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Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780.

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27.
Der Sarazen (den reichen steinen nach,
Die hoch auf seinem turban blitzen,
Ein mann von wichtigkeit) schien noch vor angst zu schwitzen.
Die Ritter führen ihn, am arme, ganz gemach
Den bäumen zu, in deren schirm sie lagen.
Man reicht zur stärkung ihm den goldnen becher dar,
Und auf arabisch spricht der Alte: Herr, fürwahr
Ihr habt dem Gott der Christen dank zu sagen!
28.
Mit scheelem auge nimmt der Heid aus Hüons hand
Den becher voll, und wie er an der lippen rand
Ihn bringt, versiegt der wein, und glüend wird der becher,
In seiner faust, der innern schalkheit rächer.
Er schleudert ihn lautbrüllend weit von sich,
Und stampft, und tobt, und lästert fürchterlich.
Herr Hüon, dem es graut, ihm länger zuzuhören,
Zieht sein geweyhtes schwert, den Heiden zu -- bekehren.
29.
Allein, der Schalk, der übermannt sich hält,
Findt nicht für gut zur gegenwehr zu stehen;
Wie ein gejagter Strauß läuft er ins nahe feld,
Wo beyde pferd' im grase weiden gehen.
Risch schwingt er sich auf Hüons klepper, faßt
Ihn bey der mähn, und mit verhängten zügeln
Rennt er davon, in solcher angst und hast,
Als säß' er zwischen sturmwindsflügeln.
30. Das
27.
Der Sarazen (den reichen ſteinen nach,
Die hoch auf ſeinem turban blitzen,
Ein mann von wichtigkeit) ſchien noch vor angſt zu ſchwitzen.
Die Ritter fuͤhren ihn, am arme, ganz gemach
Den baͤumen zu, in deren ſchirm ſie lagen.
Man reicht zur ſtaͤrkung ihm den goldnen becher dar,
Und auf arabiſch ſpricht der Alte: Herr, fuͤrwahr
Ihr habt dem Gott der Chriſten dank zu ſagen!
28.
Mit ſcheelem auge nimmt der Heid aus Huͤons hand
Den becher voll, und wie er an der lippen rand
Ihn bringt, verſiegt der wein, und gluͤend wird der becher,
In ſeiner fauſt, der innern ſchalkheit raͤcher.
Er ſchleudert ihn lautbruͤllend weit von ſich,
Und ſtampft, und tobt, und laͤſtert fuͤrchterlich.
Herr Huͤon, dem es graut, ihm laͤnger zuzuhoͤren,
Zieht ſein geweyhtes ſchwert, den Heiden zu — bekehren.
29.
Allein, der Schalk, der uͤbermannt ſich haͤlt,
Findt nicht fuͤr gut zur gegenwehr zu ſtehen;
Wie ein gejagter Strauß laͤuft er ins nahe feld,
Wo beyde pferd' im graſe weiden gehen.
Riſch ſchwingt er ſich auf Huͤons klepper, faßt
Ihn bey der maͤhn, und mit verhaͤngten zuͤgeln
Rennt er davon, in ſolcher angſt und haſt,
Als ſaͤß' er zwiſchen ſturmwindsfluͤgeln.
30. Das
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[0085] 27. Der Sarazen (den reichen ſteinen nach, Die hoch auf ſeinem turban blitzen, Ein mann von wichtigkeit) ſchien noch vor angſt zu ſchwitzen. Die Ritter fuͤhren ihn, am arme, ganz gemach Den baͤumen zu, in deren ſchirm ſie lagen. Man reicht zur ſtaͤrkung ihm den goldnen becher dar, Und auf arabiſch ſpricht der Alte: Herr, fuͤrwahr Ihr habt dem Gott der Chriſten dank zu ſagen! 28. Mit ſcheelem auge nimmt der Heid aus Huͤons hand Den becher voll, und wie er an der lippen rand Ihn bringt, verſiegt der wein, und gluͤend wird der becher, In ſeiner fauſt, der innern ſchalkheit raͤcher. Er ſchleudert ihn lautbruͤllend weit von ſich, Und ſtampft, und tobt, und laͤſtert fuͤrchterlich. Herr Huͤon, dem es graut, ihm laͤnger zuzuhoͤren, Zieht ſein geweyhtes ſchwert, den Heiden zu — bekehren. 29. Allein, der Schalk, der uͤbermannt ſich haͤlt, Findt nicht fuͤr gut zur gegenwehr zu ſtehen; Wie ein gejagter Strauß laͤuft er ins nahe feld, Wo beyde pferd' im graſe weiden gehen. Riſch ſchwingt er ſich auf Huͤons klepper, faßt Ihn bey der maͤhn, und mit verhaͤngten zuͤgeln Rennt er davon, in ſolcher angſt und haſt, Als ſaͤß' er zwiſchen ſturmwindsfluͤgeln. 30. Das

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Zitationshilfe: Wieland, Christoph Martin: Oberon. Weimar, 1780, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wieland_oberon_1780/85>, abgerufen am 29.04.2024.