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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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42.
Ein glück für dich, unschuld'ge Angela,
Daß keiner deiner blick' in Hüons busen zunder
Zum fangen fand. Und freylich war's kein wunder:
Denn, kam ihr auch, wie dann und wann geschah,
Der seinige auf halbem weg entgegen,
So war's der blick von einem haubenkopf;
Er hätt' auf einen blumentopf,
Auf ein tapetenbild, gleich wichtig fallen mögen.
43.
Ein unbekanntes was, das ihn wie ein magnet
Nach Bagdad zieht, scheint allen seinen blicken
Die scharfe spitze abzuknicken,
Und macht, daß jeder reitz an ihm verloren geht.
Vergebens ist ihr wuchs wie eine schöne Vase
Von Amors eigner hand gedreht;
Vergebens schließt die sanft erhobne nase
Sich an die glatte stirn in stolzer majestät;
44.
Umsonst hebt ihre brust, gleich einem doppelhügel
Von frischem schnee um den ein nebel graut,
Den dünnen weißen Flor; umsonst ist ihre haut
So rein und glatt als wie ein wasserspiegel
Worinn im rosenschmuck Aurora sich beschaut;
Vergebens hat ihr königliches siegel
Die Schönheit jedem theil so sichtbar aufgedrückt,
Daß ihr gewand sogar sie minder deckt als schmückt.
45. Kurz
42.
Ein gluͤck fuͤr dich, unſchuld'ge Angela,
Daß keiner deiner blick' in Huͤons buſen zunder
Zum fangen fand. Und freylich war's kein wunder:
Denn, kam ihr auch, wie dann und wann geſchah,
Der ſeinige auf halbem weg entgegen,
So war's der blick von einem haubenkopf;
Er haͤtt' auf einen blumentopf,
Auf ein tapetenbild, gleich wichtig fallen moͤgen.
43.
Ein unbekanntes was, das ihn wie ein magnet
Nach Bagdad zieht, ſcheint allen ſeinen blicken
Die ſcharfe ſpitze abzuknicken,
Und macht, daß jeder reitz an ihm verloren geht.
Vergebens iſt ihr wuchs wie eine ſchoͤne Vaſe
Von Amors eigner hand gedreht;
Vergebens ſchließt die ſanft erhobne naſe
Sich an die glatte ſtirn in ſtolzer majeſtaͤt;
44.
Umſonſt hebt ihre bruſt, gleich einem doppelhuͤgel
Von friſchem ſchnee um den ein nebel graut,
Den duͤnnen weißen Flor; umſonſt iſt ihre haut
So rein und glatt als wie ein waſſerſpiegel
Worinn im roſenſchmuck Aurora ſich beſchaut;
Vergebens hat ihr koͤnigliches ſiegel
Die Schoͤnheit jedem theil ſo ſichtbar aufgedruͤckt,
Daß ihr gewand ſogar ſie minder deckt als ſchmuͤckt.
45. Kurz
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[0067] 42. Ein gluͤck fuͤr dich, unſchuld'ge Angela, Daß keiner deiner blick' in Huͤons buſen zunder Zum fangen fand. Und freylich war's kein wunder: Denn, kam ihr auch, wie dann und wann geſchah, Der ſeinige auf halbem weg entgegen, So war's der blick von einem haubenkopf; Er haͤtt' auf einen blumentopf, Auf ein tapetenbild, gleich wichtig fallen moͤgen. 43. Ein unbekanntes was, das ihn wie ein magnet Nach Bagdad zieht, ſcheint allen ſeinen blicken Die ſcharfe ſpitze abzuknicken, Und macht, daß jeder reitz an ihm verloren geht. Vergebens iſt ihr wuchs wie eine ſchoͤne Vaſe Von Amors eigner hand gedreht; Vergebens ſchließt die ſanft erhobne naſe Sich an die glatte ſtirn in ſtolzer majeſtaͤt; 44. Umſonſt hebt ihre bruſt, gleich einem doppelhuͤgel Von friſchem ſchnee um den ein nebel graut, Den duͤnnen weißen Flor; umſonſt iſt ihre haut So rein und glatt als wie ein waſſerſpiegel Worinn im roſenſchmuck Aurora ſich beſchaut; Vergebens hat ihr koͤnigliches ſiegel Die Schoͤnheit jedem theil ſo ſichtbar aufgedruͤckt, Daß ihr gewand ſogar ſie minder deckt als ſchmuͤckt. 45. Kurz

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/67>, abgerufen am 28.04.2024.