie woraus ſein nektar quillet: Doch bringt ein ſchalk ihn an des mundes rand So wird der becher leer, und gluͤht ihm in der hand. 52. Herr Huͤon nimmt mit dank die wundervollen pfaͤnder Von ſeines neuen ſchuͤtzers huld; Und kaum verguͤlden ſich des oſtens purpurraͤnder, So forſcht er ſchon, mit edler ungeduld, Von Oberon den kuͤrzeſten der wege. Zeuch hin, ſpricht Oberon, nachdem er ihn belehrt; Und daß ich nie die ſtunde ſehen moͤge, Da Huͤons herz durch ſchwachheit ſich entehrt! 53. Nicht daß ich deinem mut und herzen Mißtraue! aber, ach! du biſt ein adamskind, Aus weichem ton geformt, und fuͤr die zukunft blind! Zu oft iſt kurze luſt die quelle langer ſchmerzen! Vergiß der warnung nie, die Oberon dir gab! Drauf ruͤhrt er ihn mit ſeinem lilienſtab, Und Huͤon ſieht aus ſeinem liebevollen Azurnen augenpaar zwoo helle perlen rollen. 54. Und

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/51>, abgerufen am 29.04.2024.